Kehrtwende?

Mediziner Stöcker stellt illegale Impfaktionen ein

03.12.2021, 16:45 Uhr

Winfried Stöcker ist Arzt und Gründer der Firma Euroimmun, ursprünglich stammt der 74-Jährige aus Sachsen. (c / Foto: IMAGO / Future Image) 

Winfried Stöcker ist Arzt und Gründer der Firma Euroimmun, ursprünglich stammt der 74-Jährige aus Sachsen. (c / Foto: IMAGO / Future Image) 


Stöckers Anwalt Kubicki hüllt sich in Schweigen

Am vergangenen Donnerstag erklärte die Lübecker Staatsanwaltschaft auf Nachfrage von DAZ online, die Ermittlungen gegen den Mediziner stünden im ersten anhängigen Verfahren kurz vor dem Abschluss, wahrscheinlich werde Anfang kommenden Jahres eine Entscheidung bekannt gegeben. Wie vor diesem Hintergrund Stöckers Erklärung, seine Impfaktionen einzustellen, einzuordnen ist, sei jedoch nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sagte die Sprecherin. Von Stöckers Anwalt, dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, gibt es keine Informationen. Sein Büro erklärte auf telefonische Nachfrage, „Herr Kubicki äußert sich dazu nicht“. Presseanfragen ließ Kubicki auch in der Vergangenheit unbeantwortet.

Winfried Stöcker ist Arzt und Gründer der Firma Euroimmun, ursprünglich stammt der 74-Jährige aus Sachsen und tritt dort auch anderweitig als Investor auf. Kurz nach Beginn der Corona-Pandemie, im Frühjahr 2020, unternahm Stöcker einen Selbstversuch und spritze sich einen Corona-Impfstoff, der in seinem Labor entwickelt wurde. Auch Mitarbeiter und andere Freiwillige ließen sich das Antigen verabreichen. Durch die Substanz würden Antikörper gegen das Corona-Virus entwickelt, die Herstellung sei vergleichsweise einfach und kostengünstiger als bei den inzwischen auf dem Markt befindlichen Impfstoffen, so Stöckers Argumente. Für den medizinischen Ansatz interessierte sich anfangs auch der Virologe Christian Drosten, allerdings verweigert Stöcker klinische Studien. Ohne Studien kann sein Impfstoff nicht zugelassen werden. Stöcker kümmerte das offenbar wenig: Er stellte den Bauplan seines Antigens ins Internet – und setzte auf die Therapiefreiheit von Ärzten, sie können sich den Impfstoff selbst zusammenstellen.

In Sachsen traf Stöcker damit offenbar ins Schwarze. In seiner Heimat, dem Landkreis Görlitz kurz vor der Grenze zu Polen, hatte es im Sommer wiederholt heimliche Impfaktionen gegeben, Hunderte ließen sich seinen Impfstoff verabreichen, mindestens eine Ärztin half dabei. „Die Stimmung bei den Menschen aller Altersgruppen – vom Schulkind bis zum Senior – ist gut“, schrieb die Sächsische Zeitung damals. Dass die Impfaktion in dem Gebäude, „das die Einheimischen liebevoll Kulti nennen“, stattfindet, komme nicht von ungefähr: Die Stöcker Hotel GmbH, die unter anderem Essen für Schul- und Kitakinder in der Region kocht, habe es von der Gemeinde gepachtet und betreibe es, Stöcker habe Hausrecht. „Und so reihen sich die Impfwilligen in einem großen Bogen durch den Saal, wo Tische mit Servietten und Gläsern eingedeckt sind. Beim Blick auf die lange Schlange lächelt eine Frau in der Reihe beruhigend: ,Das geht schnell, letztens waren auch mindestens 50 Leute vor uns und wir waren in acht Minuten dran‘, sagt sie. Sie kommt zum dritten Mal.“ Laut Stöcker werde in der Regel dreimal geimpft. „Immunschwächlingen“, die nach drei Injektionen noch nicht ausreichend Antikörper gebildet haben, empfehle er eine vierte und fünfte Dosis. Zur Behandlung gehört demnach ein abschließender Antikörpertest, alles in allem für 60 Euro, schrieb die „SäZ“ mit Verweis auf Schilderungen von Patienten vor Ort.

Allerdings war es mit den heimlichen Impfaktionen im Spätsommer vorbei, nachdem Stöcker auch in Sachsen ein Fall für die Justiz geworden ist. Die Kriminalpolizei ermittelt seither „wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung“, teilte eine Sprecherin der Polizeidirektion Görlitz auf Nachfrage mit. „Ob sich auch ein Anfangsverdacht gegen weitere Beteiligte (wie impfende Ärzte, Anm.) ergibt, werden die Ermittlungen ergeben. Zu weiteren Details und dem aktuellen Stand können wir aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskünfte erteilen.“ Bis dahin hatte es gegen Stöcker in Sachsen lediglich Vorermittlungen gegeben.



Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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