Nach Kontroverse wieder im Plan

Tierarzneimittelgesetz und Delegierter Rechtsakt verabschiedet

Süsel - 20.09.2021, 13:45 Uhr

Mithilfe einer emotionalen Kampagne verhinderte der Bundesverband der Praktizierenden Tierärzte, dass der Einsatz von Antibiotika auch bei Haustieren noch stärker eingeschränkt wird als jetzt im neuen TierAMG vorgesehen. (s / Foto: IMAGO / blickwinkel) 

Mithilfe einer emotionalen Kampagne verhinderte der Bundesverband der Praktizierenden Tierärzte, dass der Einsatz von Antibiotika auch bei Haustieren noch stärker eingeschränkt wird als jetzt im neuen TierAMG vorgesehen. (s / Foto: IMAGO / blickwinkel) 


Die Neugestaltung des europäischen Tierarzneimittelrechts folgt seit der vorigen Woche wieder dem ursprünglichen Plan. Am Freitag hat in Deutschland der Bundesrat als letzte gesetzgeberische Instanz dem neuen Tierarzneimittelgesetz zugestimmt. Außerdem hat am Mittwoch das Europäische Parlament den lang ausgehandelten Kompromiss über den Umgang mit Antibiotika für Tiere verabschiedet. Eine anderslautende Resolution aus dem Umweltausschuss des EU-Parlaments hatte zuvor für erhebliche Irritationen gesorgt. Die Tierärzte haben darauf mit einer sehr erfolgreichen Petition reagiert.

Den gemeinsamen Hintergrund für alle Neuregelungen zu Tierarzneimitteln bildet die EU-Verordnung (EU) 2019/6, die am 28. Januar 2022 in der ganzen Europäischen Union in Kraft tritt. Um das deutsche Recht damit kompatibel zu machen, hat der Gesetzgeber hierzulande das Tierarzneimittelrecht aus dem Arzneimittelgesetz ausgegliedert und ein neues Tierarzneimittelgesetz (TAMG) geschaffen. Obwohl die EU-Verordnung bereits seit Dezember 2018 vorliegt, wurde der erste Entwurf für das TAMG erst im Januar 2021 veröffentlicht. Trotz erheblicher Kontroversen über einige Inhalte wurde der Zeitplan eingehalten und das Gesetzgebungsverfahren vor der Bundestagswahl abgeschlossen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am Freitag zu. Daraufhin wird es am 28. Januar 2022 in Kraft treten.

Zuletzt hatte es deutlich mehr Aufmerksamkeit für eine ergänzende Regelung auf der europäischen Ebene gegeben. Dabei geht es um Artikel 37 Absatz 4 der EU-Verordnung. Dieser sieht vor, „Kriterien für die Festlegung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Humanmedizin vorbehalten sind“ zu erarbeiten. Dazu ist ein Delegierter Rechtsakt der EU erforderlich. Einen Vorschlag dafür hatten betroffene Organisationen jahrelang erarbeitet.

Dennoch hatte der EU-Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) am 13. Juli 2021 mehrheitlich für eine inhaltlich noch schärfere Resolution und damit gegen den Vorschlag für den Delegierten Rechtsakt gestimmt. Gemäß dieser Resolution sollten einige Antibiotikagruppen, darunter auch Fluorchinolone, Cephalosporine der dritten und vierten Generation, Makrolide und Polymyxine, nur noch in der Humanmedizin eingesetzt werden. Für Einzeltiere sollten nach Anfertigung eines Antibiogramms Ausnahmen möglich sein. Allerdings wurde in Fachkreisen bestritten, dass solche Ausnahmen überhaupt in die Systematik des EU-Rechts einzufügen seien.

Erfolgreiche Petition der Tierärzte

Einige Beobachter sehen das Ziel der Resolution darin, die Massentierhaltung auf dem Umweg über ein Antibiotikaverbot praktisch unmöglich zu machen. Doch die Resolution bezog sich auch auf Hunde und Katzen. Daraufhin mobilisierte der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) in einer bemerkenswerten und sehr emotional geführten Kampagne die Öffentlichkeit. Nach Ansicht des bpt widerspricht die Resolution dem „One-Health-Ansatz“, der die Zusammenhänge der Gesundheit von Menschen und Tieren betont.

Außerdem erklärte der bpt, dass mit der vorgesehenen Verschärfung viele Tiere nicht mehr adäquat versorgt werden könnten. Dies betreffe auch Hunde und Katzen. Die intensive Öffentlichkeitsarbeit der Tierärzte in den vorigen Wochen hatte großen Erfolg. Nach Angaben des bpt in einem Brief an seine Mitglieder unterzeichneten 358.925 Personen eine europäische Online-Petition gegen die Resolution und für den ursprünglich geplanten Delegierten Rechtsakt. Außerdem hätten die Tierärzte 297.452 Unterschriften in den Praxen gesammelt. Demnach kamen sogar mehr Unterschriften zusammen als 2019 bei der Kampagne des Pharmaziestudenten Benedikt Bühler für das Rx-Versandverbot mit insgesamt 402.080 Unterschriften. Doch Bühlers Rekord für ein Petitionsverfahren zum Deutschen Bundestag wurde damit nicht gebrochen, weil es bei den Tierärzten um eine Petition für das EU-Parlament ging.

Rx-Versandverbot mit Einschränkung

Inwieweit die Resolution die Abgeordneten des EU-Parlaments beeinflusst hat, bleibt offen. Doch im Ergebnis hat das Plenum des EU-Parlaments am Mittwoch im Sinne des bpt entschieden. Die Abgeordneten stimmten mit deutlicher Mehrheit für den ursprünglich vorgesehenen Delegierten Rechtsakt und damit gegen die Resolution aus dem ENVI. Der bpt zeigte sich anschließend zufrieden. bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder erklärte nach der Abstimmung, Europa werde damit führend in der Welt bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Der wissenschaftlich fundierte Delegierte Rechtsakt leiste einen massiven Beitrag für die Humangesundheit im Sinne des One-Health-Ansatzes, spiele Human- und Tiergesundheit nicht gegeneinander aus, ermögliche flexible Reaktionen auf die Resistenzsituation und stelle sicher, dass kranke Tiere weiterhin adäquat versorgt werden können.

RxVV soll Versorgung exotischer Tiere nicht gefährden

Auf der europäischen Ebene schreitet damit die mühsam ausgehandelte Entwicklung voran. In Deutschland wird das TAMG einige Neuerungen bringen. Eine aus Apothekersicht besonders bemerkenswerte ist das Versandverbot für Rx-Tierarzneimittel. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde jedoch eine Ausnahmemöglichkeit geschaffen, um insbesondere die Versorgung exotischer Tiere zu erleichtern, die meist nur von wenigen spezialisierten Tierärzten behandelt werden.

Die Ausnahmeregelung gibt dem Bundeslandwirtschaftsministerium die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung zum Fernabsatz von Rx-Tierarzneimitteln und veterinärmedizinisch-technischen Produkten durch Apotheken oder durch Tierärzte im Rahmen des Betriebs tierärztlicher Hausapotheken zu erlassen. Diese darf sich nur auf die Versorgung der in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a TAMG bezeichneten Heimtiere beziehen. Dies sind nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienende Tiere, die in Aquarien oder Teichen gehalten werden, Zierfische, Ziervögel, Brieftauben, Terrarium-Tiere, Kleinnager, Frettchen und Hauskaninchen. Die europarechtliche Grundlage für diese Regelung lässt einen solchen Versand nur innerhalb der Grenzen des jeweiligen Mitgliedslandes zu, also nicht zwischen den EU-Ländern. Die Gestaltung der Verordnung liegt nun in der Hand des Bundeslandwirtschaftsministeriums.

Strengere Regeln für die Arzneimittelauswahl

Die neue Struktur der tierarzneimittelrechtlichen Vorschriften wird künftig erfordern, die EU-Verordnung und das TAMG nebeneinander zu lesen, weil einige Regelungen nur in der EU-Verordnung stehen und das TAMG darauf verweist. Eine weitere inhaltliche Neuerung wird der Wegfall der Standardzulassungen. Allerdings bestehen bis zum Jahr 2027 Übergangsvorschriften. Außerdem wird eine Meldepflicht für nicht zugelassene Arzneimittel für Tiere – und damit auch für Rezepturarzneimittel – eingeführt. Als weitere Neuerung dürfen Tierhalter künftig Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes und damit auch nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel bei Tieren nur aufgrund einer tierärztlichen Verordnung und Behandlungsanweisung anwenden. Ohne Kontakt zu einem Tierarzt dürfen Tierhalter bei ihren Tieren damit nur noch Tierarzneimittel einsetzen, die für die betreffende Tierart zugelassen sind.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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