Bei prämenstruellem Syndrom

Mönchspfeffer ist die Arzneipflanze des Jahres 2022

30.12.2021, 17:50 Uhr

Welche Wirkungen schreibt man Agnus castus, der Arzneipflanze des Jahres 2022, zu? (Foto: Viktoriya / AdobeStock)

Welche Wirkungen schreibt man Agnus castus, der Arzneipflanze des Jahres 2022, zu? (Foto: Viktoriya / AdobeStock)


Woher stammt eigentlich der Name Keuschlamm, wie Mönchspfeffer alternativ genannt wird? Und welche Wirkungen schreibt man Agnus castus, der Arzneipflanze des Jahres 2022, zu?

Schon im antiken Griechenland hatte der Mönchspfeffer (Keuschlamm, Vitex agnus-castus) kultische Bedeutung. Er galt als Symbol der Keuschheit. An göttlichen Feiertagen sollten die Frauen im alten Athen enthaltsam leben. Dazu legten sie die Zweige des Mönchpfeffers auf ihr Lager. Auf diese Weise soll die Pflanze auch im Mittelalter den Mönchen und Nonnen dabei geholfen haben, ihr Keuschheitsgelübde einzuhalten. Die Pflanze erhielt daher die lateinische Bezeichnung „agnus castus“, was übersetzt „keusches Lamm“ bedeutet. Dies drückt im Sinne des christlichen Bildes vom „Lamm Gottes“ Unschuld und Reinheit aus und erklärt den heutigen Namen Keuschlamm.

Früchte fürs Männerkloster

Zur Hemmung des sexuellen Verlangens – also als Anaphrodisiakum – dienten ebenso die Früchte der Pflanze. Sie wurden in den Männerklöstern gegessen. Wegen ihres würzigen und etwas scharfen Aromas verwendeten die mittelalterlichen Mönche sie als Pfefferersatz für ihre Speisen. So erhielt die Pflanze den Namen Mönchspfeffer.

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Auch für den lateinischen Gattungsnamen Vitex gibt es eine historische Erklärung: Er leitet sich vom Verb „viere“ für „flechten“ ab. Die biegsamen Zweige des Mönchspfeffers wurden nämlich zum Flechten von Körben und zum Festbinden der Weinreben verwendet. In Griechenland und Italien geschieht dies teilweise bis heute.

Verwendung bei Menstruationsbeschwerden

Heute genießt Vitex agnus-castus als Arzneipflanze für die Frauenheilkunde große Wertschätzung, insbesondere in der Selbstmedikation. Zubereitungen aus Mönchspfefferfrüchten (Agni casti fructus) haben sich bei verschiedenen Menstruationsstörungen als wirksam erwiesen. Indiziert sind sie

  • bei Regeltempo-Anomalien – also Rhythmusstörungen der Menstruation, 
  • beim prämenstruellen Syndrom – also einem kurz vor der Regelblutung auftretenden Beschwerdenkomplex
  • sowie bei Mastodynie – also schmerzhaftem Spannungs- und Schwellungsgefühl in den Brüsten.

Regulation der Prolaktin-Sekretion

Verschiedene präklinische Studien wiesen für Zubereitungen aus Agni casti fructus dopaminerge Effekte und eine hemmende Wirkung auf die Prolaktin-Freisetzung nach. Als laktotropes Hormon ist Prolaktin physiologischerweise dafür zuständig, das Wachstum der Brustdrüse während der Schwangerschaft zu fördern und die Milchbildung anzuregen. Außerhalb von Schwangerschaft und Stillzeit kann jedoch zu viel Prolaktin den weiblichen Zyklus stören und zu prämenstruellen Beschwerden inklusive Mastodynie führen. Klinische Studien dokumentieren für Extrakte aus Mönchspfefferfrüchten eine signifikante Milderung von Symptomen des prämenstruellen Syndroms und von Regelanomalien.

Als geradezu widersprüchlich erscheint im Zusammenhang mit der Prolaktin-Hemmung eine seit Langem in der Erfahrungsheilkunde praktizierte Anwendung von Keuschlammfrüchten: zur Förderung der Milchmenge. Wissenschaftlich fundierte Daten gibt es hierzu nicht. Einige Fachleute warnen vor einem solchen Verwendungszweck.

Vielfältige Inhaltsstoffe

Als maßgeblich für die phytotherapeutische Wirkung von Agni-casti-fructus-Extrakten gilt ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen. Dazu gehören Diterpene (wie Rotundifuran und Vitexilacton), Iridoidglykoside (wie Agnusid und Aucubin), Flavonoide (wie Casticin und Penduletin) und ätherisches Öl (mit 1,8-Cineol und Pinen).

Wertvoll für die Selbstmedikation

Die auf dem deutschen Markt befindlichen standardisierten Mönchspfeffer-Monopräparate enthalten üblicherweise 4 mg Extrakt als tägliche Einmaldosis. Zugelassene Arzneimittel sind zum Beispiel Agnolyt® Madaus, Agnucaston®, Cefanorm® und Femicur® N. Die Einnahme sollte kurmäßig über mindestens drei Monate erfolgen. Etwaige Nebenwirkungen sind meist milde. Vereinzelt wurde über Kopfschmerzen, Hautreaktionen sowie Magen-Darm-Beschwerden berichtet. Allerdings gilt es, die Grenzen der Selbstmedikation zu beachten. So sollte etwa bei erstmaligem Auftreten von Regelstörungen nach beschwerdefreien Jahren oder bei zunehmend stärkeren Regelschmerzen zu einer ärztlichen Untersuchung geraten werden. Kontraindiziert sind Mönchspfefferpräparate in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Hypophysentumoren und Brustkrebs.

Pfefferähnliche Steinbeeren

Vitex agnus-castus gehört zu den Lippenblütlern (Lamiaceae) und ist ein mediterranes Gewächs. Der bis zu 5 m hohe sommergrüne Strauch kommt im gesamten Mittelmeergebiet und bis nach Zentralasien vor. Er wächst bevorzugt an feuchten Standorten wie Flussufern, wird aber auch als Zierstrauch gepflanzt, sogar in unseren Breiten. Seine langgestielten Blätter sind fingerförmig fünf- bis siebenzählig gefiedert. Im Sommer bildet der Mönchspfeffer dekorative ährenartige Blütenstände mit blauvioletten, duftenden Blüten. Aus ihnen entwickeln sich die an Pfefferkörner erinnernden, 3 bis 5 mm großen, viersamigen Mönchspfefferfrüchte, die im botanischen Sinne Steinbeeren darstellen. 

(Foto: lemacpro / AdobeStock)

Jedes Jahr eine Neue

Der Mönchspfeffer steht im kommenden Jahr als Arzneipflanze des Jahres im Blickpunkt. Er löst damit die Echte Myrrhe als Arzneipflanze des Jahres 2021 ab. Seit 1999 trägt alljährlich eine andere Arzneipflanze den Titel Arzneipflanze des Jahres. Die jährliche Kür nimmt ein interdisziplinäres Expertengremium vor – der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“. Es wird jeweils eine Arzneipflanze geehrt, die zum einen historisch bedeutsam ist und zum anderen die moderne Phytotherapie bereichert. Übrigens: Die „Arzneipflanze des Jahres“ ist nicht zu verwechseln mit der „Heilpflanze des Jahres“. Diesen vom Naturheilverein Theophrastus vergebenen Titel trägt in 2022 die Brennnessel (nach dem Meerrettich in 2021).

Bisherige Arzneipflanzen des Jahres

JahrArzneipflanze des Jahres
2022Mönchspfeffer (Keuschlamm, Vitex agnus-castus)
2021Echte Myrrhe (Commiphora myrrha)
2020Echter Lavendel (Lavandula angustifolia)
2019Weißdorn (Crataegus)
2018Andorn (Marrubium vulgare)
2017Echter Hafer (Avena sativa)
2016Echter Kümmel (Carum carvi)
2015Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)
2014Spitzwegerich (Plantago lanceolata)
2013Große Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus)
2012Süßholz (Glycyrrhiza glabra)
2011Passionsblume (Passiflora incarnata)
2010Efeu (Hedera helix)
2009Fenchel (Foeniculum vulgare)
2008Rosskastanie (Aesculus hippocastanum)
2007Hopfen (Humulus lupulus)
2006Thymian (Thymus vulgaris)
2005Gartenkürbis (Cucurbita pepo)
2004Pfefferminze (Mentha x piperita)
2003Artischocke (Cynara cardunculus)
2002Stechender Mäusedorn (Ruscus aculeatus)
2001Arnika (Arnica montana)
1999/2000Buchweizen (Fagopyrum esculentum)

 

Quellen:

Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde;  
W. Blaschek: Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka, WVG 2016;  
Van Wyk et al: Handbuch der Arzneipflanzen, WVG 2015; 
EMA, Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC)

 



Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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