COVID-19, Lockdowns, Masken und Co.

Hagener Studie berechnet die Effizienz von Corona-Maßnahmen

Düssedorf - 26.07.2021, 09:15 Uhr

Je besser das Gesundheitssystem eines Landes, desto effizienter war auch der Lockdown, also umso weniger Menschen sind gestorben. (Foto: Corona Borealis / AdobeStock)

Je besser das Gesundheitssystem eines Landes, desto effizienter war auch der Lockdown, also umso weniger Menschen sind gestorben. (Foto: Corona Borealis / AdobeStock)


Fokus auf einzelne Kennzahlen wie die Inzidenz kritisch

Die Studie liefert laut der Wissenschaftler:innen wichtige Erkenntnisse über die Rolle, die das Gesundheitssystem in der Pandemiebekämpfung einnimmt. Sie zeige, dass ein Lockdown nur dann effizient sei, wenn das Gesundheitssystem finanziell gut ausgestattet sei.

Und sie bestätige, so die Forscher:innen, dass Entscheidungen über einen Lockdown nicht an einzelne Kennzahlen wie etwa die Inzidenz geknüpft werden sollten. „Der zu starke Fokus auf eine bestimmte Kennzahl zeugt meiner Meinung nach von einem gewissen Kontrollverlust der Politik, die teilweise viel zu zögerlich gehandelt hat. Ein strikter aber kurzer Lockdown wäre für die Wirtschaft und die Gesundheit der Bevölkerung besser gewesen als das komplizierte Regelwerk mit vielen Ausnahmen, das stattdessen eingeführt wurde“, sagt Schmerer.

Inzidenz-Kennzahl war anfänglich gut

In der Anfangsphase der Pandemie sei so etwa der Inzidenz-Wert „ein ganz gutes Mittel“ gewesen, „um das Infektionsgeschehen beurteilen zu können und um der Bevölkerung das Ausmaß der Gefahr bewusst zu machen, jedoch hätte man einem solch unverlässlichen Maß niemals zu viel Bedeutung zukommen lassen dürfen“, sagt der Professor. „In der Pandemie wurde das Bild vermittelt, dass man auf Basis einer einzigen Kennzahl die Situation jederzeit präzise einschätzen kann. Das halte ich für eine besonders gefährliche Entwicklung, denn es gibt aus gutem Grund Wissenschaftler, die sich ein Leben lang mit den Problemen bei der Interpretation von Zahlen beschäftigen“, sagt er.

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Für die sich nun anbahnende vierte Welle in Deutschland sei die Inzidenz für den Großteil der Bevölkerung bedeutungslos geworden, sagt Schmerer im Interview mit der DAZ. Jedoch bleibe ein kleiner Teil der Bevölkerung, der sich nicht schützen kann oder bei dem die Impfung eventuell keine Wirkung zeigt. „Für den Schutz dieser Menschen müssen sinnvolle Konzepte entwickelt werden, und zwar möglichst bald. Ein Lockdown ist richtig eingesetzt in der kurzen Frist ein gutes Mittel, um die Bevölkerung zu schützen, langfristig sind die sozialen und ökonomischen Kosten nicht tragbar.“

Investition in ein gutes Gesundheitssystem

Beim Gesundheitssystem sieht Schmerer Deutschland zwar gut aufgestellt, jedoch sehe er „Handlungsbedarf in der adäquaten Bezahlung der Beschäftigten im Gesundheitssektor“, um auch zukünftig ausreichend Personal für diese Jobs rekrutieren zu können.

In ihrer Studie kommen die Forscher:innen insgesamt zu dem Schluss, dass die wohl beste Maßnahme zur Prävention künftiger Pandemien weltweit vor allem darin bestehe, in ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem zu investieren – insbesondere in den Entwicklungsländern.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Nonsens

von Jörg Geller am 26.07.2021 um 10:32 Uhr

Die Studie stellt richtig nicht die Anzahl Infizierter in den Mittelpunkt, sondern die Anzahl Toter. Auch diese Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu genießen und sicherlich nur bedingt international vergleichbar. Da mit Ausnahme von Schweden praktisch alle Länder mehr oder weniger ausgeprägte und andauernde Lockdown-Maßnahmen verhängt haben, ist es richtig, andere Faktoren zu suchen, die den unterschiedlichen Outcome erklären können. Die Qualität des Gesundheitswesens ist ein plausibler Faktor. Ein weiterer Faktor wäre die Qualität der Altenheim-Versorgung gewesen. Immerhin stammen ein großer Teil der Toten von dort. Die Schlussfolgerung, dass Lockdown-Massnahmen umso effektiver wären, je besser das Gesundheitswesen ausgestattet ist, überzeugt nicht. Das beweißt Schweden. Das schwedische Gesundheitswesen ist zwar gut, nicht jedoch dem deutschen oder französischen System überlegen. Dennoch ist der Outcome in Schweden deutlich besser als in UK oder Frankreich. Einen Lockdown gab es dort nie. Schweden hätte sogar besser als Deutschland abgeschnitten, wenn es dort nicht die vielen Toten in Altenheimen am Anfang der Pandemie gegeben hätte. Richtig müsste das Ergebnis der Studie also lauten: Die Qualität des Gesundheitswesens hat einen Einfluss auf die Anzahl Toter. Ob ein Lockdown eine Wirkung hat läßt sich nicht sagen, weil sich dahingehend die untersuchten Länder nicht wesentlich unterscheiden. Das Abschneiden Schwedens legt jedoch nahe, dass der Einfluss nicht pharmazeutischer Interventionen eher gering ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Nonsens

von Lisa am 26.07.2021 um 18:34 Uhr

Nonsens, das kann ich nur bestätigen. Eine Verbindung zur Wirkung von Lockdowns lässt sich nicht herstellen!

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