Arzneimittelversorgung älterer Menschen

Priscus-Liste zeigt Wirkung

Remagen - 13.07.2021, 07:00 Uhr

Einige Arzneimittel sind für ältere Menschen ungeeignet. Die Priscus-Liste hilft Verordnern und Apotheken bei der Orientierung. (Quelle: wernerimages / AdobeStock)

Einige Arzneimittel sind für ältere Menschen ungeeignet. Die Priscus-Liste hilft Verordnern und Apotheken bei der Orientierung. (Quelle: wernerimages / AdobeStock)


Vor rund zehn Jahren wurde in Deutschland erstmals eine Liste von Wirkstoffen erstellt, die für ältere Menschen potenziell ungeeignet sind, weil das Nutzen-Risiko-Verhältnis anders zu beurteilen ist als bei jüngeren. Die so genannte Priscus-Liste kommt offenbar in der ärztlichen Praxis gut an. Dies stellt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) mit seiner Grafik des Monats Juni heraus. Hiernach hat die Zahl der Patienten mit einer Verschreibung eines Wirkstoffs auf der Liste deutlich abgenommen.

Aufgrund der Multimorbidität nehmen ältere Menschen prozentual am meisten und häufig sehr vielfältige Medikamente ein. Gleichzeitig ist das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöht, weil die Pharmakodynamik und Pharmakokinetik sich im Alter verändern, etwa durch eine verzögerte Ausscheidung über die Niere, und weil die Polypharmazie mehr Arzneimittel-Wechselwirkungen verursacht.

83 Arzneistoffe aus 18 Arzneistoffklassen

Im Rahmen des Aktionsplans Arzneimitteltherapiesicherheit 2008/2009 des Bundesministeriums für Gesundheit wurde angeregt, dieses Problem einmal näher zu untersuchen. Als Ergebnis erstellte der Projektverbund Priscus (von lat. priscus, altehrwürdig), der sich mit der Gesundheit und Gesundheitsversorgung alter Menschen befasst, eine Liste von Arzneimitteln, die für diese Altersgruppe möglicherweise ungeeignet sind. Die Priscus-Liste wurde nach einer zwei Runden umfassenden, strukturierten Expertenbefragung (Delphi-Methode) finalisiert und im August 2010 im Deutschen Ärzteblatt vorgestellt und veröffentlicht.

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Als Ergebnis wurden 83 Arzneistoffe aus 18 Arzneistoffklassen als potenziell inadäquate Medikation (PIM) für ältere Patienten bewertet, darunter zahlreiche Antidepressiva, Bluthochdruckmittel und Sedativa. In der Zwischenzeit haben sich nach Angaben der Projektbeteiligten relevante Änderungen auf dem deutschen Arzneimittelmarkt ergeben. Außerdem wurden weitere Analysen von Nebenwirkungsprofilen verschiedener Arzneistoffe veröffentlicht. Deswegen wird die Priscus-Liste derzeit aktualisiert.

Wertvolle Hilfestellung

Die Priscus-Medikationsempfehlungen sind als Hilfestellung und zur Unterstützung von Ärzten und Apothekern gedacht. Die Liste erhebt weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch ersetzt sie die Nutzen-Risiko-Abwägung für den einzelnen Patienten. Sie umfasst nicht nur die potenziell inadäquaten Wirkstoffe, sondern führt auch die wesentlichen Bedenken gegen die Therapie auf. Außerdem werden Maßnahmen empfohlen, um die möglichen Risiken zu verringern, falls ein Arzneimittel trotzdem verwendet werden soll, und es werden Therapiealternativen genannt. Die Hilfe wird von den behandelnden Ärzten offenbar intensiv genutzt.

Immer mehr ältere Patienten ohne Priscus-Medikation

Nach Angaben des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat der Anteil der gesetzlich krankenversicherten Patienten ab 65 Jahren mit mindestens einer Verordnung eines Wirkstoffs von der Priscus-Liste (bezogen auf alle Patienten mit mindestens einer Verordnung) im Zeitraum von 2009 bis 2019 deutlich abgenommen.

Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi)

Während im Jahr 2009 noch rund 3,35 Millionen Versicherte, also 25 Prozent aller Patienten in dieser Altersgruppe mindestens einmal einen Wirkstoff von der Liste verschrieben bekamen, waren es Jahre später nur noch 2,4 Millionen, also 16 Prozent. Dies hat das Zi anhand von Arzneiverordnungsdaten gemäß § 300 SGB V ermittelt.

„In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für Wirkstoffe, die für ältere Patientinnen und Patienten potenziell ungeeignet sein könnten, gewachsen“, stellt der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung Dominik von Stillfried fest. „Die Verordnung kann trotzdem indiziert sein, mit der Priscus-Liste haben Ärzte seit einigen Jahren aber eine Entscheidungshilfe zur Hand, die bei der Suche nach der für die Patientinnen und Patienten am besten geeigneten Medikation unterstützt. Dies schlägt sich in der Verordnungspraxis nieder.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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