Noch zahlreiche Hürden für die breite Anwendung

3D-Druck in der Arzneimittelherstellung

Remagen - 29.09.2021, 07:00 Uhr

In einem online-Artikel im European Pharmaceutical Review beleuchtet Hannah Balfour die Technologien, die derzeit für den dreidimensionalen Druck von Arzneimitteln evaluiert werden. Einer der Haupt-Akteure dabei ist die Firma Merck. (Foto: xiaoliangge / AdobeStock)

In einem online-Artikel im European Pharmaceutical Review beleuchtet Hannah Balfour die Technologien, die derzeit für den dreidimensionalen Druck von Arzneimitteln evaluiert werden. Einer der Haupt-Akteure dabei ist die Firma Merck. (Foto: xiaoliangge / AdobeStock)


Der dreidimensionale (3D) Druck hat das Potenzial, die pharmazeutische Industrie zu revolutionieren. Ziel ist die maßgeschneiderte Herstellung von Therapeutika, auch im kleinen Maßstab. Bis die Technologie ihr volles Potenzial entfaltet, sind allerdings noch viele Hindernisse zu meistern. Dies ist aus einem Artikel in der Fachzeitschrift „European Pharmaceutical Review“ herauszulesen.  

Unbestreitbar gibt es in der Pharmakotherapie seit etlichen Jahren einen spürbaren Trend hin zur Personalisierung der Behandlung. Dies wirkt sich auch auf die Art und Weise aus, wie Medikamente hergestellt werden. Der Bedarf, neben der Massenfertigung nicht chargenpflichtige Einzelpräparate oder Kleinserien zu produzieren, könnte in Zukunft noch erheblich zunehmen.

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Große Hoffnungen werden diesbezüglich an den dreidimensionalen (3D) Druck geknüpft, auch bekannt als „additive Fertigung“. Sie verwendet ein computergestütztes Modell, um den schichtweisen Aufbau einer 3D-Form zu steuern. Das Potenzial ist enorm, denn 3D-Drucktechnologien könnten die On-Demand-Produktion von Produkten mit personalisierten Dosierungen, Wirkstoffkombinationen, Geometrien und Freisetzungseigenschaften ermöglichen, die mit bestehenden herkömmlichen Herstellungstechnologien wie der Tablettierung oder Verkapselung nicht machbar sind.

In einem online-Artikel im European Pharmaceutical Review beleuchtet Hannah Balfour die Technologien, die derzeit für den dreidimensionalen Druck von Arzneimitteln evaluiert werden, und die Arbeit wichtiger Marktakteure auf diesem Gebiet.

Schon einige Produkte auf dem Markt

Derzeit gibt es mehrere Beispiele für 3D-gedruckte Gesundheitsprodukte auf dem Markt. Das erste 3D-gedruckte Arzneimittel Spritam®, eine Levetiracetam-Tablette, wurde im Juli 2015 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen. Das Epilepsiemedikament wird in Schichten hergestellt, bis die richtige Dosierung erreicht ist.

Als weitere Beispiele nennt Balfour Ibuprofen-Hydrogele und spezielle Freisetzungssysteme für Progesteron und Pseudoephedrin, sowie eine zweischichtige Guaifenesin-Polypille mit kontrollierter Freisetzung und eine multiaktive Kombination von Nifedipin, Captopril und Glipizid.

Technologien für den 3D-Druck von Arzneimitteln

Um die Produkte herzustellen, werden derzeit fünf Kerntechniken angewendet: der Extrusionsformdruck (EMP), der Drop-on-powder (DOP) Druck, das selektive Lasersintern (SLS), die Stereolithographie (SLA) und der elektrohydrodynamische 3D-Druck (EHD).

Die EMP ist eine der am häufigsten eingesetzten Technologien. Sie wird unterteilt in Fused Deposition Modeling (FDM) und Semisolid Extrusion Molding Technology (SSE). Beim FDM werden arzneimittelbeladene Polymere in einen halbflüssigen Zustand erhitzt, aus einer Druckdüse extrudiert und auf der Druckplattform verfestigen gelassen, wodurch das gewünschte Produkt entsteht. Beim SSE wird eine Paste durch einen spritzenbasierten Druckkopf extrudiert, um Material auf die Druckplattform aufzutragen. Das DOP-Printing oder „Binder Jetting“ verwendet Tröpfchen eines Bindemittels von einem Druckkopf, um auf der Bauplattform abgeschiedenes Pulver in Schichten in das gewünschte Produkt zu binden. Es ist relativ kostengünstig, einfach zu skalieren und erzeugt Tabletten mit hoher Porosität. Beim selektiven Lasersintern, ebenfalls eine pulverbasierte 3D-Drucktechnik, wird ein CO2 -Laser dazu benutzt, um ausgewählte Bereiche von Pulverschichten selektiv zu sintern, das heißt, zu erhitzen, um festes Material zu erzeugen. Die SLA, eine Art Bottich-Photopolymerisation, nutzt ultraviolette Laser, um lichtempfindliche Harze in Schichten zu polymerisieren, und zwar so lange, bis die gewünschte Darreichungsform entsteht. Es erzeugt präzise Strukturen und wird typischerweise verwendet, um orale feste Dosierungen, Hydrogele und Mikronadelpflaster für die Arzneimittelabgabe herzustellen. Der elektrohydrodynamische 3D-Druck ermöglicht das Faser-Engineering im Mikro- bis Nanobereich. 

Vieles zu klären und zu optimieren

Bis die Technologien zur Anwendungsreife gelangen, müssen allerdings noch zahlreiche Hürden überwunden werden. Angefangen von den besonderen Anforderungen an Hilfsstoffe, besonderes für spezielle Darreichungsformen und Technologien, die Wärme verwenden, über die Entwicklung von Drucksoftware und -instrumenten bis hin zur Optimierung der mechanischen Eigenschaften der Produkte. Auch regulatorisch stellen sich viele Fragen, etwa, wie 3D-gedruckte Arzneimittel überwacht und qualitätsgeprüft werden können. Die FDA hat 2017 Leitlinien zu technischen Überlegungen zur Regulierung von 3D-gedruckten Medizinprodukten herausgegeben. Entsprechende Vorschriften oder Richtlinien für 3D-gedruckte Medikamente fehlen bislang. 

Wer tummelt sich im Markt

Als einen der Haupt-Akteure im Bereich des pharmazeutischen 3D-Drucks führt die Autorin die Firma Merck an, die in ihrem Innovationszentrum verschiedene Technologien testet. Nach einer Präsentation von Christoph Huels, Gründer Additive Manufacturing of Tablets bei Merck, bei dem Kongress PHARMAP 2021, will das Unternehmen den 3D-Druck zunächst für die Versorgung mit klinischer Studienmedikation etablieren. Im Laufe des nächsten Jahres soll die Technologie den Kunden für explorative Studien angeboten und in zwei bis drei Jahren eine GMP-Lösung für die Markteinführung entwickelt werden. Bis die additive Fertigung für eine breite Anwendung in der Arzneimittelherstellung vollständig entwickelt ist, werde es voraussichtlich noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern, hat die Autorin außerdem als Botschaft aus seinen Ausführungen mitgenommen.

Weitere Unternehmen, die sich mit dem 3D-Druck von Arzneimitteln befassen, sind laut Balfour der Entwickler von Spritam® Aprecia und die britische Firma FabRx, die im letzten Jahr den ersten GMP-fähigen 3D-Drucker für Pharmazie auf den Markt gebracht hat. Der M3DIMAKER, der mehrere 3D-Drucktechnologien in einer Maschine kombiniert, ist derzeit für Forschungszwecke verfügbar.

Mit einem Wert von 175,2 Millionen US-Dollar im Jahr 2020 und einem voraussichtlichen Wachstum auf 285,2 Millionen US-Dollar bis 2025 bietet der Markt für den pharmazeutischen 3D-Druck nach Balfours Einschätzung eine große Chance für diejenigen, die von seinen Vorteilen profitieren und seine Herausforderungen meistern können.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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