Zimpfen.de stellt seinen Service ein

BMG: Keine Zertifikate per Videosprechstunde

Dresden - 23.06.2021, 17:50 Uhr

Beim Erstellen digitaler COVID-19-Impfzertifikate besteht das Bundesministerium für Gesundheit auf eine haptische Prüfung des analogen Impfnachweises. (Bild: IMAGO / Christian Ohde) 

Beim Erstellen digitaler COVID-19-Impfzertifikate besteht das Bundesministerium für Gesundheit auf eine haptische Prüfung des analogen Impfnachweises. (Bild: IMAGO / Christian Ohde) 


Ärzte und IT-ler aus Nordrhein-Westfalen haben digitale Impfnachweise via Internet angeboten. Kassenärztliche Vereinigung und Ärztekammer hielten den Service für rechtlich unzulässig. Und auch das Bundesgesundheitsministerium stellt klar: Für das Ausstellen der Zertifikate ist ein unmittelbarer persönlicher Kontakt nötig. Nun ist das Angebot vom Netz. Zurück bleibt ein enttäuschter Arzt.

Über die Website zimpfen.de konnten sich Geimpfte ein digitales Impfzertifikat bestellen. Alles sollte einfach und schnell funktionieren, der Nachweis der notwendigen Dokumente per selbst erstelltem Video und Onlineantrag genügte. Das Angebot sei kostenlos, die Finanzierung erfolge über die Abrechnung mit der kassenärztlichen Vereinigung bzw. mit dem Bund, schrieb der Betreiber der Seite, Dr. Christian Brodowski aus Essen. Doch damit ist erstmal Schluss. Denn inzwischen bietet Brodowski seinen Service nicht mehr an.

Auch am heutigen Mittwoch ist die Website zimpfen.de zwar noch am Netz, allerdings steht dort geschrieben: „Leider müssen wir unseren Service bis auf Weiteres einstellen. Wir haben uns gefreut, mit euch ein kleines Projekt für einen Funken mehr Digitalisierung durchzuführen, und danken euch für eure Teilnahme. Wir haben viel Support und positives Feedback bekommen und hätten wirklich gerne mit unserem kontaktlosen Verfahren weitergemacht. Leider haben uns diverse Stellen mitgeteilt, dass ihre und unsere Rechtsauffassung bzgl. der Zulässigkeit digitaler Methoden für die Ausstellung des digitalen Impfzertifikats stark differieren.“ Um eine langwierige und kostspielige juristische Auseinandersetzung zu vermeiden, „sind wir nun offline“.

KV Nordrhein: Angebot rechtlich nicht in Ordnung

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, die der Arzt als Rechtsaufsicht auf seiner Website angab, hatte auf Nachfrage erklärt, Brodowskis Angebot sei rechtlich nicht in Ordnung. Zudem wollte die KV Kontakt zu dem Arzt aufnehmen, „der für dieses Angebot verantwortlich ist“. Das ist offenbar geschehen. Inzwischen hat sich auch die Ärztekammer Nordrhein geäußert. Wie eine Sprecherin sagte, erfüllt die Website zimpfen.de „aus unserer Sicht nicht die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Nr. 2 IfSG (Infektionsschutzgesetz), wonach eine Impfdokumentation ,vorgelegt‘ werden muss, um eine Überprüfung der Dokumente zu gewährleisten und eine missbräuchliche Ausstellung auszuschließen. Wir haben uns diesbezüglich auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein kurzgeschlossen, die das genauso einschätzt.“

Am gestrigen Dienstag erklärte zudem ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gegenüber DAZ.online die Rechtslage. Demnach ist ein Angebot von Apotheken oder Arztpraxen unzulässig, wenn die Ausstellung eines digitalen Impfnachweises auf Basis einer gescannten Version des Impfnachweises beziehungsweise des Sichtausweises erfolgt. Das gilt aus Sicht des BMG auch, wenn der Abgleich der Impfdaten innerhalb einer Videosprechstunde erfolgt. „Die in § 22 Abs. 5 IfSG vorgesehenen Prüfschritte erschöpfen sich nicht in einer Kontrolle der Impfdokumentation im Sinne einer bloßen Sichtung und eines Abgleichs des Namens auf Ausweisdokument und Impfdokumentation“, schreibt das BMG. „Verlangt wird von dem Leistungserbringer vielmehr eine umfassende optische und haptische Kontrolle der vorgelegten Dokumente. Dies betont der Gesetzgeber nachdrücklich in der amtlichen Begründung zu den maßgeblichen infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen (BT-Drs. 19/29870, S. 33).“ 

Ministerium fordert sensorische Prüfung

Für Apotheker und Ärzte als Leistungserbringer bedeutet das: Sie müssen zunächst die Impfdokumentation auf gängige Missbrauchsszenarien prüfen. „Hierzu gehört etwa die Prüfung des Impfausweises auf Abweichungen von dem vorgegebenen Standard, die Prüfung der Echtheit anhand anderer Impfungen als Referenz für die generelle Bereitschaft der Teilnahme an Schutzimpfungen und etwa der Dokumentation der COVID-19-Schutzimpfungen selbst. Dabei zeigen sich Abweichungen nicht zuletzt im Hinblick auf Formatierungen, das Layout oder standardisierte Texte, die in Fälschungen regelmäßig nicht fehlerfrei abgebildet sind“, zählt das BMG auf. Zugleich könnten beispielsweise eine abweichende Farbgebung oder unübliche Papiersorten einen Hinweis auf das Vorliegen einer Fälschung bieten. „All diese sensorischen Merkmale können mit derzeit verwendeten Videodiensten oder etwaigen Limitierungen bei den Bandbreitenverfügbarkeiten nicht vergleichbar genau geprüft werden.“

Eine weitere Sicherheit biete, so heißt es weiter, „bei einer Ausstellung im Präsenzverfahren insbesondere die potenziell höhere Vertrautheit mit den in unmittelbarerer Umgebung impfenden Leistungserbringern, bzw. den von diesen verwendeten Unterschriften und Stempeln. Die amtliche Begründung des § 22 Abs. 5 IfSG betont dabei nachdrücklich die Bedeutung einer ortsnahen Ausstellung bei der Missbrauchsverhinderung (vgl. BT-Drs. S. 33). Ein Abweichen von diesem Grundsatz sei ausweislich der Begründung nur dann statthaft, wenn etwa zwischenzeitlich ein Wohnsitzwechsel erfolgt ist.“ Die geforderten Prüfschritte und die Dokumentenvorlage erforderten somit insgesamt einen unmittelbaren persönlichen Kontakt.

zimpfen.de will erstellte Zertifikate nicht abrechnen

Was bleibt nun nach dem Aus für zimpfen.de? „Wir nehmen viele Lektionen mit – u.a. warum Digitalisierung in Deutschland und insbesondere im Gesundheitswesen so schleppend läuft. Immerhin konnten wir der Gemeinschaft ein paar Tausend Euro Steuergelder einsparen. Die ausgestellten Zertifikate werden wir natürlich nicht abrechnen und alle erfassten Daten restlos löschen“, schreibt Brodowski. Die bisher ausgestellten Zertifikate behielten „nach unserem aktuellen Kenntnisstand“ ihre Gültigkeit. Enttäuschung bleibt dennoch. Im letzten Satz der Erklärung steht: „Wir bedanken uns für eure Unterstützung und freuen uns darauf, in unserer zurückgewonnenen Freizeit nun lieber wieder digitale Angebote etablierter, ,professioneller‘ Dienstleister auf ihre Sicherheit zu untersuchen.“



Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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