Superfoods-Beratungswissen – Teil 18

Meeresgemüse – Algen gegen milliardenfachen Hunger?

Stuttgart - 07.07.2021, 07:00 Uhr

Keine andere Nahrungspflanze erzeugt in so kurzer Zeit so viel Biomasse wie Algen. Ein Nährstoffwunder sind sie jedoch nicht. Aufgrund des hohen Iodgehalts sollten sie mit Bedacht konsumiert werden. (Foto: Elena Schweitzer / AdobeStock)

Keine andere Nahrungspflanze erzeugt in so kurzer Zeit so viel Biomasse wie Algen. Ein Nährstoffwunder sind sie jedoch nicht. Aufgrund des hohen Iodgehalts sollten sie mit Bedacht konsumiert werden. (Foto: Elena Schweitzer / AdobeStock)


Blickpunkt Makroalgen

In Asien werden Algen schon seit Jahrtausenden von den Menschen genutzt. Die wichtigsten Makroalgen, die heutzutage für die Ernährung verwendet oder weiterverarbeitet werden, unterscheidet man nach ihrer braunen, roten oder grünen Farbe. Die unterschiedliche Pigmentierung dient der optimalen Lichtausnutzung in den jeweiligen Gewässern. 
Braunalgen (auch Kelp genannt) sind fädig oder blattartig und stammen aus asiatischen, südamerikanischen und europäischen Meeren. Der Blasentang Fucus vesicolosus ist ebenso eine Braunalge wie die in der asiatischen Küche verwendeten Blätter von Hijiki, Kombu, Wakame (auf Deutsch Seegras oder Seetang). Industriell extrahiert man aus Braunalgen Iod sowie das Polysaccharid Alginat. Alginsäure bzw. Algin bildet eine Gelmatrix, die den Braunalgenblättern Festigkeit und Flexibilität verleiht. Diese Eigenschaften macht sich die Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie zunutze, indem sie Alginate als Verdickungs- und Gelierhilfen einsetzt. In der Medizin spielen Alginate vor allem in der Wundversorgung eine Rolle.  
Die Rotalge Nori wird – getrocknet und geröstet – als Hülle für Sushi verwendet, aber auch als Suppeneinlage. Im industriellen Maßstab werden aus Nori das Hydrokolloid Carrageen und das gelbildende Agar-Agar gewonnen, ein üblicher Zusatzstoff zum Andicken von Fleischwaren, Desserts, Milchprodukten oder Fertigsuppen.  
Die Grünalge Ulva kommt weltweit an Meeresküsten vor und erinnert vom Aussehen her entfernt an ein Salatblatt. Man nennt sie daher auch Meersalat. Sie wird als Nahrungs-, Futter- und Düngemittel verwendet.  

Algen als Gemüse und Salat

In Südostasien werden Makroalgen tonnenweise als Nahrungsmittel verzehrt. Sie schmecken meist intensiv nach Meer, würzig-salzig oder auch leicht süßlich. Manche Algen sind auch so gut wie ohne Geschmack. In der Küche verwendet man Algen roh oder gedünstet als Gemüse, Suppeneinlage, Salat, als Zutat für Sushi oder Wok-Gerichte. Frische Algenblätter enthalten zu 90 Prozent Wasser und sind daher kalorienarm. Die Inhaltsstoffe von Algen sind sehr stark abhängig von der Wasserqualität der Umgebung. Der Anteil an Proteinen liegt bei ca. 6 Prozent, an Kohlenhydraten bei ca. 2 Prozent, an Fett bei ca. 0,5 Prozent. Häufig werden höhere Nährwertanteile genannt, die sich dann jedoch auf getrocknete Algen beziehen. Auch Eisen und Calcium sowie die Vitamine C, B12 und Beta-Carotin sollen enthalten sein. 

Achtung, Iod!

Vorsicht ist beim Verzehr von Meeresalgen wegen eines möglicherweise zu hohen Iodgehalts geboten, was vor allem für Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion oder so genannten heißen Knoten an der Schilddrüse gefährlich werden kann. Wer Algen in der Küche selbst zubereitet, kann durch gründliches Waschen und Einweichen den Iodgehalt verringern. 
Die Beurteilungen, ob der Verzehr von Meeresalgen gesund ist oder nicht, fallen unterschiedlich aus. Neben einem schwer einzuschätzenden Iodgehalt können Algen durchaus schadstoffbelastet sein und zum Beispiel auch die im Meer heutzutage weit verbreiteten Mikro-Kunststoffpartikel enthalten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen und Jugendlichen, nicht mehr als 0,2 Milligramm Iod pro Tag beziehungsweise ein Gramm Algen pro Tag zu verzehren. Es gibt in Deutschland keine Verpflichtung, den Iodgehalt von Algenprodukten zu deklarieren. Trotzdem weisen einige Hersteller die durchschnittlichen Iodgehalte ihrer Produkte aus und informieren auch über Grenzwerte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fordert für getrocknete Algenprodukte eine Höchstgrenze von 20 Milligramm Iod pro Kilogramm.

Blickpunkt Mikroalgen

Unter dem Begriff Mikroalgen werden mikroskopisch kleine Arten zusammengefasst. Zu ihnen gehören insbesondere einzellige oder mehrzellige Algen-Winzlinge, aber auch die ein- und mehrzelligen Cyanobakterien, die nur aufgrund ihres Aussehens den Algen zugeordnet werden. Die bekanntesten dieser grünen und blaugrünen Algen, die vom Menschen genutzt werden, sind 

  • Chlorella,
  • Spirulina und
  • AFA-Algen (=Aphanizomenon flos aquae).

Inhaltsstoffe von Mikroalgen sind Polysaccharide, Proteine, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Farbstoffe (Chlorophyll, Betacarotin), Vitamine und Mineralstoffe. Die Algenproteine sind biologisch hochwertig und können somit durchaus eine interessante Eiweißquelle für den Menschen darstellen. 
Mikroalgen spielen in der Lebensmittel-, Kosmetik und Pharmaindustrie zunehmend eine Rolle, deshalb werden sie immer häufiger in Aquakulturen und Bioreaktoren gezüchtet, auch um eine verlässliche Qualität sicherzustellen.



Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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