Schadensersatzklage

Beweislastumkehr für Unterdosierungen des Bottroper Zyto-Apothekers

Essen - 21.12.2021, 16:00 Uhr

Der Vorsitzende Richter Theissen (Mitte) setzt sich mit den Schadensersatzklagen von Betroffenen des Bottroper Zyto-Skandals auseinander. (s / Foto: Feldwisch-Drentrup)

Der Vorsitzende Richter Theissen (Mitte) setzt sich mit den Schadensersatzklagen von Betroffenen des Bottroper Zyto-Skandals auseinander. (s / Foto: Feldwisch-Drentrup)


Vor dem Landgericht Essen klagen einige Betroffene des Bottroper Zyto-Skandals auf Schadensersatz. In den Zivilprozessen wäre der Apotheker laut den Richtern beweispflichtig, dass die Zytostatika korrekt dosiert waren. Doch sie sehen Betroffene in der Pflicht, einen hieraus resultierenden Schaden nachzuweisen. 

In einem Strafverfahren wurde der frühere Apotheker Peter Stadtmann im Jahr 2018 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt, die Richter verhängten außerdem ein lebenslanges Berufsverbot. Schadensersatz haben die Betroffenen jedoch bislang nicht erhalten. Vergangene Woche hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen beschlossen, im Haushalt für 2022 insgesamt 10 Millionen Euro bereitzustellen. Parallel klagen einige Betroffene in Zivilverfahren – die sich gegen den Insolvenzverwalter Dirk Andres richten, der das verbleibende Vermögen Stadtmanns verwaltet.

Am vergangenen Freitag verhandelte das Landgericht (LG) Essen die Klage einer Witwe, deren Mann schwer an Lungenkrebs erkrankt war und verstorben ist. Er hatte aus Stadtmanns Apotheke eine Immuntherapie mit Nivolumab erhalten, von dem der Pharmazeut offenbar nur weniger als ein Drittel der angeblich verwendeten Menge dieses hochpreisigen Wirkstoffs tatsächlich eingekauft hatte. „Es konnte nicht festgestellt werden, dass das Medikament – so wie man sich das vorgestellt hat – gewirkt hat“, sagt der Vorsitzende Richter Lars Theissen. Eine Heilung sei ohnehin nicht zu erwarten gewesen.

In dem Verfahren ist insbesondere zu klären, ob bei dem Patienten von einer Unterdosierung ausgegangen werden kann – und inwiefern diese mit ausreichender Sicherheit zu einem gesundheitlichen Schaden geführt hat. Der Richter erklärte eingangs, dass hierbei juristische Details ausschlaggebend und zwingend zu beachten seien. „Der Zivilprozess ist keine Veranstaltung, bei der man im freien Meinungsaustausch zu einem Ergebnis kommt“, sagt er.

Die Klägerin erklärte gegenüber dem Gericht, dass ihr Mann aufgrund von Unterdosierungen „von vorneherein nicht von den Therapien profitieren“ konnte. Doch der Insolvenzverwalter bestreitet, dass dieser überhaupt unterdosierte Therapien bekommen und einen Gesundheitsschaden erlitten hat. Zu Beginn der Therapie sei der Patient ohnehin unheilbar krank gewesen, erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Gericht.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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