Bei Warnsignalen schnell reagieren

Herzstillstand im Sport

Remagen - 17.06.2021, 17:50 Uhr

„Entscheidend für die Prognose des Patienten ist die sofortige Einleitung der Reanimationsmaßnahmen durch Kompression des Brustkorbs“, betont Professor Philipp Sommer, Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Elektrophysiologie und Rhythmologie. (c / Foto: ic36006 / AdobeStock)

„Entscheidend für die Prognose des Patienten ist die sofortige Einleitung der Reanimationsmaßnahmen durch Kompression des Brustkorbs“, betont Professor Philipp Sommer, Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Elektrophysiologie und Rhythmologie. (c / Foto: ic36006 / AdobeStock)


Der Fall des dänischen Profifußballers Christian Eriksen, der bei der laufenden Europameisterschaft urplötzlich einen Herzstillstand erlitt, hat vielerorts Bestürzung ausgelöst. Wie kann so etwas bei einem jungen, vermeintlich gesunden Menschen passieren? Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung (DGK) hat sich aus aktuellem Anlass zu Wort gemeldet und ordnet das Risiko von fachlicher Seite ein.

Nach Angaben der DGK erleiden in Deutschland Jahr für Jahr etwa 65.000 Personen einen plötzlichen Herzstillstand. 

Rund 90 Prozent überleben dieses schwerwiegende kardiale Ereignis nicht. Die Universität des Saarlandes, die das „Sudden Cardiac Death Register“ führt, beziffert die Häufigkeit plötzlicher Todesfälle bei jungen Sportlern mit 0,5 bis 3 pro 100.000 und Jahr. Sie steigt ab dem 35. bis 40. Lebensjahr an.

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Das Risiko eines plötzlichen Todes ist abhängig vom Geschlecht (zu 90 Prozent sind Männer betroffen), vom Alter (Häufigkeitsgipfel bei den 40- bis 50-Jährigen) und nimmt mit der Belastungsintensität zu. Nach Angaben der Sportmedizin Saarbrücken erhöht Wettkampfsport das Risiko eines plötzlichen Herztodes statistisch gesehen um das 3- bis 4-Fache, da extreme körperliche Belastung bei Menschen mit verborgenen kardiovaskulären Erkrankungen einen Trigger für gefährliche Herzrhythmusstörungen darstellt.

Wie aus dem „Sudden Cardiac Death Register“ hervorgeht, sind allerdings weniger die Profis, sondern fast ausschließlich ambitionierte Hobbysportler:innen von einem plötzlichen Stillstand beim Sport betroffen. Ein erhöhtes Risiko konnte laut DGK vor allem beim Fußballspielen und Laufen beobachtet werden.

Herzerkrankungen bei jungen Menschen oft unerkannt

Die im SCD-Register dokumentierten Fälle machen deutlich, dass auch junge, scheinbar gesunde Menschen unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, von denen sie oft nichts wissen. Bei den Fällen von unter 35-Jährigen verzeichnet das Register als häufige Ursachen des plötzlichen Herztodes eine vorzeitige Verkalkung der Herzkranzgefäße, Herzmuskelentzündungen und angeborene Fehlverläufe von Herzkranzarterien. Bei Betroffenen über 35 Jahren wird die weit überwiegende Mehrheit der Fälle durch eine koronare Herzkrankheit ausgelöst. Auch virale oder bakterielle Infekte können eine Herzmuskelentzündung verursachen. Unter anderem wird auch eine SARS-CoV-2-Infektion damit assoziiert. Ergebnisse von drei systematischen Reviews deuten darauf hin, dass es dabei einen deutlichen Männerüberhang zu geben scheint (58 bis 69 Prozent), mit dem mittleren Alter von 50 bis 55 Jahren. Die DGK warnt in ihrer aktuellen Pressmitteilung davor, nach einer vermeintlich überstandenen Infektion zu früh wieder mit dem Sport zu beginnen, ohne an dieser Stelle explizit auf eine SARS-CoV-2-Infektion abzuheben.

Wer könnte gefährdet sein?

Während Profisportler in der Regel fortlaufend medizinisch überwacht werden, bleibt die Gefahr bei Amateuren und Hobbysportlern oftmals unerkannt. Sie lauert beim ambitionierten Freizeitlauf oder im Amateurfußball. Warnsymptome, wie Schwindel, Ohnmacht, Kurzatmigkeit und Brustschmerzen sollten Anlass für eine eingehende Untersuchung sein. Auch frühe Herztodesfälle in der Familie können einen Hinweis geben, denn einige Erkrankungen, die das Risiko erhöhen, beruhen auf genetischen Besonderheiten.

Dann doch lieber kein Sport?

Auf Sport müssen aber auch Sportler:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen nicht verzichten. „Körperliche Aktivität und auch sportliche Betätigung verringern kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte und Schlaganfälle über eine Verbesserung des Gesamtrisikos auch bei erkrankten Patienten“, erklärt DGK-Pressesprecher Professor Michael Böhm. „Besonders wichtig für Patient:innen sind dabei regelmäßige kardiologische Untersuchungen und sofortige Vorstellung beim Kardiologen oder in der Notaufnahme, falls Beschwerden auftreten.“

Rasche Herzdruckmassage rettet Leben

Wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie weiter ausführt, ist ein plötzlicher Herzstillstand meist die Folge eines anhaltenden Kammerflimmerns. Dadurch werde kein Blut mehr durch den Kreislauf gepumpt, erklärt die DGK, und die Betroffenen verlören plötzlich das Bewusstsein. Bei fehlendem Puls sei eine schnelle Reanimation lebenswichtig. „Entscheidend für die Prognose des Patienten ist die sofortige Einleitung der Reanimationsmaßnahmen durch Kompression des Brustkorbs“, betont der Professor Philipp Sommer, Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe Elektrophysiologie und Rhythmologie. Jede Minute, in der ein Patient nach einem plötzlichen Herzstillstand nicht mit einer Herzdruckmassage behandelt werde, senke die Überlebenswahrscheinlichkeit um 10 Prozent. Nur diese Maßnahme entscheide häufig darüber, ob und wie der Patient ein derartiges Ereignis überlebt. Die Massage könne und solle unbedingt auch von Laien durchgeführt werden. „Alles ist besser als nichts zu tun“, stellt der Spezialist für Herzrhythmusstörungen fest, „also Hand aufs Herz!“ Nähere Informationen dazu finden sich auf der Webseite der Deutschen Herzstiftung zur Reanimation.

Eriksen bekommt nach Zusammenbruch ICD-Defibrillator eingesetzt

Kopenhagen (dpa) – Der dänische Fußball-Star Christian Eriksen bekommt wenige Tage nach seinem Zusammenbruch während des EM-Spiels gegen Finnland einen ICD-Defibrillator (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) eingesetzt. Das gab der dänische Verband am Donnerstag bekannt. Dieses kleine Gerät ähnelt einem Herzschrittmacher und wird bei Menschen implantiert, die ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen haben.

„Bei Christian wurden verschiedene Herz-Untersuchungen durchgeführt. Danach wurde entschieden, dass er ein ICD bekommen sollte. Diese Entscheidung ist nötig, nachdem Herzrhythmusstörungen bei ihm eine Herzattacke ausgelöst hatten“, wird der dänische Mannschaftsarzt Morten Boesen in der Mitteilung des Verbands zitiert. Boesen stand danach in den vergangenen Tagen regelmäßig in Kontakt mit den Herzspezialisten des behandelnden Krankenhauses in Kopenhagen.

Eriksen selbst habe dieser Behandlung bereits zugestimmt, teilte der dänische Verband mit. Die Einsetzung eines ICD-Defibrillators bedeutet nicht automatisch, dass der 29-Jährige damit seine Profikarriere beenden muss. Der niederländische Nationalspieler Daley Blind oder die deutsche Stabhochspringerin Katharina Bauer betreiben damit weiterhin Leistungssport.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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