Mitgliederversammlung des AVWL

Rochell: GEDISA wird teuer – Mitgliedervotum nötig

Münster - 09.09.2021, 12:15 Uhr

Thomas Rochell, neuer AVWL-Vorstandsvorsitzender, ist überzeugt: Das VOASG wird „die Apotheken vor Ort nicht dauerhaft stärken, sondern am Ende nachhaltig schwächen“. (s / Foto: AVWL)

Thomas Rochell, neuer AVWL-Vorstandsvorsitzender, ist überzeugt: Das VOASG wird „die Apotheken vor Ort nicht dauerhaft stärken, sondern am Ende nachhaltig schwächen“. (s / Foto: AVWL)


Der DAV will eine neue Digitalgesellschaft namens GEDISA gründen – und der Apothekerverband Westfalen-Lippe soll allein 1 Million Euro pro Jahr dafür zahlen. Mit Blick auf diese stattliche Summe will der AVWL zunächst die Mitgliederversammlung in einer außerordentlichen Sitzung abstimmen lassen, ob der Verband sich überhaupt als Gesellschafter an GEDISA beteiligen wird. Denn bei einem Haushaltsvolumen von 3,7 Millionen Euro seien das „gewiss keine Peanuts“, betonte der frischgebackene AVWL-Chef Thomas Rochell gestern in Münster.

Erst vor wenigen Tagen hatte Thomas Rochell den Chefposten beim Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) von Dr. Klaus Michels übernommen, der aus persönlichen Gründen aus dem Amt ausgeschieden ist. Am gestrigen Mittwoch bereits leitete Rochell seine erste AVWL-Mitgliederversammlung in Münster. In seinem Bericht dankte er Michels, der selbst nicht anwesend war, für sein „großes Engagement für die westfälisch-lippischen Apothekeninhaber und seine enormen Leistungen für den Berufsstand in den vergangenen 30 Jahren“. Mit Leidenschaft und Erfolg habe er sich stets für die Belange der Apothekerschaft auf Bundes- wie Landesebene eingesetzt.

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Zudem ging Rochell zunächst auf eine recht kurzfristige Änderung der Tagesordnung ein: Ursprünglich war eine Diskussion über eine mögliche Beteiligung des AVWL an der Gründung der Digitalgesellschaft GEDISA (Gesellschaft für digitale Services der Apotheker mbH) vorgesehen gewesen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) plant, eine solche Gesellschaft zu schaffen, unter anderem, um darüber den Betrieb des DAV-Portals laufen zu lassen. Derzeit obliegt diese Aufgabe noch dem DAV selbst – problematisch ist dabei jedoch dessen Status als eingetragener Verein. Neben haftungsrechtlichen Schwierigkeiten geht es dabei auch um das liebe Geld, denn der DAV finanziert sich aus dem komplexen ABDA-Haushalt.

Gesellschafter der GEDISA sollen die 17 Landesapothekerverbände werden – denn über den DAV, also letztlich aus dem ABDA-Haushalt, lässt sich das Projekt Rochell zufolge nicht stemmen. „Eine eigene gemeinsame Plattform hätte für den Berufsstand den Vorteil, alle kommenden Aufgaben bewältigen zu können und sich Wettbewerbern geschlossen entgegenzustellen“, sagte Rochell. Das Problem: Mit einer Beteiligung an der GEDISA würden auf den AVWL „erhebliche finanzielle Verpflichtungen in den kommenden Jahren zukommen“. Konkret geht es allein für den AVWL laut Rochell um 1 Million Euro pro Jahr bei einem Gesamthaushaltsvolumen von 3,7 Millionen Euro. Das sind „gewiss keine Peanuts“, so der Verbandschef.

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Unter anderem für den Betrieb des Portals

DAV will wohl Digitalgesellschaft gründen

Mit Blick auf die Tragweite der Entscheidung hält es der AVWL daher für geboten, vorab die Mitgliederversammlung entscheiden zu lassen, ob der Verband sich als Gesellschafter in die GEDISA einbringen wird. Bisher fehlen jedoch die dafür nötigen Informationen, etwa zum Business- und Finanzplan, dem Personalbedarf und der Betriebsstätte. „Deshalb haben wir entschieden, diesen Tagesordnungspunkt abzusetzen und so lange zu vertagen, bis alle erforderlichen Fakten vorliegen und wesentliche Fragen beantwortet sind“, erläuterte Rochell. „Sobald dies erfolgt ist, werden wir daher zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung einladen.“

VOASG wird Apotheken nachhaltig schwächen

Darüber hinaus blickte Rochell auf die Gesundheitspolitik der vergangenen Monate und Jahre zurück. Sein Fokus lag unter anderem auf dem im vergangenen Dezember in Kraft getretenen Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz, das in seinen Augen dem Namen nicht gerecht wird. „Es ist einer dieser euphemistischen Begriffe, mit denen die Große Koalition in der auslaufenden Legislaturperiode ihre Gesetzesvorhaben zu vermarkten versuchte“, sagte er. „Neusprech, wie George Orwell in seinem Roman 1984 solche Sprachmanipulationen bezeichnet, die ihre eigentlichen Ziele verschleiern. Tatsächlich wird dieses Gesetz die Apotheken vor Ort nicht dauerhaft stärken, sondern am Ende nachhaltig schwächen.“

Der AVWL-Chef versicherte, der Verband werde auch in Zukunft wie bisher die Politik „mit den gewollten und ungewollten Folgen des Gesetzes“ konfrontieren werde, um zu verhindern, dass die Präsenzapotheken und damit auch die Patientenversorgung weiter geschwächt werde. Wenig hilfreich sei in der Vergangenheit jedoch die Kommunikationsstrategie der damaligen ABDA-Spitze gewesen, kritisierte Rochell. „Diese Kommunikation der ABDA zum VOASG hat sich unserer Einschätzung nach nicht mit den Beschlüssen der Mitgliederversammlung zum Thema Preisbindung gedeckt.“ Auch aus diesem Grund sei es ein wichtiger Schritt, dass nun eine Organisationsanalyse der Bundesvereinigung läuft – mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Bundesebene und Landesverbänden zu verbessern. Dass seit dem Jahreswechsel die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, das Amt der ABDA-Präsidentin innehat, stimme ihn diesbezüglich zuversichtlich.

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Auch die geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen sind für Rochell ein Lichtblick – auch wenn er sich einerseits ein größeres Honorarvolumen als die bisher veranschlagten 150 Millionen Euro jährlich wünscht und seitens der ABDA deutlich mehr Transparenz, was das entworfene Dienstleistungspaket betrifft. Neben der Chance, sich als „unverzichtbare Heilberufler“ von den Versendern abzugrenzen, könnten die neuen Services dazu beitragen, wieder mehr junge Menschen für eine Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke zu begeistern, hofft Rochell. Denn wie wohl überall in Deutschland plagen auch die Inhaber:innen in Westfalen-Lippe massive Nachwuchssorgen.

Um hier gegenzusteuern, bedarf es aus Sicht des AVWL-Chefs jedoch auch eines zweiten Pharmaziestandorts in der Region. Bisher bildet lediglich die Uni Münster Apotheker:innen aus – zu wenig, meint Rochell. Er betonte, dass die Uni Bielefeld und die Technische Hochschule OWL gemeinsam bereitstünden, einen neuen, innovativen Pharmaziestudiengang aufzubauen. „Dieser soll die angehenden Pharmazeuten in besonderem Maße auf die zukünftigen Anforderungen in der Apotheke vor Ort vorbereiten: auf eine patientennahe und zugleich digitalisierte pharmazeutische Betreuung, auf neue pharmazeutische Dienstleistungen für die Patienten sowie auf die Anforderungen der individualisierten, stratifizierten Medizin und Pharmakotherapie.“ Allerdings habe das Wirtschaftsministerium signalisiert, der Verband müsse durch die Förderung zweier Stiftungsprofessuren eine Anschubfinanzierung leisten. Derzeit suche der AVWL hierfür nach Sponsoren, und das bereits mit ersten Erfolgen. Rochell appelierte eindringlich an Kammer und Verband, aber auch an die einzelnen Apothekeninhaber:innen, das Vorhaben zu unterstützen.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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