Dreikönigstag

Weihrauch, Myrrhe und Gold – die Gaben der Weisen aus pharmazeutischer Sicht

Stuttgart - 06.01.2022, 10:45 Uhr

Die drei Weisen brachten Geschenke mit pharmakologischer Wirkung. (Foto: Esther Hildebrandt / AdobeStock)

Die drei Weisen brachten Geschenke mit pharmakologischer Wirkung. (Foto: Esther Hildebrandt / AdobeStock)


Myrrhe und Weihrauch: Entzündungshemmer mit Potenzial

Anders sieht es mit der Myrrhe aus. Der interdisziplinäre Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ hat den Myrrhenbaum erst vor einem guten Jahr zur Arzneipflanze des Jahres 2021 gewählt. Im Harz habe bereits eine Fülle von pharmakologisch interessanten Substanzen identifiziert werden können, die auf weiteres medizinisches Potenzial hindeuteten, hieß es in der Begründung. Doch Myrrhe hat auch lange Tradition in der Heilkunde. Bereits in altägyptischen Texten ist eine sehr vielfältige medizinische Nutzung belegt, unter anderem in Rezepturen zur Behandlung von Husten und zur Versorgung von Wunden. Im Mittelalter haben sich Beschwerden des Verdauungstraktes zu einem Hauptanwendungsgebiet der Myrrhe entwickelt. Auch Hildegard von Bingen befasst sich mit Myrrhe. Ausführlich beschreibt sie die Anwendung der Rinde bei Gelbsucht und Lähmungen, sowie die äußerliche Anwendung des Harzes bei Magenbeschwerden sowie innerlich bei Fieber. Heute dürften Apotheker:innen die Myrrhe beispielsweise als Inhaltsstoff in Mundwasser kennen. Myrrhe hat adstringierende, entzündungshemmende und antimikrobielle Eigenschaften und wird daher vor allem bei Entzündungen der Haut sowie der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich, aber auch des Darmes eingesetzt. Myrrhinil intest®-Tabletten beispielsweise sind in Deutschland als traditionelles pflanzliches Arzneimittel laut Fachinfo (Stand August 2020) „zur unterstützenden Behandlung bei Magen-Darm-Störungen mit unspezifischem Durchfall, begleitet von leichten Krämpfen und Blähungen“ registriert. Für die enthaltene Kombination Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle gibt es sogar Hinweise auf eine positive Wirkung für den komplementären Einsatz in der Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa. Diese Empfehlung findet sich auch in der Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa“ von 2018 wieder: „Eine Kombination aus Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle kann komplementär in der remissionserhaltenden Behandlung eingesetzt werden. Evidenzgrad 2, Empfehlungsgrad 0, Konsens“.

Weihrauch bislang nur als NEM 

Weihrauch hat in der ayurwedischen Medizin schon lange einen hohen Stellenwert – vor allem als Antiphlogistikum. Verantwortlich für diese Wirkung sind vor allem die Boswellia-Säuren. Sie hemmen z. B. die 5-Lipoxygenase, die zur Bildung proinflammatorischer Leukotriene führt, aber auch die Cyclooxygenase 1, die Elastase, Cathepsin G und NF-κB. Indischer Weihrauch, der im Europäischen Arzneibuch monografiert ist, enthält etwa 60 Prozent Harz, dessen wesentlicher Bestandteile sind diese charakteristischen Triterpensäuren. Sie machen etwa 30 Prozent der Harzfraktion aus. Außerdem sind Schleimstoffe (Polysaccharide) und 6 bis 9 Prozent ätherisches Öl enthalten. Für Weihrauch-Extrakte gibt es Hinweise auf positive Effekte bei Arthrosebeschwerden und entzündlichen Darmerkrankungen. Zudem traten in einer Pilotstudie mit MS-Patienten weniger Entzündungsherde im Hirn und -schübe auf, wenn sie ein eigens für die Studie eingenommenes Weihrauchpräparat eingenommen hatten. Auch gibt es immer wieder Spekulationen bezüglich einer Wirkung von Weihrauch bei Patienten mit Glioblastomen.

Die Daten reichen allerdings bisher nicht aus, um damit eine Zulassung für ein Fertigarzneimittel zu erreichen. Zudem zeigt die pharmazeutische Industrie wohl wenig Interesse, die notwendigen Studien zu finanzieren – zu gering sind die Gewinnaussichten mit einem nicht patentierbaren Naturprodukt wie Weihrauch. Allerdings sind eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln auf dem Markt. Trotz der strengen Auflagen bei gesundheitsbezogenen Aussagen, werben viele Hersteller mit einer Einsatzmöglichkeit bei entzündlichen Erkrankungen. Diese Mittel sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, denn sie unterliegen ganz anderen Qualitätskriterien als Arzneimittel. So sind sie in der Regel weder auf ihre Wirksamkeit noch auf Verunreinigungen wie Schwermetalle, Bakterien oder Schimmelpilze geprüft.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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