Interview mit Prof. Kremsner zum Curevac-Impfstoff

Hat CVnCoV noch eine Chance auf Zulassung?

Stuttgart - 28.06.2021, 17:50 Uhr

Könnte CVnCoV trotz der vorläufigen Wirksamkeit von lediglich 47 Prozent noch zugelassen werden? (Foto: IMAGO / photothek)

Könnte CVnCoV trotz der vorläufigen Wirksamkeit von lediglich 47 Prozent noch zugelassen werden? (Foto: IMAGO / photothek)


Viel wird derzeit spekuliert, warum der mRNA-Impfstoff von Curevac nicht die gleiche Wirksamkeit erreicht, wie die Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna. DAZ.online hat darüber mit Professor Kremsner von der Universitätsklinik Tübingen gesprochen – er hat die Studie geleitet. Geht er noch von einer Zulassung von CVnCoV aus? Und was hält der Infektiologe vom in Bälde erwarteten Novavax-Impfstoff?

47 Prozent: Diese Zahl saß. In der zulassungsrelevanten Phase 2b/3-Studie blieb der Curevac-Impfstoffkandidat CVnCoV vorläufigen Ergebnissen zufolge deutlich hinter den Erwartungen zurück – und klar unter der Wirksamkeit der beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Das erstaunte im Besonderen, setzen doch Biontech, Curevac und Moderna alle auf die mRNA-Technologie. Was sind die Gründe für die schlechtere Wirksamkeit bei Curevac? Die Varianten, das Impfstoffdesign, die Dosis? DAZ.online hat mit dem Studienleiter, Professor Peter Kremsner von der Universitätsklinik Tübingen, gesprochen. Für ihn steht fest: Die Varianten sind nicht schuld.

„Es liegt an der Dosis“

Nach Einschätzung des Infektiologen und Tropenmediziners liegt es an der eingesetzten Impfstoffdosis: „Wir konnten nicht höher als 12 µg dosieren – da waren wir, was die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes angeht, am Anschlag“, erklärt Kremsner. „Doch sehr wahrscheinlich war diese mRNA-Menge dann letztlich zu wenig immunogen.“ Auch er hatte bessere Wirksamkeitsdaten erwartet: „Ich hatte mir erhofft, dass das Konzept der natürlichen mRNA-Sequenz, wie Curevac sie nutzt, funktioniert oder eventuell sogar besser wirkt als modifizierte mRNA“, doch die Wirksamkeitsdaten seien nun „sehr deutlich“.

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Hat also Curevac mit unmodifizierter mRNA auf das falsche Pferd gesetzt? Das kann Kremsner in dieser „Art und Schärfe“ nicht bestätigen: „Wir haben ja einen Effekt gesehen, der bei etwa 50 Prozent Wirksamkeit liegt und nun nicht ganz schlecht ist“, auch wenn die Wirksamkeit verglichen mit der von Biontech oder Moderna zurückbliebe. Doch sieht er die Wirksamkeit durchaus auf dem Niveau der AstraZeneca-Vakzine Vaxzevria®.

Keine höhere Dosierung wegen Nebenwirkungen

Doch was machte CVnCoV ab 12 µg so unverträglich – denn auch 16 bis 20 µg wurden untersucht –, sodass weitere Dosiseskalationen unmöglich waren? Laut Kremsner traten die „üblichen“ Nebenwirkungen auf, die man auch nach anderen COVID-19-Impfungen beobachtet – nichts „Auffälliges“ oder „Besonderes“. Die Geimpften berichteten über unerwünschte Impfwirkungen, wie lokale Schmerzen an der Injektionsstelle oder systemische Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit. Allerdings lag die UAW-Rate bei 100 Prozent. Das heißt: Jeder Geimpfte hatte Nebenwirkungen. Und gerade bei Jüngeren seien die unerwünschten Wirkungen sehr ausgeprägt gewesen.

Eigentlich hätte man von CVnCoV sogar eine stärkere Immunantwort erwartet als bei Biontech/Pfizer und Moderna: Natürliche mRNA soll immunogener wirken als mit Pseudouridin modifizierte – wobei Kremsner auch dies mittlerweile „bezweifelt“, weil die Ergebnisse der Studien von Biontech und Moderna „sehr überzeugend“ seien. Allerdings kann der Schuss mit einer besseren Immunogenität auch nach hinten losgehen, wenn die mRNA bestimmte Signalmoleküle – unter anderem Interferone – stimuliert, die wiederum über T-Helferzellen und die Bildung von neutralisierenden Antikörpern bremsen könnten. Ob das aber tatsächlich dafür ursächlich ist, dass die Immunogenität von CVnCoV nur mäßig ausfällt? „Wahrscheinlich ist das der Grund – wir können es aber noch nicht genau sagen“, räumt Kremsner ein.

Ist eine Zulassung noch realistisch?

Die Möglichkeit einer Zulassung besteht nach Einschätzung von Kremsner durchaus noch. Wie genau die endgültige Punktschätzung für CVnCoV, wenn bis in drei Wochen das letzte Drittel der Fälle ausgewertet sei, ist seiner Ansicht nach „mehr oder weniger belanglos“. Im besten Fall geht Kremsner von etwa 60 Prozent aus, im schlechtesten Falle von 30 Prozent – und selbst dann sei CVnCoV noch „zulassbar“. „Das entscheiden einzig und allein EMA und EU“. Ob die EMA diesen Schritt so gehe, wisse man klar derzeit nicht, doch ist Kremsner optimistisch: „Ich nehme an – eher schon“.  Auch bestehe die Option, dass einzelne Länder nationale Zulassungen anstrebten, wie Ungarn es bereits bei Sputnik V getan hatte, obwohl der Infektiologe diese nationalen Alleingänge nicht gutheißt.

„AstraZeneca würde ich nicht mehr empfehlen“

Kritisch steht Kremsner mittlerweile dem Vektorimfpstoff von AstraZeneca gegenüber. Von Anfang an sei Vaxzevria „ganz klar der am schlechtesten wirksame Impfstoff“ gewesen: 60 Prozent gegen 95 Prozent bei den mRNA-Impfstoffen, erinnert Kremsner. Solange man jedoch keine großen Alternativen gehabt habe, hielt er den Einsatz für gerechtfertigt. Mittlerweile verfüge man jedoch weltweit über 14 zugelassene Impfstoffe, und allein in Europa könne man auf drei andere zurückgreifen, die mittlerweile auch ausreichend produziert würden. Daher rät Kremsner von der AstraZeneca-Vakzine klar ab: „Vaxzevria® ist zu schlecht wirksam und bei den Varianten noch schlechter wirksam, während Biontech/Pfizer und Moderna hier standhalten und auch der J & J-Impfstoff gut ist“. Auch seien Verträglichkeit und Sicherheit bei AstraZeneca „relativ schlecht“. Obwohl das Risiko nach einer Impfung zu versterben kaum größer sei als 1 zu 1.000.000, sei dieses bei den anderen Impfstoffen jedoch noch niedriger.

Als „guten Ansatz“ bewertet Kremsner Vektorimpfstoffe jedoch, wenn sie im Rahmen von heterologen Impfserien mit einem mRNA-Impfstoff kombiniert werden. „Die heterologe Impfung funktioniert hinsichtlich der Immunogenität besser“, argumentiert er. Bei der Wirksamkeit gebe es zwar noch keine ausreichenden Daten, doch geht er auch hier von einer verbesserten Impfeffektivität aus. Vor allem kann sich Kremsner hier den Johnson & Johnson Impfstoff als guten Partner mit mRNA-Impfstoffen für gemischte Impfserien vorstellen. Warum Johnson & Johnson und nicht AstraZeneca? „Die Wirksamkeit liegt nach einmaliger Johnson & Johnson-Impfung bereits bei 67 Prozent und damit höher als bei AstraZeneca, zudem treten tromboembolische Ereignisse unter der Janssen-Vakzine seltener auf als bei Vaxzevria“.

Novavax: „Exzellent“

Kurz und eindeutig fällt auch die Bewertung der noch nicht zugelassenen Novavax-Vakzine aus: „Exzellent“, so die Einschätzung von Kremsner, und das „in jeder Hinsicht“. Novavax hatte etwa zeitgleich mit Curevac Phase-III-Daten veröffentlicht und proklamiert für seinen Impfstoff eine Wirksamkeit von 90 Prozent. Nach Angaben von Novavax sollen auch die Varianten sehr gut adressiert werden. Novavax verfolgt ein anderes Prinzip als mRNA oder Vektor: Novavax enthält ein in Baculoviren und Insektenzelllinien rekombinant hergestelltes SARS-CoV-2-Spikeprotein, dessen immunstimulierende Wirkung durch ein Adjuvans auf Saponinbasis verstärkt wird.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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