Mögliche Ampel-Koalitionäre wollen verhandeln

Wohl keine Bürgerversicherung unter SPD, Grünen und FDP

Berlin - 15.10.2021, 15:30 Uhr

Empfehlen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu einer möglichen gemeinsamen Regierungsbildung (von links nach rechts): Die Grünen-Doppelspitze Robert Habeck und Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, FDP-Chef Christian Lindner und die SPD-Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. (Foto: IMAGO / Chris Emil Janßen)

Empfehlen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu einer möglichen gemeinsamen Regierungsbildung (von links nach rechts): Die Grünen-Doppelspitze Robert Habeck und Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, FDP-Chef Christian Lindner und die SPD-Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. (Foto: IMAGO / Chris Emil Janßen)


Unter einer möglichen Ampel-Koalition wird es in Deutschland wohl keine Bürgerversicherung geben. Das geht aus dem Ergebnispapier der Sondierungsgespräche hervor. SPD, Grüne und FDP wollen nun die Sondierungsphase beenden und in Verhandlungen eintreten.

Die Zeichen stehen auf Ampel: Wie die Parteichefs von SPD, Grünen und FDP heute bekannt gaben, werden die drei möglichen Koalitionspartner nun die Sondierungsgespräche beenden und in Verhandlungen eintreten. Damit wird es recht wahrscheinlich, dass sie gemeinsam Deutschland in den kommenden vier Jahren regieren werden.

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Zeitgleich mit den Pressestatements der Vorsitzenden veröffentlichten SPD, Grüne und FDP ein Papier mit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche. Auf zwölf Seiten fassen sie zusammen, worauf sie sich einigen konnten – auch ein Abschnitt zum Thema Gesundheit ist dabei. Dieser enthält wenig Überraschendes: „In der Gesundheitspolitik wollen wir Vorsorge und Prävention zum Leitprinzip machen“, schreiben die Gesprächspartner in ihrem Papier, das der DAZ vorliegt. Sie wollen demnach das Gesundheitswesen stark machen und für kommende Krisen, etwa eine neue Pandemie, wappnen. „Dafür werden wir aus den Erkenntnissen der Pandemie lernen und den Öffentlichen Gesundheitsdienst digitalisieren und stärken.“

Neben einer Offensive für mehr Pflegepersonal sprechen sich die Beteiligten dafür aus, den Zugang zu guter und verlässlicher gesundheitlicher Versorgung in ganz Deutschland sowohl in den Städten als auch auf dem Land zu gewährleisten. Im Abschnitt 1 („Moderner Staat und digitaler Aufbruch“) führen SPD, Grüne und FDP zudem aus: „Wir wollen für gute Lebensbedingungen in Stadt und Land sorgen. Gerade in den ländlichen Räumen gilt es, die Daseinsvorsorge zu stärken. Bürgerinnen und Bürger sollen ihren Alltag in ihrer Region gut leben können – von der Arbeit übers schnelle Internet bis hin zu guten Verkehrsanbindungen, vom Einkaufen über den Arztbesuch bis hin zum Sport.“ Die Apotheken erwähnen sie in diesem Zusammenhang allerdings nicht explizit.

Absage an Bürgerversicherung?

Im Vorfeld der Bundestagswahl war die Debatte um eine Bürgerversicherung erneut aufgeflammt. Sowohl SPD als auch Grüne wollen das Krankenkassenwesen neu gestalten und nennen ihr Zielkonzept Bürgerversicherung – die beiden Ideen unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten ganz entscheidend, wie die DAZ berichtete. Die FDP war von vornherein dagegen gewesen und hatte sich für den Erhalt des dualen Systems aus GKV und PKV eingesetzt. In dem Ergebnispapier heißt es im Gesundheitsteil nun knapp: „Die gesetzliche und die private Kranken- und Pflegeversicherung bleiben erhalten.“ Damit dürfte sich das Projekt Bürgerversicherung für die kommenden vier Jahre erledigt haben.

Sektorenübergreifende Zusammenarbeit fördern

Darüber hinaus wollen sich die möglichen Koalitionäre der Finanzierung der Krankenhäuser widmen. „Das System der Fallpauschalen zur Krankenhausfinanzierung wollen wir weiterentwickeln und in Hinblick auf Sektoren wie Geburtshilfe und Notfallversorgung sowie Kinder- und Jugendmedizin anpassen“, schreiben sie. Zudem bedarf es aus ihrer Sicht mehr sektorenübergreifender Kooperation und Vernetzung zwischen den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen und -berufen.

Mittelständische Unternehmen und Handwerksbetriebe wollen die Partner „bei der Bewältigung anstehender Herausforderungen unterstützen. Unsere Wirtschaftspolitik soll auf zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand setzen. Auch dazu brauchen wir eine qualifizierte Fachkräftestrategie.“ Bemühen wollen sie sich zudem um fairen Wettbewerb zwischen den Geschäftsmodellen digitaler Großunternehmen und denen von lokal verwurzelten Unternehmen. Und: „Wir wollen den regelbasierten Freihandel auf Grundlage von fairen sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards stärken und sprechen uns für eine deutsche und europäische Handelspolitik gegen Protektionismus und unfaire Handelspraktiken aus.“

Selbstständigkeit fördern, Mindestlohn erhöhen

Die Selbstständigkeit soll durch bessere Gründungsförderung sowie einen Abbau unnötiger Bürokratie gefördert werden, der Mindestlohn auf 12 Euro die Stunde steigen. Tarifautonomie, -partner und -bindung wollen SPD, Grüne und FDP stärken. Die Digitalisierung wollen die Verhandlungspartner voranbringen, beziehen sich dabei in ihrem Papier aber nicht konkret auf das Gesundheitswesen.

Weitere Schwerpunktthemen sind Klimaschutz, Arbeit, eine Reform des Rentensystems, Rechte und Chancen für Kinder, Innovationsförderung, nachhaltiges Bauen und Wohnen, moderne Demokratie, eine Reform des Wahlrechts, internationale Verantwortung und Steuerfragen. Das vollständige Papier steht hier zur Einsicht bereit.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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