BPhD-Kolumne

Von Angesicht zu Angesicht - Präsenzlehre ist nicht ersetzbar

16.12.2021, 10:45 Uhr

Albert Glaser ist Beauftragter für Qualitätsmanagement beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD)

Albert Glaser ist Beauftragter für Qualitätsmanagement beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. (Foto: BPhD)


Die Vorlesung mal in doppelter Geschwindigkeit anhören, eine Nachtschicht einlegen und morgens dafür ausschlafen - Online-Vorlesungen haben auch Reizvolles. Doch: Persönlicher Austausch gehört zum Studium genauso dazu wie das Auswendiglernen von Strukturformeln, findet Albert Glaser vom BPhD.
 

Seit nun mehr als eineinhalb Jahren schränken wir unser soziales Leben ein. Es gab und gibt Zeiten, in denen man sogar Treffen mit der eigenen Familie und engen Freunde abgesagt hat. Die Sicherheit von uns allen steht im Vordergrund – aus gutem Grund! Schon zweimal kam im Sommer die Hoffnung auf, endlich zur Normalität zurückkehren zu können. 

Wir haben gelernt, nur notwendige Treffen mit anderen Personen zu vereinbaren und alles Mögliche auf digitale Kommunikation umzustellen. Leider ist dieser Ersatz keinesfalls eine dauerhafte Alternative. Wir sind soziale Wesen und brauchen den persönlichen zwischenmenschlichen Kontakt. Nicht zuletzt ist dies ein sehr wichtiger Aspekt unserer persönlichen Entwicklung und des Lernens, der nicht leichtfertig vergessen werden darf.

Pharmaziestudierende aus ganz Deutschland treffen

Im November durften wir als Studierendenverband gemeinsam mit der Fachschaft Berlin wieder eine Bundesverbandstagung (BVT) in Präsenz ausrichten. Fast zwei Jahre lang war uns dies nicht möglich gewesen. 

Mit deutlich begrenzter Teilnehmer*innenzahl und unter strengen Hygieneauflagen begrüßten wir die Delegierten in Berlin. Alle Fachschaften waren vertreten, die vorhandenen Plätze beinahe vollständig besetzt. Trotz der Einschränkungen (unter anderem durchgängige FFP2-Maskenpflicht und Abstandsregelung) herrschte eine spaßige und lebhafte Stimmung. Alle haben den persönlichen Austausch gesucht und waren froh, sich einmal wieder über die Grenzen des eigenen Pharmaziestandortes hinweg vernetzen zu können. 

Dadurch kommt ein enormes Gemeinschaftsgefühl auf. Jeder kann von ähnlichen Erfolgen berichten, aber auch die erlebten Herausforderungen im Studium mit anderen teilen oder sich Tipps und Erfahrungen für den weiteren Werdegang einholen. Diese Art zwischenmenschliche Nähe kann durch digitale Kommunikation nicht erreicht werden.

Im Hörsaal lernt es sich leichter

An der Uni läuft es oftmals ganz ähnlich. Nicht selten gibt und gab es in Online-Lehrformaten die Aufforderung des Lehrenden, doch auch einmal die Kamera einzuschalten oder die Frage gern über das Mikrofon zu stellen, statt einfach nur in den Chat zu tippen. Es gab viele Versuche, wenigstens etwas Kontakt zu den Studierenden aufzubauen. Auch digitale Gruppenräume für den Kontakt der Studierenden untereinander wurden während Seminaren angelegt. 

Meist blieben diese Versuche allerdings erfolglos. Selbst in kleineren Runden lag die Hemmschwelle sehr hoch, aktiv an den Online-Veranstaltungen teilzunehmen. Bei uns konnten lediglich Umfragen etwas zur Mitarbeit anregen. Diesen Klick mit der Maus war man dann doch bereit zu tätigen.

Meiner Erfahrung nach ist die Aufmerksamkeitsspanne im Hörsaal merklich größer. Selbst wenn man zum Ansehen der Vorlesung das Bett verlässt, um am Schreibtisch zu sitzen, schweifen die Gedanken dennoch gern zu anderen Themen ab. Ob man ans Einkaufen, Saubermachen, Wäschewaschen oder den Krimskrams auf dem Schreibtisch denkt – es fehlt der Fokus. Nicht selten wandert auch mal ein Blick aufs Smartphone. Die Bibliothek, wenn sie denn geöffnet ist, kann für einige Abhilfen schaffen. Dort ist die Möglichkeit der verbalen Interaktion dann aber ganz ausgeschlossen.

Das Reizvolle an der Onlinelehre ist natürlich nicht zu vernachlässigen. Eine Nachtschicht einlegen, um dann lieber bis mittags zu schlafen, einfach mal einen Vormittag „freinehmen“ oder zur Wiederholung eine Vorlesung in doppelter Geschwindigkeit ansehen. Die Flexibilität ist nicht von der Hand zu weisen. 

Dennoch war die Freude groß, als Vorlesungen und Seminare (wenigstens teilweise) wieder im Hörsaal besucht werden durften. „Es ist schön, Sie wieder begrüßen zu dürfen.“, oder „Jetzt kann ich Ihnen endlich wieder in die Augen sehen und nicht mehr nur auf den leeren Bildschirm.“ sind sicherlich Sätze, die wir als Studierende in den ersten Präsenz-Veranstaltungen zu Beginn des Semesters zuhauf gehört haben. 

Es kam jedes Mal wieder ein bisschen Freude auf. Man wurde daran erinnert, was nun wieder möglich war: Mit den Freund*innen in einer Reihe sitzen und den Lehrenden durch Gestik und Mimik vermitteln, ob das Gelesene gerade spannend oder doch total unverständlich war. Ausweichende Blicke und Totenstille nach einer Frage an die Zuhörenden können im Hörsaal eben nicht mit technischen Problemen oder schlechter Internetverbindung begründet werden. Diese Interaktionen, auch wenn sie sehr oft nur unbewusst stattfinden, machen das Lernen so sehr viel spannender und reizvoller. 

Die Studierenden der letzten Semester haben bewiesen, dass digital vermitteltes Wissen nicht weniger wert ist als konventionell vermitteltes. Allerdings darf das nicht die Zukunft bleiben. Persönlicher Austausch gehört zum Studium genauso dazu wie das Auswendiglernen von Strukturformeln. Besonders für den späteren Umgang mit Patient*innen zählen eben nicht nur Ergebnisse, sondern auch die Entwicklung eines guten Feingefühls in zwischenmenschlicher Kommunikation. Um dies zu ermöglichen, sind wir alle in der Verantwortung, unseren Teil zur Bewältigung der aktuellen Lage beizutragen.



Albert Glaser, Beauftragter für Qualitätsmanagement beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland
redaktion@daz.online


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