AvP-Insolvenz

Hoos hofft auf Musterprozess

Stuttgart - 29.07.2021, 10:45 Uhr

(Foto: picture alliance / Marcel Kusch; Kanzlei White & Case)

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Beim Düsseldorfer Rezeptabrechner AvP geht das Insolvenzverfahren seinen Gang. Von den rund 2.900 betroffenen Apotheken können lediglich 314 auf Aussonderungsrechte hoffen. Das steht im zweiten Bericht von Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos. Kurzfristigen Abschlagszahlungen für die anderen Apotheken erteilt er dagegen eine deutliche Absage und macht für diese Entscheidung Vertreter des Gläubigerausschusses sowie die Presse verantwortlich. Musterprozesse sollen vielmehr seiner Ansicht nach die weiteren Aussonderungsrechte klären.

Das Insolvenzverfahren beim Apothekenrechenzentrum AvP zieht sich weiterhin. Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos hat dem zuständigen Amtsgericht in Düsseldorf seinen zweiten Bericht vorgelegt, in dem er den aktuellen Stand beschreibt. Darin geht es einerseits um die Situation der Krankenhausapotheken, die über AvP mit den Kostenträgern abrechnen. Dieser Geschäftsbereich konnte bekanntlich fortgeführt werden. Hoos vereinbarte mit 130 Krankenhäusern eine entsprechende Fortführungsvereinbarung und rechnete die Rezepte der Monate September und Oktober 2020 ab. Schließlich konnte er diesen Teil der AvP-Gruppe Wettbewerber Noventi schmackhaft machen. Noventi bezahlte bereits 12 Millionen Euro, weitere zwei Millionen Euro flossen zwischenzeitlich aus dem variablen Teil des Kaufpreises der Insolvenzmasse zu. Die Fortführungsvereinbarung wird von der Finanzdienstleistungsaufsicht offenbar weiterhin abgesegnet.

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Weniger rosig sieht es dagegen bei den Offizinapotheken aus: Hoos ließ wie angekündigt etwaige Aussonderungsrechte durch eine Anwaltssozietät prüfen. Das Ergebnis teilte er bereits Anfang 2021 den betreffenden Apotheken mit. 314 Apotheken wurden Aussonderungsrechte an Forderungen gegen Kostenträger anerkannt. Von den insgesamt rund 2.900 Apotheken, die von der AvP-Insolvenz betroffen sind, verfügte dieser Bruchteil über abweichende Verträge mit Zusatzvereinbarungen, wonach die Rezeptforderungen nicht an AvP abgetreten wurden. Hoos hat darüber auch die Kostenträger informiert und vermerkt in seinem Bericht, dass nach seiner Kenntnis Zahlungen von den Krankenkassen an die Apotheken stattgefunden haben.

Als große Herausforderung beschreibt der Insolvenzverwalter die Zuordnungsarbeiten im Zusammenhang mit dem von ihm eingerichteten Treuhandkonto und den darauf befindlichen Geldern. Zahlungen der Kostenträger erfolgten regelmäßig in Form von Gesamtbeträgen, notiert er, und diese müssten anhand von Sammelabrechnungen auf die einzelnen, aussonderungsberechtigten Apotheken aufgeteilt werden. Erschwerend komme hinzu, dass die überwiesenen Gesamtbeträge in der Regel nicht mit dem Gesamtbetrag der Sammelabrechnung übereinstimmten, vor allem wegen der Retaxationen. Hoos sei hierbei auf detaillierte Informationen der Kostenträger angewiesen. 

Er geht davon aus, dass sich der Kreis der 314 Apotheken mit Aussonderungsrechten nicht sonderlich vergrößern wird: „Meine [und] extern beauftragte Prüfungen sind zu dem Ergebnis gelangt, dass Aussonderungsrechte an (weiteren) Forderungen gegen Kostenträger […] nicht bestehen.“ Diese Frage sei aber zwischen ihm und einigen Gläubigeranwälten weiterhin umstritten. Sieben Apotheken haben Klagen auf Aussonderung von Forderungen gegen Krankenkassen sowie von Altgeschäftskontoguthaben bei AvP eingereicht.

Vergleich ist passé, Musterprozesse sollen Aussonderungsrechte klären

Möglichen, kurzfristigen Abschlagszahlungen aus der Insolvenzmasse an die übrigen rund 2.600 Apotheken erteilt er eine klare Absage. In Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss hatte Hoos bekanntlich ein Vergleichsszenario entworfen. Dieses Szenario sei vertraulich bestimmt gewesen und habe nur dem Ausschuss sowie weiteren Apothekenvertretern sowie -verbänden zur Verfügung gestanden. „Bedauerlicherweise hat einer dieser Apothekenvertreter diese Vertraulichkeit nicht beachtet und Bestandteile des Entwurfs, noch dazu unzutreffend und verkürzt, der Presse zugespielt“, schreibt Hoos. Aus diesem Vorfall zieht er die Konsequenz, dass eine unvoreingenommene Auseinandersetzung nunmehr unmöglich geworden ist und eine gerichtliche Klärung erforderlich wird. 

Hoos schreibt davon, dass er eine „breite Zustimmung für ein koordiniertes Vorgehen“ erkennt. Sprich: Musterprozesse sollten seiner Ansicht nach weitere Aussonderungsrechte klären. Hierüber würden sich Apothekervertreter aktuell abstimmen und nach Abschluss der Beratungen mit einem Vorschlag auf Hoos zukommen. Daraufhin könnten den betreffenden Apotheken Mustervereinbarungen zum Beitritt angeboten werden. Der jeweilige Musterprozess soll dann innerhalb der jeweiligen Gruppe Bindungswirkung entfalten. Hoos befürwortet dieses Vorgehen ausdrücklich: „Es erscheint weder (kosten)effizient noch zielführend, eine Vielzahl von vergleichbaren Sachverhalten individuell gerichtlich geltend zu machen.“ 

Seit Beginn seiner Tätigkeit als – zunächst noch vorläufiger – Insolvenzverwalter legt Hoos einen Schwerpunkt auf die vermeintlich offenen Forderungen von AvP gegenüber den Krankenkassen aufgrund von Rabattverfall. Das Forderungspotenzial wird in einer Bandbreite zwischen 37,2 und 137,4 Millionen geschätzt, ausgehend vom Jahr 2013. Seine Prüfungen ergaben aber inzwischen, dass „zahlreiche zunächst als verspätet eingestufte Zahlungseingänge rechtzeitig erfolgt waren“. Für das Jahr 2016 konnte der Insolvenzverwalter beispielsweise nur rund 3,4 Millionen Euro geltend machen. Mit insgesamt 67 Kostenträgern hat Hoos eine Vereinbarung über die Neufestsetzung der Verjährung geschlossen. Andere wurde von ihm verklagt. Dabei geht es um Rabattverfallforderungen in Höhe von rund 200.000 Euro. Insgesamt konnte er mithilfe all dieser Anstrengungen einen Betrag in Höhe von 3232,81 Euro zusammenbringen.

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Darüber hinaus hat Hoos die Prüfung von Anfechtungsansprüchen gegen die Banken in die Wege geleitet. Zur Erinnerung: Als die Banken AvP am 4. September 2020 den Konsortialkredit kündigten, war es AvP von jetzt auf gleich nicht mehr möglich, den Apotheken für den Monat September ihre Abschläge zu zahlen. Ob sich aus diesem Vorgang Anfechtungsansprüche gegen das Bankenkonsortium ergeben, überprüft nun eine Anwaltskanzlei und wird Hoos sowie dem Gläubigerausschuss berichten.

Nach wie vor hält sich der Insolvenzverwalter bezüglich einer möglichen Quote bedeckt, „da die mögliche Spannbreite angesichts etwaiger Drittrechte erheblich ist“. Aktuell bewertet er die freie Masse im AvP-Vermögen äußerst konservativ mit rund 9,4 Millionen Euro. Die Kosten des Verfahrens (Gerichtskosten zuzüglich seiner eigenen Aufwendungen und Auslagen) beziffert er auf 1,5 Millionen Euro. Hoos‘ Bericht endet mit der Perspektive, dass das Insolvenzverfahren erst frühestens im Jahr 2022 abgeschlossen werden kann.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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