Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.08.2021, 07:30 Uhr

Traurig! Da soll eine unserer Zukünfte in Dienstleistungen wie z. B. Medikationsanalysen liegen, aber in der Öffentlichkeit weiß keiner was davon. (Foto: Alex Schelbert)

Traurig! Da soll eine unserer Zukünfte in Dienstleistungen wie z. B. Medikationsanalysen liegen, aber in der Öffentlichkeit weiß keiner was davon. (Foto: Alex Schelbert)


Es gibt immer weniger Apotheken, nehmen das die Menschen hin? Setzen sie auf den Versandhandel? Brauchen sie nicht, wir Apothekers bieten den schnellen Botendienst. Aber der ist den Ersatzkassen zu teuer, sie meinen, die Versender machen’s günstiger. Wirklich? Derweil rüstet sich DocMorris zum Kampf ums E-Rezept mit einer 20 Mio. Euro-Kampagne. Die ABDA hält mit 2 Mio. dagegen. Und ein CDU-Gesundheitspolitiker kann sich vorstellen, dass PTAs die Apothekers vertreten können und setzt aufs Gefühl von PTA. Und ganz traurig: Es ist in der Öffentlichkeit noch immer nicht bekannt, dass wir Apothekers die Arzneimittelfachleute sind und Medikationsanalyse machen. Wie auch – die ABDA hält noch immer alles geheim. 

16. August 2021

Die Corona-Pandemie hatte und hat auch Auswirkungen auf die letzte Grippesaison: Durch Mund-Nase-Schutz, Abstandsregeln und Händedesinfektion gab es weniger Infektionen. Anfangs war die Nachfrage nach Grippeimpfstoffen sogar höher als in den Jahren zuvor – die Menschen wollten in Zeiten der Corona-Gefahr nicht auch noch eine Grippe riskieren. Die große Nachfrage nach Grippeimpfstoffen führte anfangs sogar zu einem Impfstoffmangel. Das veranlasste den Bund dazu, seine sogenannte Nationale Reserve von rund sechs Millionen Dosen auf den Markt zu werfen – möglicherweise zu spät, denn das Interesse der Bevölkerung an der Grippeschutzimpfung ließ schon wieder nach. Und nun, mein liebes Tagebuch, bleiben viele Apotheken, die sich damals noch mit Grippeimpfstoff aus dieser Reserve eingedeckt hatten, auf den Impfstoffen sitzen: Das sind herbe Verluste, wie der Apothekerverband Nordrhein vorrechnet. Er ging im Februar davon aus, dass bundesweit noch rund 1 Millionen Impfdosen im Wert von über 10 Millionen Euro in Apotheken lagern. Dumm gelaufen – denn eingekauft und nicht verkaufen ist das wirtschaftliche Risiko der Apotheke. Aber hier könnte doch ein Sonderfall vorliegen, denn immerhin hat der Bund einen Teil der Impfstoffe beschafft. Ist da nichts zu machen? Der Deutsche Apothekerverband steht zu dieser Fragen mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Gespräch, heißt es. Bisher ergebnislos. Jetzt äußert sich das BMG nun doch dazu: „Der Bund hat alle Grippeimpfstoffe aus der nationalen Reserve der letzten Saison gekauft und trägt das Risiko der Verimpfung.“ Mein liebes Tagebuch, aber was heißt das konkret? Gibt’s eine Entschädigung für die Apotheken für die nicht verkauften Impfstoffe? Noch weiß man nichts Genaues, es gibt nur ein klein bisschen Hoffnung. 

17. August 2021

Laut Zahlen-Daten-Fakten-Broschüre der ABDA gab es Ende 2020 nur noch 18.753 Apotheken (Haupt- und Filialapotheken). Diese Zahl zeigt: Der Trend des Rückgangs der Apothekenzahlen seit dem Jahr 2010 hält an. Jährlich machen in den vergangenen Jahren so um die 340 Apotheken zu, für immer. Eine „besorgniserregende“ Entwicklung nennt dies der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Armin Hoffmann. Auch in seinem Kammerbereich sinkt die Apothekenzahl: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ging’s weiter abwärts, es haben wieder 26 Apotheken geschlossen. Was meinst du, mein liebes Tagebuch: Auch wenn, wie es in der ABDA-Broschüre aufmunternd heißt, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln derzeit noch nicht gefährdet sei, irgendwie beschleicht einen doch ein mulmiges Gefühl, angesichts dieses ständigen Rückgangs. Denn derzeit ist noch keine Retardierung des Abwärtstrends festzustellen. Und welche Apothekenzahl muss erreicht sein, dass die flächendeckende Versorgung gefährdet ist? Wird’s schon ab 15.000 Apotheken eng? Oder erst ab 10.000 Apotheken? Wann spürt die Bevölkerung, dass der zurzeit noch bequeme und relativ kurze Weg zur nächsten Apotheke deutlich länger wird? Nehmen die Menschen es hin, dass der Versandhandel die Lücke füllt oder werden sie ihre „Apotheke an der Ecke“ vermissen? Nordrheins Kammerpräsident meint, die Menschen müssten sich im Bereich der Gesundheit mit der Frage beschäftigen, was sie eigentlich wollen: die Apotheke vor Ort, auch nachts und an Wochenenden, mit schnellem Botendienst, vor allem mit persönlichen Gesprächen und dafür vielleicht ohne Geiz-ist-geil-Mentalität und ohne ein paar Cent oder Euro zu sparen? Oder reicht ihnen die Anonymität des Internetversandhandels, ohne Beratung und Engagement vor Ort? Mein liebes Tagebuch, am liebsten würde ich jetzt recht optimistisch antworten, aber da bin ich mir nicht ganz sicher, ob die Menschen unser Engagement vor Ort auch sehen, es erleben und für unverzichtbar halten. Vielleicht müssen wir da noch einen Zahn zulegen, damit das sichtbar wird.

18. August 2021

Dem Verband der Ersatzkassen (vdek) ist die Vergütung für den Apotheken-Botendienst ein Dorn im Auge. Für diesen mit den gesetzlich fixierten 2,50 Euro vergüteten Service hätten sie in den ersten acht Monaten nach ihrer Einführung Ende April 2020 bereits knapp 29 Mio. Euro aufgebracht, schreiben zwei Autorinnen im aktuellen „ersatzkasse magazin“. Wobei die Verteilung auf die Apotheken sehr unterschiedlich ausgefallen sei, 24 Apotheken hätten ein Viertel der Ausgaben verursacht, einige hätten sogar für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abgerechnet. Mein liebes Tagebuch, nicht übel. oder? Da muss wohl eine ganze Armada an Botendienstfahrzeugen bereitstehen, um im Fünf-Minuten-Takt die Bestellungen auszuliefern – Amazon prime im Miniformat oder besser Apozon prime. Vielleicht sollte man da mal genauer hinsehen, manche Apotheken übertreiben da wohl ein bisschen. Die Durchschnittsapotheke habe dagegen von den Ersatzkassen nur etwa 2000 Euro seit Einführung des Botendienstes erhalten. Egal, so oder so ist der vdek „not amused“ über das Botendienst-Honorar und fragt, ob dieser Service dauerhaft von der Versichertengemeinschaft zu finanzieren sei, und provoziert mit der Anmerkung, dass die Versandapotheken diesen Service kostenfrei erbringen würden und somit die Arzneimittel von der Vor-Ort-Apotheke für die GKV mehr kosten würden als bei den konkurrierenden Versandapos. Und die Einführung des E-Rezepts werde diese Entwicklung sicher noch befördern, meinen die Autorinnen der vdek-Berichts. Und sie legen noch eins drauf: Diese Leistung der Apotheke sei „weder geeignet, die Rolle der Apotheken in der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu stärken, noch die Versorgung für die Versicherten spürbar zu verbessern“ – sie sagen aber nicht, wie sie zu dieser absurden Einschätzung kommen. Ihre Schlussfolgerung: Die Botendienstvergütung müsse „wahrscheinlich als eine ‚Entschädigung‘ der Apothekerschaft dafür betrachtet werden, dass der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus europarechtlichen Gründen nicht untersagt werden konnte“. Mein liebes Tagebuch, ob man die 2,50 Euro so uminterpretiert oder nicht: Der Botendienst trägt durchaus dazu bei, die Versorgung der Versicherten zu verbessern. Und dass da wohl einige Apotheken deutlich übertreiben und für bis zu 50 Prozent aller Arzneimittel einen Botendienst abrechnen – da sollten die Kassen dann einfach mal ganz genau hinsehen und die Plausibilitätsprüfung machen. Eindeutig falsch ist dagegen die Aussage der vdek-Autorinnen, dass durch den Botendienst die Arzneimittel bei den Vor-Ort-Apotheken für die Kassen teurer seien: Die Arzneimittel kosten exakt denselben Preis.

 

Das E-Rezept kommt und mit ihm der Kampf der Arzneiversender ums E-Rezept. Schauen wir auf den Zur Rose-Konzern mit seiner Tochter DocMorris. Wie aus einer Mitteilung des Konzerns anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen für das erste Halbjahr hervorgeht, will die Schweizer Zur Rose-Gruppe im zweiten Halbjahr 2021 ihr Hauptaugenmerk auf die Einführung des E-Rezepts setzen. Das bedeutet: geplante Umsatzsteigerung in diesem Bereich und die Metamorphose „von einer reinen E-Commerce-Apotheke hin zu einem umfassenden Gesundheitsdienstleister und Healthtech-Anbieter“. Mein liebes Tagebuch, wir haben es bereits vernommen: Das Unternehmen plant den Auf- und Ausbau eines Gesundheitsökosystems, man möchte künftig die gesamte Gesundheitsversorgung mit Arzt, Apotheke usw. aus einer Hand anbieten können. Und schon bis Jahresende sollen dann alle Dienste und Funktionen wie E-Commerce, Gesundheitsservices und Marktplatz in einer digitalen DocMorris-Gesundheitsplattform mit nur noch einer App und einen Portal zusammengeführt werden, verspricht Zur Rose vollmundig. Der Marktplatz DocMorris+, bei dem bekanntlich auch Vor-Ort-Apotheken als Partner-Apotheken mitmachen sollen, um „same day delivery“ anbieten zu können, wurde dafür in „DocMorris Express“ umbenannt. Mein liebes Tagebuch, ob sich dafür genügend  Apotheken finden (da fällt einem doch das Zitat ein „nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber“), bleibt abzuwarten. Laut den Zur Rose-Zahlen habe sich zwar der Umsatz zur Zufriedenheit entwickelt, aber von Gewinn ist da noch keine Spur, im Gegenteil: Das Betriebsergebnis fürs erste Halbjahr liegt mit minus 49,7 Mio. Schweizer Franken (etwa 46,4 Mio. Euro) deutlich unter dem vom Vorjahr. Man hatte die eine oder andere Aufwendung und Investition, heißt es. Nur mal so als Beispiel: Für die umfangreiche DocMorris-Marketingkampagne „Das neue Gesund“, die aufs E-Rezept abgestellt ist, hat Zur Rose nach eigenen Angaben rund 20 Millionen Schweizer Franken (rund 18,7 Millionen Euro) ausgegeben. Tja, die Zur Rose Group AG meint es ernst mit dem E-Rezept, sehr ernst.

Apropos Kampagnen und E-Rezept, mein liebes Tagebuch, da passt doch folgende Meldung recht gut dazu: Die ABDA hat ihre Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Cyrano für weitere zwei Jahre verlängert. Die Agentur unterstützt z. B. die Landesorganisationen bei der Umsetzung bundesweiter Kampagnen. Das Budget liegt bei gut 2 Millionen Euro brutto pro Jahr. Mein liebes Tagebuch, mal ganz spitz formuliert und nur mal so zum Nachdenken: Den Kampf ums E-Rezept lässt sich DocMorris mit seiner Kampagne fast 20 Mio. Euro kosten, das Budget für unsere ABDA-Apotheken-Kampagne beträgt 2 Mio. Euro. Was lernen wir daraus? Wir können nicht durch Plakate und Werbespots punkten, wir können nur durch Leistung vor Ort überzeugen –  aber da müssen wir dann auch kräftig liefern.

19. August 2021

Oh, oh, haben Apotheken, die auf den Konnektor von Red Medical gesetzt haben, nun schlechte Karten? Zum Hintergrund: Damit sich Apotheken der Telematik-Infrastruktur (TI) anschließen können, brauchen sie einen Konnektor. Und dieses Gerät muss mit der Warenwirtschafts-Software zusammenarbeiten können. Beim Konnektor der Firma Red Medical gibt es allerdings die Besonderheit, dass das Gerät nicht in der Apotheke steht, sondern in einem externen Rechenzentrum (Konnektorenfarm), was Vorteile hinsichtlich der Wartung, Updates und sonstigen Sicherungsmaßnahmen bringen soll. Die Firma versprach auch, dass die Anbindung an die Warenwirtschaftssysteme der Apotheken angeblich kein Problem darstellt. Stellt es nun aber doch, zumindest bei der Warenwirtschaft von Pharmatechnik. Diesem Softwarehaus gefällt die Konnektorenfarm sichtlich nicht, man möchte wohl lieber die eigenen Konnektoren verkaufen (alles aus einer Hand) und so weigert sich Pharmatechnik, diese externe Konnektoren-Lösung zu unterstützen. Das wiederum gefällt natürlich Red Medical nicht, man versuchte die Anbindung der eigenen Konnektorenlösung an die Warenwirtschaft von Pharmatechnik per einstweiliger Verfügung zu erzwingen. Bisher ohne Erfolg. Und wie steht es mit den anderen Softwarehäusern? Auch hier ist natürlich die Rede davon, dass es am besten läuft, wenn alles aus einer Hand kommt. Klar, mein liebes Tagebuch, davon gehen wir aus, nicht wahr? Immerhin, Noventi stellt sich allerdings nicht quer, man arbeite „maximal diskriminierungsfrei“ und stelle seinen Kunden die erforderlichen Anbindungen her. Kostet halt was. Auch CGM Lauer stellt eine Schnittstelle zu Konnektoren anderer Hersteller zur Verfügung und ADG wollte sich dazu nicht äußern. Also, mein liebes Tagebuch, alles nicht so einfach, wenn man bei den Konnektoren fremdgehen möchte.

20. August 2021

Wir dürfen nicht nur Impfzertifikate übers DAV-Portal digitalisieren (wenn es denn funktioniert), sondern auch Genesenenzerfikate. Doch voraussichtlich wird dies erst ab kommender Woche möglich sein. Und dieses Mal liegt es nicht am Apothekenportal: Das Robert-Koch-Institut wird die neue Funktion voraussichtlich erst in der kommenden Woche freischalten. Also, mein liebes Tagebuch, da müssen wir wohl diejenigen, die ihr Genesenenzertifikat schon am Montag digitalisiert haben wollen, noch ein wenig vertrösten. Und bald soll auch noch die Handlungshilfe folgen, mit der die ABDA Hinweise zur praktischen Umsetzung in den Offizinen gibt. Die Abrechnung erfolgt dann über die Apothekenrechenzentren und nicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Viel Geld gibt es bekanntlich nicht für diese Leistung: Die Vergütung laut Coronavirus-Testverordnung (§ 12 Abs. 6) beträgt 6 Euro – mein liebes Tagebuch, muss man als Maßnahme für den Kundenservice sehen.

 

So ab und an und in manchen Regionen Deutschlands, so hört man, gibt es Personalengpässe in den Apotheken. Mal gibt es Engpässe bei Approbierten, mal bei PTAs. Richtig valide Daten scheint es nicht zu geben, ist ja auch alles im Fluss. Immerhin, den sächsischen CDU-Gesundheitspolitiker aus dem Erzgebirge, Alexander Kraus, treiben diese Engpässe um. Und so hat er nun vorgeschlagen, den PTAs die Vertretung von Approbierten zu ermöglichen. Freilich, nicht die PTA, die gerade von der PTA-Schule kommt, soll vertreten können, sondern für ihn ist denkbar, „dass PTAs mit mindestens fünf Jahren Berufspraxis stundenweise einspringen“, wie er auf seiner Internetseite schreibt. Man könne die Vertretung auch an eine Weiterbildung knüpfen. Diese PTAs hätten durch ihre Berufserfahrung „ein Gespür entwickelt, inwieweit sie den Kunden helfen können“, meint Kraus. Für den Bundesverband PTA trifft dieser Kraussche Vorschlag ins Schwarze und holt gleich mehrere Vorschläge aus der Schublade, wie der PTA-Beruf aufgewertet werden könnte, beispielsweise durch eine standardisierte Weiterqualifizierung, die zur „Certified Person“ mit definierten Kompetenzen führe. Der Schlüssel für diese Weiterentwicklung liege nun bei der ABDA, meint der BVpta, dessen Aufgabe es nun mal ist, sich für den PTA-Beruf einzusetzen, zumal ihm die Reform und Modernisierung des PTA-Berufs von 2019 nicht weit genug ging. Mein liebes Tagebuch, aber vielleicht hätte man dem CDU-Gesundheitspolitiker Kraus erstmal den Unterschied zwischen einer approbierten Apothekerin und einer PTA erklären sollen und den Unterschied zwischen einem achtsemestrigen Pharmaziestudium und einer Ausbildung an einer PTA-Schule. Gut möglich, dass er es sich dann nochmal überlegt hätte, ob er so einen Vorschlag macht. Denn dass eine PTA mal eben so einen approbierten Apotheker, eine approbierte Apothekerin mit deren gesamten Verantwortung vertritt, auch nur für ein paar Stunden – das kann doch nicht wirklich eine Lösung für Personalengpässe sein. Und, mein liebes Tagebuch, bei aller Wertschätzung und Anerkennung des PTA-Berufs: Wenn es um die Gesundheit geht, möchte ich mich nicht auf das „Gespür von PTA, inwieweit sie den Kunden helfen können“ (O-Ton Kraus), verlassen wollen.


Spiegel-Lesern ist Jörg Blech bekannt: Er ist Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor und kennt sich in der Gesundheitsszene aus. Vor Kurzem machte er in einem Online-Beitrag auf die gefährliche Polypharmazie aufmerksam. Hintergrund ist die für Oktober geplante Internationale Konferenz im dänischen Kolding, auf der es um „Desprescribing“ geht, ums „Ent-Verschreiben“, wie man es etwas holprig ins Deutsche übersetzen kann. Blech findet, dass es höchste Zeit für das Treffen sei, denn das Absetzen von Arzneimitteln finde in der Medizin noch immer viel zu selten statt. Da kann man ihm nur zustimmen. Er zitiert einen Beitrag im „Geriatric-Report“, in dem eine 85 Jahre alte Dame vorgestellt wird, auf deren Medikamentenplan 16 verschiedene Präparate standen. „So weit kommt es, wenn keiner der Verschreibenden den ganzen Menschen im Blick hat“, gibt Blech zu bedenken. Und er nennt auch Verschreibungskaskaden: „Ein Medikament wird verschrieben, damit es die Wirkung eines anderen aufhebt.“ Mein liebes Tagebuch, wir Apothekers sehen solche Fälle von Polypharmazie nicht selten in unserer Praxis. Blech ist überzeugt, dass Patienten und deren Angehörige etwas dagegen tun können: Sie könnten „gemeinsam mit einer kritischen Hausärztin oder einem Hausarzt die Liste der Rezepte sichten“, so Blech, und die überflüssigen oder die ab einem gewissen Alter nicht mehr geeigneten Arzneimittel oder Arzneimittel, deren Indikation nicht mehr angezeigt ist, nicht mehr geben. Mein liebes Tagebuch, wie wahr, das kann man alles unterschreiben. Nur eines hat mich nachdenklich gestimmt: Was Jörg Blech da vorschlägt – sind das nicht genau die Aufgaben und Dienstleistungen, die wir Apothekerinnen und Apotheker mit der Medikationsanalyse und dem Medikationsmanagement anbieten? Ist es denn in Kreisen von erfahrenen Wissenschaftsjournalisten nicht bekannt, dass wir Apothekers die Arzneimittelfachleute sind, die gelernt haben, solche Verschreibungskaskaden, solche gefährliche Polypharmazie aufzudecken? Oder hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass es genau solche Dienstleistungen sein sollen, die wir Apothekers als honorierte pharmazeutische Dienstleistungen anbieten wollen? Wie auch! Mein liebes Tagebuch, vermutlich weiß das da draußen noch keiner! Ist ja alles noch sehr geheim, die ABDA lässt dazu nichts raus, die Verhandlungen mit den Krankenkassen laufen und laufen. Und die Zeit läuft uns davon. Mich stimmt das traurig.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Keine Wahrnehmung

von Reinhard Rodiger am 22.08.2021 um 13:50 Uhr

Ein Igel hat eine Chance mit seinem Totstellreflex."Wir" nicht.

Es häufen sich die brisanten Themen zu denen "Wir" nur einen Totstellreflex zu bieten haben.Die Krankenkassen machen Hasspropaganda, die Polypharmazie wird der allgemeinen Presse überlassen, die Heuchelei zur praktischen Kompetenz von PTA geht weiter,die angeblichen Zukunftstätigkeiten bleiben im Nebel, zum eRezept nichts erhellendes,zur leistungsgerechten Bezahlung nichts, zur Fremdkapitalgestützten Infrastrukturzerstörung weniger als nichts(=Unterstützung) usw. Es macht Schwierigkeiten,
aufzuhören.Alles nicht zu übersehende, nicht sichtbar bearbeitete Führungsaufgaben.

Wer zu allem Wichtigen schweigt,wird nicht wahrgenommen und als nicht vorhanden und vernachlässigter eingestuft.Da ist es eine bodenlose Frechheit, die Einzelnen doch zu mehr Engagement aufzurufen.Sie können dieses Loch nicht stopfen.Sicher, es kann immer mehr oder besser gemacht werden.Aber ohne tragendes Vorbild und fassbare Perspektiven geht es nicht.

Keine Wahrnehmung ist der Preis für Schweigen.Keine Zukunft ist die Folge.Kommentarlost induziert von "unserer" Führung.

Vielleicht kommen Vorschläge zur Lösung der angeschnittenen Probleme oder Fragen dazu.Da könnte die DAZ ja auch unterstützen.Vielleicht kommt etwas in Bewegung.Der Stoff liegt rum.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Blech oder ABDA?

von Ulrich Ströh am 22.08.2021 um 8:46 Uhr

Ein Spiegeljournalist namens Blech pointiert die Polypharmazie für die interessierte Öffentlichkeit.

Und die ABDA schweigt weiterhin zu diesem , unserem Zukunftsthema .
Gibts dazu endlich konkrete Hinweise auf dem kommenden Apothekertag?

Warum überlassen wir Fachfremden dieses zukünftige Spielfeld ?

Wahrnehmbar geht anders.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mal emtionsarm betrachtet ….

von gabriela aures am 22.08.2021 um 8:28 Uhr

.,.. haben wir echt andere Baustellen als die PTAs „kleinzuhalten“ !
„ Denn dass eine PTA mal eben so einen approbierten Apotheker, eine approbierte Apothekerin mit deren gesamten Verantwortung vertritt, auch nur für ein paar Stunden – das kann doch nicht wirklich eine Lösung für Personalengpässe sein.“
Nein, tatsächlich soll und kann auch keine Lösung für echte Personalengpässe sein, sondern nur eine durchaus pragmatische Lösung, wenn InhaberInnen mal eben ein paar STUNDEN frei haben müssen. Sind schließlich auch nur Menschen, oftmals sogar mit Kindern oder Terminen !

Ganz nebenbei : die hieraus befürchtete (vermeintliche) Bedrohung für den Beruf des Apothekers ist eher dem Standesdünkel geschuldet .
Wir stehen vor viel größeren Umbrüchen und Risiken.

Aber solange unsere ABDA stillhält ( mittlerweile sogar im Keller, was man hört und sieht) ist ja alles gut und selbst von einer AG Honorar kann man in 14 Jahren keine Wunder erwarten.
(Ist GRO da noch mit dabei ? Oder hat sich die Zusammensetzung seit dem Gründungsjahr 2007 geändert ? Letztens habe ich die bei DAZ noch gefunden.,,)

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Mal emtionsarm betrachtet

von Dr.Diefenbach am 22.08.2021 um 11:19 Uhr

Schade dass Frau Aures nur noch selten schreibt...Ich stimme ihr wie so oft weitgehend ZU.Das Theater um die Vertretungsbefugnis für PTA :Das geht seit Jahren.Der Firewall um "uns" ist-logisch.massiv,ABER:Kommt es nicht täglich x-fach vor, dass KollegInnen mal "eben" den Betrieb verlassen(müssen),um etwas ausserhalb der Organisation Apotheke zu erledigen.Das bekommt gar keiner mit, insofern sind es auch oft PTAs ,
die sehr wohl das System "Apotheke" aufrecht erhalten.Und was ist daran so schlecht?Ich fasse da ein ganz heisses Eisen an:Viele der appobierten
KollegInnen,die heute in den Betrieben arbeiten, sind doch auf Grund ihrer Sprachkenntnisse weiter entfernt vom Kunden/Patienten als man das
annehmen kann.Leider stelle ich dies bei der Prüfung von PharmazeutInnen die von ausserhalb kommen, so sage ich das jetzt ,oft fest, dass der Wunsch eines Ratsuchenden in der Apotheke gar nicht VERSTANDEN wird!! Kann das die Zukunft sein? Und:Der Beruf hat es immer noch nicht erreicht,dass das "Image" welches uns zusteht(!),auch realisiert IST.Trotz Corona,trotz teilweisem Arbeiten an der Belastungsgrenze über lange Zeiträume.Oder irre ich mich da?Insofern steht nach meiner Ansicht einer partiellen Vertretung bei entsprechender Weiterqualifikation wenigstens eine Option offen, die heute nicht legal oft genutzt wird,,,
Dass unser PR Aktivist der ABDA nach wie vor im Glashaus agiert,dies ist auch nichts Neues.Über die Aussagen zB zum E-rezept finde ich wesentlich mehr
von Autoren ausserhalb des eigenen Dunstkreises als das was aus dem ABDA Haus nach draussen dringt.
Und zur "Honorardebatte um pharmazeutische Dienstleistung".das ist doch noch peinlicher als mancher aktuelle "Wahlkampf".Diese elende
Geheimnsikrämerei.dass nach einer Vielzahl von Jahren nicht mal eine konkrete Zahl auf dem Tisch liegt:Ist dies nicht viel schlimmer als das Diskutieren um eine partielle Vertretungsbefugnis für PTA,Und am Rande: unsere "Altvorexaminierten" vertreten auch.Dies geht in Ordnung.Aber ist deren Kenntnis-oder Wissensstand weiter als der einer PTA im ständigen Bildungsmodus?
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Generation Z, die ja offenkundig über Arbeitsmodelle andere Denkstrukturen an den Tag legt ,den Mitarbeiterbedarf nochmal deutlich nach oben fährt!! Und?Wenn der Grossteil fertiger Pharmazeuten liebt in andere Strukturen wechselt oder nach 3o Stunden erschöpft ist, dann bleiben eben Alternativdenkmodelle MIT Konsequenzen nicht aus!! Es geht hier nicht ums "mal eben" vertreten durch eine andere Berufsgruppe.Es geht um den Individualerhalt der Einzelapotheke.Oder wir übertragen schleichend die Vorortbetriebe mehr und mehr an KollegInnen,die dann auch auf Grund der Grösse irgendwann mit Fremdkapital agieren.Dann wird ohnehin Vieles umstrukturiert.
Die Diskussion um PTAS soll und muss weitergeführt werden.Denken ist nicht verboten!Und den Alleinanspruch hat keine(r) von uns!!






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