Gutachten zur E-Rezept-App

Wie sicher ist die Gematik-App?

Süsel - 01.07.2021, 15:00 Uhr

Die Gematik hat ihre E-Rezept-App prüfen lassen und ist nun überzeugt: Sie ist eine „sichere Sache“. (Foto: pressmaster / AdobeStock)

Die Gematik hat ihre E-Rezept-App prüfen lassen und ist nun überzeugt: Sie ist eine „sichere Sache“. (Foto: pressmaster / AdobeStock)


Die App der Gematik für das E-Rezept ist da – und dies wird von der Gematik öffentlichkeitswirksam verkündet. Um für Vertrauen zu sorgen, veröffentlicht die Gematik die aufwendigen Gutachten zur Sicherheit. Dabei wird allerdings deutlich, dass in den Details noch einige Arbeit steckt. Insbesondere zeichnet sich ein neuer grundsätzlicher Streit zum Datenschutz ab.

Pünktlich zum Start des E-Rezepts am 1. Juli bietet die Gematik ihre lange erwartete „offizielle“ App an, die den Patienten einen sicheren Umgang mit E-Rezepten ermöglichen soll. Die Gematik hat diese App selbst entwickelt und die Spezifikationen für das E-Rezept bereitgestellt. Die Einschränkungen insbesondere bei der Authentifizierung der Nutzer werden seit Wochen diskutiert. Doch so lange die App nicht vorlag, gab es keine Antwort auf die Frage, ob die App selbst sicher ist. Dazu liegen nun ausführliche Gutachten vor. Die Gematik holt zu den von ihr spezifizierten Produkttypen externe Sicherheitsgutachten von akkreditierten Gutachtern ein. In technisch komplexeren Fällen gibt es zusätzlich ein Produktgutachten. Die Gematik folgt damit einer gesetzlichen Pflicht (§ 360 Abs. 10 SGB V). Für die App zum E-Rezept hat die Gematik beide Gutachten eingefordert und diese freiwillig veröffentlicht. 

Große Worte von Gematik und BSI

Holm Diening, Leiter Sicherheit bei der Gematik, erklärt dazu: „Wir veröffentlichen das Gutachten zur E-Rezept-App, um Transparenz im Sinne der Vertrauensbildung herzustellen“. Das entspreche dem Anspruch an eine offene Kommunikation. Daher sei die Software der Gematik, die Standard für den E-Rezept-Fachdienst vorgibt, auch öffentlich zugänglich. Inhaltlich erklärt die Gematik, die Gutachter würden bestätigen, „dass einer kontrollierten Inbetriebnahme in den Produktionsbetrieb nichts im Wege steht und die Anwendungen somit Teil der Telematikinfrastruktur werden können“. 

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Das E-Rezept kommt mit kleinen Schritten

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat die Informationssicherheit der App bestätigt und damit die Freigabe erteilt. BSI-Präsident Arne Schönbohm bezeichnet das E-Rezept als echten „Meilenstein in der Digitalisierung des Gesundheitswesens“. Es werde vielen Patienten das Leben erleichtern und ihnen beschwerliche Wege ersparen. In einer Pressemitteilung des BSI wird die medienbruchfreie Versorgung hervorgehoben und auf die bundesweite Einführung des E-Rezepts im vierten Quartal hingewiesen. Dabei wird der Eindruck vermittelt, die Ablösung des Papierrezepts stehe unmittelbar bevor. In den detaillierten Berichten wird hingegen deutlich, dass noch einige Arbeit zu leisten ist. 

Freigabe nur für den Testbetrieb

Das Produktgutachten wurde von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erstellt. Diese habe bei der Prüfung der Sicherheit der Anwendung die technisch implementierten Anforderungen hinsichtlich der Wirksamkeit analysiert und die Effektivität bewertet. Dabei sei kein Versagen festgestellt worden. Zu den Gematik-Anforderungen seien keine Sicherheitslücken festgestellt, sondern nur acht Empfehlungen ausgesprochen worden, die derzeit durch die Gematik umgesetzt würden.  

Außerdem würden 23 Anforderungen aus der Vorschrift des BSI nicht erfüllt. Eine Risikoanalyse habe ergeben, dass die Restrisiken in „einem begrenzten Test- und Probebetrieb hinnehmbar“ seien, wenn alle Teilnehmer darüber informiert seien, dass die App noch nicht in ihrer endgültigen Fassung vorliegt. Beispielsweise gebe es keine Warnung, wenn der Zugriff auf das Smartphone weder mit einem Code noch über einen Fingerabdruck gesichert sei. Für zehn Abweichungen habe das BSI die Auflage erteilt, dass Maßnahmen zur Behebung bis Ende 2021 umgesetzt werden sollen bzw. müssen, heißt es von der Gematik. Der von der Gematik so demonstrativ herausgestellte Prüfungsbericht ist also durchaus kein Freifahrschein, sondern eher ein Ticket für einen zeitlich begrenzten Probebetrieb. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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