COVID-19

Pausieren von Blutdrucksenkern könnte die Genesung beschleunigen

Remagen - 17.06.2021, 07:00 Uhr

Wegen der vermuteten Risiken eines unkontrollierten Absetzens von Herz-Kreislauf-Medikamenten und fehlender wissenschaftlicher Beweise rät die European Society of Cardiology aktuell davon ab, die RAS-Hemmung bei COVID-19 abzusetzen. Foto: SawBear Photography / AdobeStock)

Wegen der vermuteten Risiken eines unkontrollierten Absetzens von Herz-Kreislauf-Medikamenten und fehlender wissenschaftlicher Beweise rät die European Society of Cardiology aktuell davon ab, die RAS-Hemmung bei COVID-19 abzusetzen. Foto: SawBear Photography / AdobeStock)


Das zeitweise Absetzen von ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern beeinflusst zwar nicht die Schwere einer COVID-19-Erkrankung, könnte sich aber bei älteren Herz-Kreislauf-Patienten günstig auf die Erholung auswirken. Das hat die ACEI-COVID-19-Studie ergeben.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Bluthochdruck sind wichtige prädisponierende Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Viele der betroffenen Patienten nehmen regelmäßig ACE-Hemmer (ACEI) oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARBs). SARS-CoV-2 gelangt über die ACE2-Rezeptoren in die Zellen des Körpers. Nach experimentellen Befunden können diese in verschiedenen Organsystemen durch die Blutdruckmittel hochreguliert werden und die Prognose damit erheblich verschlechtern. Gerade zu Beginn der Pandemie hat diese Hypothese bei Kardiologen und Herz-Kreislauf-Patienten große Verunsicherung ausgelöst.

Nur durch Studien zu klären

Mehrere Wissenschaftlergruppen, darunter ein Team der Medizinischen Universität Innsbruck und des LMU Klinikums München (Ludwig-Maximilians-Universität), haben sich deshalb darum bemüht, zu klären, ob ein zeitweises Absetzen der Medikamente sich auf den Verlauf von COVID-19 positiv auswirken würde. „Es bestand in der Fachgemeinschaft Konsens, dass nur kontrollierte, randomisierte Interventionsstudien diese dringende Frage klären können“, stellen die beiden verantwortlichen Autoren Axel Bauer, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin III der Medizin Uni Innsbruck, und Steffen Massberg, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am LMU Klinikum, in einer Pressemitteilung fest.

Medikation für 30 Tage abgesetzt

Ihre randomisierte, kontrollierte, offene Studie „Stopping ACE-inhibitors in COVID-19” (ACEI-COVID-19, NCT04353596) wurde an 35 Zentren in Österreich und Deutschland durchgeführt. Zwischen dem 20. April 2020 und dem 20. Januar 2021 wurden 204 Patienten ab 18 Jahren (Durchschnittsalter 75 Jahre) eingeschrieben, die seit kurzem eine symptomatische SARS-CoV-2-Infektion hatten und über mindestens einen Monat vor der Aufnahme der Studie mit ACE-Hemmern (56 Prozent) oder Angiotensin-Rezeptorblockern (44 Prozent) behandelt worden waren. 98 Prozent der Patienten hatten eine arterielle Hypertonie, 33 Prozent Diabetes, 22 Prozent eine koronare Herzkrankheit und 9 Prozent litten an Herzinsuffizienz. Die eine Hälfte der Studienteilnehmer setzte die Medikation für 30 Tage ab, die andere nahm sie weiter ein.

SOFA-Score als Maßstab

Primärer Endpunkt der Studie war der maximale SOFA(Sequential Organ Failure Assessment)-Score innerhalb von 30 Tagen. SOFA ist ein medizinischer Score, der zur Beurteilung von Patienten auf der Intensivstation herangezogen wird. Er beurteilt den Grad der Organ-Dysfunktion und bestimmt dadurch das Mortalitätsrisiko. Der SOFA wird aus sechs verschiedenen Komponenten berechnet, von denen jede den Status eines Organsystems widerspiegelt, und zwar die Atmung, das ZNS, das Herz-Kreislauf-System, die Leberfunktion, die Blutgerinnung und die Nierenfunktion. Zu den sekundären Endpunkten gehörten der mittlere SOFA-Score, Krankenhausaufenthalt, Aufnahme auf der Intensivstation, mechanische Beatmung und Tod. Die Ergebnisse von ACEI-COVID wurden nun in „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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