Versorgungsapotheker bündeln Kräfte

BVVA wird Dachverband für weitere Spezialversorger

Mainz - 06.10.2021, 12:15 Uhr

Dem BVVA-Vorsitzenden Klaus Peterseim will keine Gesundheitseinrichtungen im Eigentum von Private Equity-Firmen im Verband haben, sondern nur Inhaber:innen selbstständig geführter mittelständischer Apotheken. (c / Foto: VZA)

Dem BVVA-Vorsitzenden Klaus Peterseim will keine Gesundheitseinrichtungen im Eigentum von Private Equity-Firmen im Verband haben, sondern nur Inhaber:innen selbstständig geführter mittelständischer Apotheken. (c / Foto: VZA)


Der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) will künftig Interessenvertretung und Sprachrohr für weitere Spezialversorger sein. So sollen bald auch Apotheken, die auf die Hämophilie- und Cannabisversorgung spezialisiert sind, sowie jene, die HIV- und Hepatitis-Infizierte versorgen, unter dem BVVA-Dach ihre Außenwahrnehmung verstärken – denn von ABDA, DAV und BAK sehen sie sich nicht ausreichend vertreten. Den Weg hierfür bereitete am gestrigen Dienstag die BVVA-Mitgliederversammlung, indem sie eine Satzungsänderung beschloss, die es künftig erlaubt, Verbände als korporative Mitglieder aufzunehmen.

Der Bundesverband der Versorgungsapotheker will sich für weitere Apotheken öffnen, die in speziellen Versorgungsformen tätig sind. Angefangen hatte der Verband als Interessenvertretung für die klinikversorgenden Apotheken, im Laufe der Zeit kamen zunächst die heimversorgenden Apotheken hinzu. Mittlerweile gehören zum BVVA auch Apotheken, die sich um Palliativ- und Substitutionspatienten kümmern – stets regional und in enger Abstimmung mit den Ärzten und Ärztinnen sowie weiteren an der Versorgung Beteiligten. Nun will sich der Verband noch breiter aufstellen. Bereits seit November 2020 führte der BVVA Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Verbands der Hämophilie-Apotheken (VHA), des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft der HIV-und Hepatitiskompetenten Apotheken (DAHKA). Ihr Ziel ist die Gründung des BVVA-Dachverbandes, um die besonderen Versorgungsbereiche der öffentlichen Apotheken und damit auch ihre Kräfte zu bündeln.

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Vertreter:innen der drei Verbände, die in Kürze dem BVVA beitreten wollen, stellten ihre Arbeit und ihre Beweggründe bei der BVVA-Jahrestagung am gestrigen Dienstag in Mainz vor. Claudia Neuhaus, 1. Vorsitzende des VHA, skizzierte kurz, wie es zur Gründung noch jungen Verbands kam. Ursächlich war nicht allein, dass das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) die Hämophilieversorgung im September 2020 zurück in die Apotheken brachte, sondern auch die Erkenntnis, dass die offizielle Standesvertretung sich zur Hämophilieversorgung ausschweigt. Neuhaus hätte sich gewünscht, dass ABDA und Deutscher Apothekerverband (DAV) hinter den Apotheken stehen, die sich hier engagieren. Doch bei allen Veranstaltungen zum Thema, auf die ABDA und/oder DAV geladen waren, seien diese nicht erschienen. „Da mussten wir was machen!“, so Neuhaus. Und so wurde im Mai 2020 mit zehn Gründungsmitgliedern der VHA ins Leben gerufen – mittlerweile zählt er 78 Mitglieder. Und: Man werde von der Politik wahrgenommen, so Neuhaus. Man sei von ihr bereits mit der Erstellung eines Evaluationsberichts betraut worden. Ebenso funktioniere die Kommunikation mit den Ärzten, mit der Industrie, dem Großhandel. Zusammen mit dem BVVA will der VHA nun diese Darstellung nach außen weiter verstärken.

Linz: Nicht jede Apotheke kann alles

Magdalene Linz, frühere langjährige niedersächsische Kammerpräsidentin und Präsidentin der Bundesapothekerkammer, stellte die DAHKA vor, in der sie unter anderem neben Claudia Neuhaus und Erik Tenberken im Vorstand aktiv ist. Dieser Verband hat eine sehr viel längere Geschichte und rund 100 Mitglieder. Als Linz 2008 in die Versorgung von HIV- und Hepatitispatienten einstieg, habe sie gemerkt, wie wichtig es ist sich fachlich fit zu machen und auf Augenhöhe mit den spezialisierten Ärztinnen und Ärzten zusammenzuarbeiten – und auch dabei hilft die Arbeitsgemeinschaft. Dieses Engagement führe auch zu einer hohen persönlichen Patientenbindung – obwohl man denken könnte, dass gerade diese Patientenklientel, die nach wie vor sehr hohen Wert auf Diskretion lege, sich auch anders orientieren könnte. Viel getan – und erreicht – hat die DAHKA auch für die Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Und bei all dem bekam Linz ebenfalls sehr deutlich die Grenzen der ABDA und der Bundesapothekerkammer (BAK) zu spüren. Nicht nur, dass von diesen keine Vertreter:innen zu Round-Table-Fachgesprächen erschienen. Linz hat auch immer wieder versucht, dort für eine Akzeptanz der Spezialisierung zu werben. Doch das Credo der ABDA laute weiterhin, dass jede Apotheke alles kann – auch wenn alle, die in der Spezialversorgung tätig sind, wüssten, dass dies nicht so sei. Auch Politiker fassten sich bei dieser Haltung an den Kopf – schließlich lasse man sich die neue Hüfte auch nicht vom Hausarzt einsetzen. Aus Linz Sicht wär es nur vernünftig, dass die Versorgungsspezialist:innen die ABDA beraten. Doch die tut sich schwer. Dafür spricht auch ein weiteres pikantes Erlebnis mit der BAK, von dem Linz berichtete: Diese sei vom Bundesgesundheitsministerium aufgefordert worden, eine PrEP-Leitlinie vorzulegen, zumal die DAHKA längst eine erarbeitet hatte. Doch die BAK blieb untätig – und nahm auch nicht das DAHKA-Angebot an, deren Leitlinie zu nutzen und dabei lediglich auf eine „Zusammenarbeit“ hinzuweisen.

Ziele der Cannabis versorgenden Apotheken

Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des 2018 gegründeten VCA, berichtete über die Herausforderungen der Apotheken, die in der Versorgung mit Medzinalcannabis aktiv sind. Probleme gibt es etwa bei den Genehmigungen durch die Kassen – hier setzt sich der Verband für eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts zur Kostenübernahme und für eine Stärkung der ärztlichen Therapiehoheit ein. Zudem fordert der VCA für eine klare rechtliche Abgrenzung zu CBD-Produkten. Ziel des Verbandes ist unter anderem, mit Ärzten und Ärztinnen eine Schulungs- und Vortragsplattform zu erarbeiten. Zudem will man angesichts der immer wieder auftretenden Lieferschwierigkeiten bei bestimmten Sorten in Zusammenarbeit mit der Industrie eine Verfügbarkeitsplattform aufbauen. Auf diese sollen neben Apotheken und Ärzten auch die Patienten und Patientinnen zugreifen können.

Tenberken: „Die, die uns vertreten sollen, tun es nicht“

Der Kölner Apotheker Erik Tenberken, der mit seinen Apotheken in zahlreichen Spezialgebieten unterwegs ist, brachte es sodann nochmals übergreifend auf den Punkt: „Wir haben alle mit viel Herzblut unsere Spezialgebiete aufgebaut, in Personal und Fortbildung investiert und stellen gerade fest, dass die alten funktionierenden Strukturen an ihre Grenzen kommen“. Denn Änderungen machen sich breit – Beispiel: E-Rezept. Doch die, die die Apotheken eigentlich vertreten sollen, täten dies nicht. Wieso sonst müsse man für jede einzelne Spezialisierung einen Verband gründen? „Da stimmt doch was im System nicht“, so Tenberken. Daher habe man entschieden, sich zusammenzutun – auch um eine zentrale Anlaufstelle zu haben. Der Pharmazeut machte bei aller Kritik aber auch deutlich: Auch wenn die Standesvertretung zuweilen als „Totengräber“ des Berufsstandes erscheine, gebe es hier durchaus Leute, die weiterdenken und mit denen man zusammenarbeiten möchte. Der wirkliche Feind, so Tenberken,  seien die „Großkonzerne, Amazon und alle, die darauf wetten, dass die Apotheken irgendwann den Tod der Drogerien sterben“. 

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„Wir schaffen uns ein gefährliches Nadelöhr“

Damit die gewünschte neue Zusammenarbeit auf vereinsrechtlich sicheren Beinen steht, muss jetzt noch die BVVA-Satzung geändert werden. Den kleineren Verbänden soll die Möglichkeit gegeben werden, als korporative Mitglieder (Fachverbände) unter das Dach des BVVA zu kommen – bislang sind die speziellen Versorgungsbereiche allein in Form von Fachgruppen vertreten. Wichtig ist dem BVVA dabei vor allem eines: Auch weiterhin können nur Inhaber:innen selbstständig geführter mittelständischer Apotheken Mitglied werden. „Gesundheitseinrichtungen im Eigentum von Private Equity-Firmen haben in unserem BVVA keinen Zutritt“, betonte der BVVA-Vorsitzende Klaus Peterseim.

Die Mitgliederversammlung des BVVA brachte die ensprechende Satzungsänderung am gestrigen Dienstagnachmittag auf den Weg. Ehe sie wirksam werden kann, muss das Registergericht sie noch prüfen. Abschließend ist die Liste der vom BVVA vertretenen Spezialversorger übrigens nach wie vor nicht. „Es werden immer neue Aufgabenstellungen auf uns zu kommen, wir wollen allen diesen Apotheken ein Dach und ein Forum geben“, erklärte Peterseim.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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