Studie im JAMA

Myokarditis nach Corona-Impfung: meist selten und nur leicht

Stuttgart - 04.11.2021, 07:00 Uhr

„Insgesamt war die impfbedingte Myokarditis eine seltene und meist leichte Nebenwirkung“, heißt es im „JAMA Internal Medicine“. Das Risiko sei gering, wenn man es mit der Krankheitslast und Sterblichkeit einer COVID-19-Infektion vergleiche, bei der bis zu 28 Prozent der hospitalisierten Patienten Anzeichen einer Myokardschädigung aufwiesen. (s / Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock)

„Insgesamt war die impfbedingte Myokarditis eine seltene und meist leichte Nebenwirkung“, heißt es im „JAMA Internal Medicine“. Das Risiko sei gering, wenn man es mit der Krankheitslast und Sterblichkeit einer COVID-19-Infektion vergleiche, bei der bis zu 28 Prozent der hospitalisierten Patienten Anzeichen einer Myokardschädigung aufwiesen. (s / Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock)


Eine Myokarditis zählt zu den bekannten Nebenwirkungen einer COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Eine Studie an 2,4 Millionen erwachsenen Versicherten aus den USA stützt die bisherigen Daten, dass Herzmuskelentzündungen tatsächlich nur sehr selten auftreten. Allerdings könnten sie mit Zunahme von Jugendlichen- und Kinderimpfungen künftig auch häufiger beobachtet werden.

Herzmuskelentzündungen nach mRNA-Impfung: Bekannt ist mittlerweile, dass eine Myokarditis eher jüngere Männer trifft, dass die Symptome meist innerhalb von 14 Tagen nach Verabreichung des Impfstoffs auftreten und häufiger nach der zweiten als nach der ersten Dosis. Pfizer/Biontech und Moderna informierten dazu in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut und der EMA bereits in einem Rote-Hand-Brief. Allerdings entdeckte das PEI in seinem Sicherheitsbericht vom 26. Oktober ein Risikosignal für Myokarditiden auch bei jungen Frauen.

Doch wie oft kommt es zu einer Myokarditis nach COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff? Und wie gut heilt die Herzmuskelentzündung bei den Betroffenen wieder aus – bleiben Schäden zurück? Bislang stammen Daten dazu meist aus kleinen Stichprobengrößen. Nun legen Wissenschaftler aus Kalifornien einen Datenpool von knapp 2,4 Millionen Geimpften vor. Möglich ist dies durch Auswertung von Krankenkassendaten, in diesem Fall von Versicherten der „Kaiser Permanente Southern California“ (KPSC). Veröffentlicht wurde die Studie Anfang Oktober als „Research Letter“ des Fachjournals „JAMA Internal Medicine“.

Exakt 2.392.924 KPSC-Versicherte hatten im Zeitraum von 14. Dezember 2020 bis 20. Juli 2021 mindestens eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs erhalten. Dabei kamen die Vakzinen Comirnaty® von Pfizer/Biontech und Spikevax® von Moderna gleich häufig zur Anwendung, und eine Hälfte der Versicherten hatte Comirnaty®, die andere Hälfte Spikevax® erhalten. Die meisten Geimpften waren Frauen (54 Prozent), das Durchschnittsalter lag bei 49 Jahren (zwischen 34 und 64 Jahren), etwa ein Drittel (35,7 Prozent) der Geimpften war jünger als 40 Jahre alt. Die meisten Versicherten hatten zwei Dosen der mRNA-Impfstoffe erhalten und gelten somit derzeit als vollständig geimpft. Diese Impfgruppe wurde nun mit 1.577.741 Personen verglichen, die im selben Zeitraum keine COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff erhalten hatten – sie waren durchschnittlich 39 Jahre alt (zwischen 28 bis 53 Jahren), knapp die Hälfte waren Frauen (49,1 Prozent) und 53,7 Prozent waren jünger als 40 Jahre.

Ein Myokarditisfall auf 172.000 Geimpfte

Von den knapp 2,4 Millionen mRNA-geimpften Versicherten entwickelten 15 eine Myokarditis (bestätigte Fälle), zwei bereits nach der ersten Impfdosis, 13 nach der zweiten. Das entspricht einer Inzidenz von 0,8 Fällen auf eine Million Erstdosen und 5,8 Fällen pro einer Million Zweitdosen oder ein Myokarditisfall auf 172.414 vollständig geimpfte Personen.

Als bestätigter Myokarditisfall galt, wer innerhalb von zehn Tagen nach der Impfung im Krankenhaus war und mit der Diagnose „Myokarditis“ entlassen wurde. Zudem identifizierten die Wissenschaftler mögliche Fälle von Herzmuskelentzündung anhand von Klinikberichten. Alle Fälle wurden von mindestens zwei Kardiologen beurteilt. Acht Patienten waren mit Pfizer/Biontech, sieben mit Moderna geimpft worden. Alle Betroffenen waren Männer und zwischen 20 und 32 Jahre alt, wurden im Krankenhaus behandelt und dort negativ (PCR) auf SARS-CoV-2 getestet, um eine Virus-bedingte Herzmuskelentzündung auszuschließen. Keiner der Myokarditispatienten hatte zuvor eine Herzerkrankung, 14 hatten ein bis fünf Tage nach der Impfung über Brustschmerzen berichtet. Die Symptome klangen in allen Fällen mit konservativer Behandlung ab, und kein Patient musste auf die Intensivstation aufgenommen oder nach der Entlassung wieder eingewiesen werden.

Myokarditis: eine unterschätzte Nebenwirkung?

Doch wie sieht es in der ungeimpften Vergleichsgruppe aus? Kam es seltener zu Herzmuskelentzündungen? Von den 1.577.741 Personen, die im selben Zeitraum keinen mRNA-Impfstoff erhalten hatten, entwickelten 75 eine Myokarditis – nur stark die Hälfte waren Männer (39 Fälle, 52 Prozent) und durchschnittlich waren die Betroffenen 52 Jahre alt (zwischen 32 und 59 Jahren).

Die Studie hat auch Einschränkungen, sodass das Ergebnis verzerrt sein könnte. Die Myokarditispatient:innen wurden nicht biopsiert, dadurch fehlt eine endgültig bestätigte Diagnose. Auch wurden die Fälle nicht einheitlich untersucht und die Nachbeobachtungszeit der Patienten in der Studie war kurz. Die Wissenschaftler überlegen, ob subklinische Fälle vielleicht unterdiagnostiziert waren.

In einem Editorial kommentiert unter anderem der stellvertretende Herausgeber von „JAMA Internal Medicine“ die Ergebnisse. „Insgesamt war die impfbedingte Myokarditis eine seltene und meist leichte Nebenwirkung“. Das Risiko sei gering, wenn man es mit der Krankheitslast und Sterblichkeit einer COVID-19-Infektion vergleiche, bei der bis zu 28 Prozent der hospitalisierten Patienten Anzeichen einer Myokardschädigung aufwiesen. Zudem deuteten Daten darauf hin, dass Herzmuskelentzündungen nicht ausschließlich nach COVID-19-Impfungen mit mRNA-Vakzinen auftreten. Und weiter: „Randomisierte klinische Studien zeigen, dass COVID-19-mRNA-Impfstoffe eine sichere und wirksame Methode zur Verhinderung von Infektionen darstellen. Die Feststellung einer seltenen Myokarditis ändert nichts an der klinischen Entscheidungsfindung“. Dennoch lohne es sich, den Mechanismus der Herzschädigung durch Impfstoffe zu erforschen. Zudem erwarten die Autoren mehr Fälle von Myokarditis – da sich nun auch Teenager im Alter von zwölf bis 16 Jahren impfen lassen können. Diese Altersgruppe war in die Studienpopulation nicht eingeschlossen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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