Chargenrückrufe in Kanada

Wegen N-Nitrosovareniclin – Pfizer pausiert Champix-Vertrieb weltweit

Stuttgart - 30.06.2021, 17:50 Uhr

Das britische „National Centre for Smoking Cessation and Training“ (NCSCT) hat bereits am 16. Juni 2021 auf den Champix-Engpass von Pfizer reagiert – mit der Erstellung eines klinischen Leitfadens für Alternativen. (Foto: IMAGO / suedraumfoto)

Das britische „National Centre for Smoking Cessation and Training“ (NCSCT) hat bereits am 16. Juni 2021 auf den Champix-Engpass von Pfizer reagiert – mit der Erstellung eines klinischen Leitfadens für Alternativen. (Foto: IMAGO / suedraumfoto)


NCSCT empfiehlt Wechsel auf Nikotin-Ersatz-Therapie

Das britische „National Centre for Smoking Cessation and Training“ (NCSCT) hatte bereits am 16. Juni 2021 auf den Champix-Engpass von Pfizer reagiert – mit der Erstellung eines klinischen Leitfadens und eines FAQ-Dokuments für die Umstellung auf ein anderes Präparat. Es handelt sich beim NCSCT nach eigenen Angaben um ein soziales Unternehmen, das auch den NHS bei Programmen zur Raucherentwöhnung unterstützt.

Im Leitfaden heißt es, dass es zwar kaum Evidenz zur Umstellung von Champix auf ein anderes Präparat gebe. Es wird aber erklärt, dass viele Ärzt:innen aus ihrer Erfahrung in der Raucherentwöhnung schon Patient:innen kennen dürften, die unter Nebenwirkungen von Champix litten und stattdessen eine Nikotin-Ersatz-Therapie (NRT) haben wollten.

Wer erst jetzt mit der Raucherentwöhnung beginnt, sollte direkt zu NRT oder Bupropion greifen, auch E-Zigaretten (Vaping) werden als Option genannt. Bupropion ist den Expert:innen zufolge allerdings keine geeignete Alternative für Patient:innen, die bislang Champix verwenden. Stattdessen empfehlen sie eine kombinierte NRT-Behandlung – bestehend aus Nikotinpflaster mit einem schnell wirkenden Produkt wie einer Lutschtablette, einem Nasenspray oder einem Mundspray.

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Erst kürzlich wurde in Deutschland die Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ aktualisiert. Dort wird unter „Arzneimittel zur Entzugsbehandlung und Rückfallprophylaxe (z. B. Nikotinersatztherapie, Bupropion, Vareniclin, andere Antidepressiva und nicht zu berücksichtigende Stoffgruppen)“ die 

  • Nikotinersatztherapie mit dem Empfehlungsgrad A gelistet.
  • Auch das Antidepressivum Bupropion soll demnach mit dem Empfehlungsgrad A zur Tabakentwöhnung angeboten werden.
  • Die gleiche Empfehlung gilt für den partiellen Nikotinrezeptoragonisten Vareniclin.

In Großbritannien gibt es genauso wie in Deutschland noch keine Generika zum von Pfizer patentierten Champix. Medien aus Korea, die schon am 15. Juni von der Nitrosamin-Problematik im Zusammenhang mit Vareniclin berichteten, erklärten hingegen, dass es dort bereits 34 Generika-Hersteller auf dem Markt gebe. Einem weiteren koreanischen Bericht ist (via Google-Translator!) zu entnehmen, dass Champix für Korea in Belgien hergestellt werde. Von DAZ.online darauf hingewiesen, reagierte Pfizer auf diese Information nicht. 

Erst am 7. Januar 2021 hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Deutschland das vorläufige Ruhen aller Zulassungen von ranitidinhaltigen Arzneimitteln bis zum 2. Januar 2023 angeordnet. Hintergrund waren auch dort Nitrosaminverunreinigungen – die weltweite Nitrosaminkrise hatte im Sommer 2018 mit dem Blutdrucksenker Valsartan ihren Anfang angenommen.

Zu Vareniclin hat sich das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) gegenüber DAZ.online noch nicht geäußert. Seit dem 24. Juni wurde aber medial vermehrt über den weltweiten Vertriebsstopp von Champix durch Pfizer berichtet. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA schrieb auf Anfrage an DAZ.online, dass sie und die nationalen Behörden der EU „das Vorhandensein einer Nitrosamin-Verunreinigung, N-Nitroso-Vareniclin, in Champix (Vareniclin), einem Medikament zur Raucherentwöhnung“ untersuchen. Sollte es einen Bedarf für regulatorische Maßnahmen geben, meint die EMA, werde sie auf ihrer Website ein Update zur Verfügung stellen. „In der Zwischenzeit sollten die Menschen ihre Champix-Arzneimittel weiterhin wie gewohnt gemäß den Anweisungen in der Produktinformation verwenden.“ 

Die EMA weist außerdem darauf hin, dass in der EU mittlerweile neue Maßnahmen gelten, die sicherstellen sollen, dass die Unternehmen über geeignete Kontrollstrategien verfügen, um das Vorhandensein von Nitrosamin-Verunreinigungen so weit wie möglich zu verhindern. Entsprechende Maßnahmen hätten nun auch zur Entdeckung der Nitrosamin-Verunreinigung in Champix geführt und würden einen Fahrplan für die Umsetzung von Korrekturmaßnahmen vorsehen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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