Krankenkassensystem

Bürgerversicherung – Pläne der Parteien, Ziele und Kritik

Berlin - 10.09.2021, 15:00 Uhr

Eine Bürgerversicherung für alle Menschen klingt offenbar verlockend. Was steckt dahinter?  (c / Foto: Photocreo Bednarek / AdobeStock)

Eine Bürgerversicherung für alle Menschen klingt offenbar verlockend. Was steckt dahinter?  (c / Foto: Photocreo Bednarek / AdobeStock)


Solidaritätsgedanke vs. verfassungsrechtliche Bedenken

Die Ziele der Einführung einer Bürgerversicherung benennen alle Parteien mehr oder weniger klar: Zum einen wollen sie Ungleichbehandlungen von gesetzlich und privat Versicherten abschaffen, etwa was die Vergabe von Facharztterminen betrifft. Privatversicherte sollen vor Überversorgung und vor finanziellen Schwierigkeiten im Alter geschützt werden, wenn die Höhe der PKV-Beiträge oft deutlich steigt. Durch das Einbeziehen aller Bürger:innen in die Bürgerversicherung soll dem System mehr Geld zur Verfügung stehen als derzeit noch der GKV und damit das Leistungsspektrum für alle ausgeweitet werden können. Dabei wird zumeist davon ausgegangen, dass aktuell vor allem Besserverdienende in der PKV versichert sind.

Die Kritik: verfassungsrechtliche Bedenken

Ein wesentlicher Kritikpunkt an den Konzepten einer Bürgerversicherung sind verfassungsrechtliche Bedenken. Diese betreffen zum Beispiel die Grundrechte der PKV-Unternehmen: Umstritten ist, ob die Einführung einer Bürgerversicherung in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen eingreift oder diese sogar verletzt. „Eine Stichtags- bzw. Zwangsregelung wird aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken zum Teil auch von Befürwortern der Bürgerversicherung als zweifelhaft gesehen“, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einer Ausarbeitung aus dem Jahr 2018. „Diese plädieren aufgrund der Zweifel für ein Wahlrecht für bisher privat Versicherte, wie es die SPD in ihrem Modell vorsieht.“

Auch was die Grundrechte der Versicherten betrifft, gibt es Zweifel: Die Frage, ob die Altersrückstellungen Eigentumspositionen seien und daher dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 Satz GG unterlägen und wenn ja, wem diese Positionen zustünden, sei lange Zeit umstritten gewesen, heißt es in der Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Diensts. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2009 ausgeführt habe, die Altersrückstellungen hätten „nicht den Charakter eines konkreten, dem Inhaber nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts zugeordneten Eigentumsrechts“ und seien lediglich Kalkulationsposten, werde überwiegend dafür plädiert, den bisherigen Versicherten der PKV einen Bestandsschutz oder die Möglichkeit zur Mitnahme der Altersrückstellungen zu gewähren. Auch ob das Abschaffen der Beihilfe für Beamte ohne weiteres möglich ist, ist umstritten.

Eine Übersicht über die Argumente für und gegen eine Bürgerversicherung hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hier zusammengestellt.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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