Landgericht Cottbus

Auch echte Skonti haben ihre Grenzen

Berlin - 18.10.2021, 16:20 Uhr

Das Landgericht Cottbus hat sich mit den Großhandelszuschlägen der Arzneimittelpreisverordnung befasst. (Foto: IMAGO / Dirk Sattler)

Das Landgericht Cottbus hat sich mit den Großhandelszuschlägen der Arzneimittelpreisverordnung befasst. (Foto: IMAGO / Dirk Sattler)


Seit Mai 2019 stellt die Arzneimittelpreisverordnung klar: Großhändler müssen bei der Arzneimittelabgabe an Apotheken einen Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers erheben. Rabatte dürfen sie nur im Rahmen des prozentualen Aufschlags von 3,15 Prozent gewähren. Umstritten ist jedoch nach wie vor, ob auch handelsübliche Skonti, die die 70-Cent-Sperre unterschreiten, verboten sind. Die Wettbewerbszentrale hat nun erneut Anlauf genommen, dies gerichtlich klären zu lassen. Das Landgericht Cottbus befand in erster Instanz: Skonti sind nichts anderes als eine Art des Preisnachlasses; drücken sie den Preis unter den Mindestabgabepreis, sind sie unlauter.  

Vor vier Jahren, im Oktober 2017, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Streit um die Rabatte des Großhändlers AEP, dass die damals bestehende Regelung zu den Großhandelszuschlägen in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) keine Preisuntergrenze festlegte. Das heißt: An der Rabatt- und Skonto-Bündelung von AEP, mit welcher der „Festzuschlag“ von 70 Cent unterschritten wurde, war aus Sicht der Karlsruher Richter:innen juristisch nichts auszusetzen. Dabei war der Gesetzgeber, als er die Norm im Zuge des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) schuf, durchaus davon ausgegangen, dass die 70 Cent Fixzuschlag keinem Rabatt zugänglich sein sollten. Doch der BGH sah dieses Ansinnen im Verordnungstext nicht abgebildet – und der Verweis auf die Begründung reichte ihm nicht aus. Der Gesetzgeber justierte daraufhin die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) nach. Seitdem ist klargestellt: Der Großhandel muss bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln an Apotheken auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) 70 Cent und die Umsatzsteuer aufschlagen. Zusätzlich darf er auf den ApU „höchstens einen Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro“ erheben.

Eine Frage ließ allerdings sowohl der BGH als auch der Gesetzgeber offen: Wie steht es in diesem Zusammenhang mit „echten“ Skonti, also Preisnachlässen, die für eine vorfristige oder fristgerechte Zahlung gewährt werden? Sind sie „on top“ möglich, weil ihnen möglicherweise eine Gegenleistung der Apotheke gegenübersteht? Genau diese Frage hatte die Wettbewerbszentrale schon in ihrem Verfahren gegen AEP klären wollen – aber die Karlsruher Richter:innen kamen gar nicht bis zu diesem Punkt. Und auch die jetzige Formulierung in der Arzneimittelpreisverordnung hilft nicht weiter. Die Fronten blieben nach Inkrafttreten des TSVG verhärtet: Die einen sehen sich durch die Verordnungsänderung und die Rechtsprechung in ihrer Meinung bestätigt, dass Skonti ohne Einschränkungen möglich sind. Die anderen – insbesondere der Großhandelsverband Phagro – sind überzeugt, dass die Summe aus Rabatten und Skonti den Rahmen des prozentualen Zuschlags nicht überschreiten darf.

Und so hat die Wettbewerbszentrale – nach erfolgloser Abmahnung – erneut Klage erhoben, um eine rechtliche Klarstellung zu erreichen. Vor Gericht gezogen ist sie diesmal gegen einen Parallel- und Reimporteur, der importierte Arzneimittel in Deutschland im Wege des Direktvertriebs in die Apotheken bringt. In einem solchen Modell muss das Unternehmen sowohl den fixen ApU sicherstellen als auch die Vorgaben für die Großhandelspreisspannen einhalten. In seiner Preisliste für die Apotheken bot der Importeur das Diabetes-Präparat Abasaglar (5 x 3 ml, ApU: 46,50 Euro, Apothekeneinkaufspreis: 48,66 Euro) mit einem Rabatt von 3,04 Prozent (47,20 Euro) sowie einem Skonto von 3 Prozent (45,78 Euro) an.

Die Wettbewerbszentrale sah hierin einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV und damit einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründet.

Ob echter oder unechter Skonto ist nicht entscheidend

Das Landgericht Cottbus gab der Wettbewerbszentrale recht. In seinen jüngst veröffentlichten Urteilsgründen stellt es fest, dass bereits der Rabatt von 3,04 Prozent einen Verstoß gegen die Preisregelung darstelle. Ausgehend von einem Apothekeneinkaufspreis von 48,66 Euro falle der Nettopreis damit bereits auf 47,18 Euro und damit unter den zwingend zu erhebenden Preis von 47,20 Euro (ApU von 46,50 Euro plus Festzuschlag von 0,70 Euro).

Aber auch die Gewährung des 3-prozentigen Skontos verstoße gegen die Vorgaben der AMPreisV. Sie sei auch dann wettbewerbswidrig, wenn das Unternehmen unter Gewährung eines Rabattes die Preisgrenze von 47,20 Euro halte und diese erst durch den Skonto unterschreite. „Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen echten oder unechten Skonto handelt“, so das Gericht.

Das Gericht geht in seinem Urteil auf die Gesetzgebungsmaterialien zur Neuregelung des § 2 AMPreisV im TSVG ein – ihnen sei nicht in eindeutiger Weise zu entnehmen, ob der Gesetzgeber im Handel allgemein übliche Skonti, die zu einer Unterschreitung des zwingend zu erhebenden Festzuschlages führen, untersagen wollte, um die seit Jahren bestehende Diskussion um die Zulässigkeit von Skonti zu beenden. Tatsächlich war die Begründung des Referentenentwurfs hier alles andere als widerspruchsfrei. Lediglich in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Deutschen Bundestags zum TSVG wurde (als SPD-Fraktionsmeinung) festgehalten, dass es nicht zuletzt wichtig sei, dass nun „rechtssicher festgehalten werde, dass der Mindestpreis aus Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, Festzuschlag von 70 Cent und Umsatzsteuer besteht. Auf diese Preisbestandteile dürfe der Großhandel weder Rabatte noch Skonti gewähren.“

Aber: Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist ohnehin in erster Linie der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich. Dabei müssten Preisregelungen – zumal sie die Berufsausübung regeln – aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit das verbotene Handeln unzweideutig beschreiben. „Es ist den von einer ihrem Wortlaut nach klaren Berufsausübungsregelung Betroffenen nicht zuzumuten, den Umfang der sie treffenden Pflichten aus Gesetzgebungsmaterialien zu ermitteln“, erklärt das Gericht unter Verweis auf das schon genannte BGH-Urteil.

Und demnach setzt sich der Mindestpreis aus dem ApU, dem Festzuschlag von 70 Cent und der Umsatzsteuer zusammen. „Auf diese Preisbestandteile dürfen weder Rabatte noch Skonti gewährt werden“, so das Gericht. Nur so lasse sich das über den Festzuschlag vom Gesetzgeber verfolgte Ziel erreichen – nämlich eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern. Bei einem Preiskampf und einer Skontigewährung nur an Großabnehmer könnte nämlich die Konkurrenzfähigkeit kleinerer Apotheken gefährdet werden.

Zudem legt das Gericht dar, dass auch ein handelsübliches „echtes Skonto“ nichts anderes als eine Art des Preisnachlasses ist. Werde mit ihm der Mindestpreis unterschritten, sei dies unlauter. Zwar würden diese Skonti grundsätzlich im Gegenzug für eine besonders rasche Zahlung eingeräumt. Daraus ergibt sich für das Unternehmen eine Zinsersparnis, eine erhöhte Liquidität und ein geringeres Vorfinanzierungs- und Forderungsausfallvolumen. Aber: „Diese Vorteile stellen keine Leistung dar, die die Beklagte im Gegenzug für die Lieferung von Arzneimitteln erhält. Sie sind lediglich Folge dessen, dass die Abnehmer ihrer Pflicht zur zeitnahen Zahlung des nach § 271 BGB von Gesetzes wegen sofort fälligen Kaufpreises nachkommen“.

Das letzte Wort ist mit diesem Urteil nicht gesprochen. Die Wettbewerbszentrale geht davon aus, dass das beklagte Unternehmen Berufung einlegen wird.

Landgericht Cottbus, Urteil vom 7. Oktober 2021, Az.: 11 O 3/20



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

"Vorwärts immer, rückwärts nimmer!"

von Thomas Eper am 19.10.2021 um 12:47 Uhr

In der Lausitz haben scheinbar manche Richter nach 30 Jahren immer noch nicht mitbekommen, was der Unterschied zwischen Planwirtschaft und freie Marktwirtschaft ist.
Wie hoch der an das Zahlungsziel gebundener Preisnachlass ist, bestimmt der verkaufende "Kaufmann", bzw. Leistungserbringer, nicht der Gesetzgeber!

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Grenzen

von Karl Friedrich Müller am 19.10.2021 um 11:24 Uhr

Auch echte Skonti haben ihre Grenzen
Die richterliche Weisheit offensichtlich auch

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