Positionspapier

Cannabinoid-Unternehmen wehren sich gegen Rabattverträge

Berlin - 09.12.2021, 15:45 Uhr

Cannabisblüten und -extrakte dürfen nicht wie Generika behandelt werden, mahnt der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen. (c / Foto: IMAGO / epd)

Cannabisblüten und -extrakte dürfen nicht wie Generika behandelt werden, mahnt der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen. (c / Foto: IMAGO / epd)


Erstmals gibt es in Deutschland einen Rabattvertrag für Cannabisextrakte und -blüten: Ein entsprechendes Abkommen hat das Unternehmen Adrexpharm nach eigenen Angaben gleich mit mehreren Kassen geschlossen. Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen (BPC) hält das für verfehlt: Denn Naturprodukte beziehungsweise daraus angefertigte Extrakte seien nicht gegeneinander austauschbar, betont der Verband in einem Positionspapier.

Adrexpharma informierte kürzlich, dass es als erstes deutsches Pharmaunternehmen Rabattverträge für Cannabisextrakte und -blüten mit mehreren Kranken­kassen abgeschlossen hat und zudem mit weiteren Kassen darüber verhandelt. Zu den derzeitigen Vertragspartnern gehören laut einer Pressemitteilung des Unternehmens die AOK Nordost, die IKK classic, die KKH und die angeschlossenen Krankenkassen der GWQ Plus Service AG.

Eine Ausschreibung gab es nicht – Adrexpharma sei vielmehr proaktiv auf die Kassen zugegangen, sagte Mario Eimuth, Gründer von Adrexpharma, im Gespräch mit der DAZ. Das Unternehmen erhofft sich, mit den Verträgen die Akzeptanz der Cannabis-Therapie zu steigern und Patienten ohne weitere Therapieoptionen den Zugang dazu zu erleichtern. Die gesetzliche Regelung habe bislang vielfach Hürden aufgeworfen, die eine patientenorientierte Zusammenarbeit beteiligter Interessensgruppen erschwert hätten, so Eimuth.

Wie hoch genau die Rabatte sind, verrät er natürlich nicht. Aber Eimuth betont: „Unsere Rabattverträge entlasten die GKV substanziell. Als entscheidendes Puzzleteil im Gesamtbild der Cannabis-Therapie ermöglichen sie Ärzten zudem eine wirtschaftliche und bestmögliche Patienten-Versorgung. Diese Verträge werden stark dazu beitragen, die Kostenübernahme-Prozesse zu erleichtern.“ Jedenfalls bei den Extrakten ist laut Eimuth auch ein Austausch in der Apotheke möglich.

BPC: Rabattverträge erhöhen Lieferengpass-Risiko

Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen (BPC) hält es allerdings für gar keine gute Idee, das Konzept der Rabattverträge auch auf Cannabisprodukte zu übertragen. „Patentfreie Arzneimittel, speziell Generika, unterliegen einem enormen Wettbewerbs- und Preisdruck“, schreibt der Verband in einem jetzt veröffentlichten Positionspapier. Im Bereich der Rezepturarzneimittel seien Rabattverträge bisher unüblich. Aus Sicht des BPC erhöhen solche die Lieferengpass-Gefahr. „Krankenkassen nutzen verschiedene Modelle bei Rabattausschreibungen, darunter sehr häufig Ein-Partner-Modelle mit Exklusivverträgen. Hierbei besteht zum einen das Risiko, dass die Patient:innen nicht das Präparat bekommen, auf welches sie gut eingestellt sind. Zum anderen bergen Exklusivverträge das Risiko, dass das bezuschlagte pharmazeutische Unternehmen nicht (rechtzeitig) lieferfähig ist. Diese bekannten Risiken von Rabattverträgen können im Wesentlichen auch für Cannabis-Arzneimittel zutreffen, insbesondere die Gefahr von Lieferengpässen.“

Natürliche Schwankungen der Spezifikationen bei Naturprodukten

Medizinisches Cannabis könne bei einer Vielzahl von Indikationen Symptome lindern, Krankheitsverläufe verbessern und damit einen großen Teil zur Lebensqualität von Patient:innen beitragen. „Ein häufiger Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln erfolgt beispielsweise in der Schmerztherapie“, erinnert der Verband. „Die Behandlung von chronischen Schmerzen erfordert einen möglichst gleichmäßigen Wirkspiegel des eingesetzten Präparates. Hierfür ist die sorgfältige Einstellung der Patient:innen auf die individuelle Therapie von entscheidender Bedeutung.“

Cannabis ist nicht generisch

Eine Substitution von Cannabis-Arzneimitteln könne somit die Therapiesicherheit gefährden. „Medizinisches Cannabis erfüllt nicht die Definition eines Generikums“, führt der BPC weiter aus. Die Therapieumstellung auf eine andere Cannabisblüte oder ein anderes Cannabisextrakt mit dem gleichen THC- und CBD-Gehalt kann demnach bei den Patient:innen zu unterschiedlichen Wirkungen führen, da der Gehalt an weiteren Phytocannabinoiden eine Rolle spielt. „Ebenso konnte präklinisch bewiesen werden, dass auch durch Terpene, die sich in ihrer Zusammensetzung je nach Kultivar stark unterscheiden, die Wirkung der Cannabinoide beeinflusst werden kann.“

Cannabispflanzen, erläutert der BPC in seinem Positionspapier, sind ein Naturprodukt und ihre Inhaltsstoffe unterliegen den natürlichen Schwankungen ihrer jeweiligen Spezifikationen. „Die genaue Zusammensetzung von Cannabisextrakten ist zudem abhängig vom Verarbeitungsprozess, d.h. Zeitpunkt der Ernte, Lagerbedingungen, Extraktionsmittel und -verfahren. Für eine Beurteilung der Wirkstoffgleichheit gibt es nur wenige deklarierte Parameter: Gleichheit der Arzneidroge, Extraktionsmittel (Art und Konzentration), Extraktionsverfahren, Extraktausbeute (Droge/Extrakt-Verhältnis).“ Doch selbst bei Übereinstimmen dieser Parameter könne es sich nicht um wirkstoffidentische Präparate handeln, wenn unterschiedliche Kultivare vorliegen.

Substitution der Monosubstanzen ist kein Problem

Die Substitution von Monosubstanzen wie Dronabinol/THC und CBD hält der Verband hingegen für unkritisch. „Eine Therapie mit Monosubstanzen (z. B. Dronabinol/THC, CBD) basiert auf dem gezielten Einsatz einzelner Wirkstoffe – diese Wirkstoffe sind unabhängig von Hersteller oder Herstellungsverfahren identisch. Durch eine Substitution ist eine unterschiedliche Wirkung bei den Patient:innen somit nicht zu erwarten.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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