Digitales Impfzertifikat

Ein QR-Code für jede Einzelimpfung, umstrittene Dokumentationspflichten

Berlin - 14.06.2021, 13:45 Uhr

Die Ausstellung digitaler Impfzertifikate in der Apotheke hat begonnen. Doch es stellen sich bei dieser neuen Aufgabe noch einige Fragen. (c / Foto: IMAGO / localpic)

Die Ausstellung digitaler Impfzertifikate in der Apotheke hat begonnen. Doch es stellen sich bei dieser neuen Aufgabe noch einige Fragen. (c / Foto: IMAGO / localpic)


Nach einem vielerorts holprigen Start scheint das Ausstellen digitaler COVID-19-Impfzertifikate inzwischen in den meisten Apotheken recht gut angelaufen zu sein. Dennoch bleiben einige Unsicherheiten, zum Beispiel, ob für Erst- und Zweitimpfung jeweils ein eigener QR-Code zu erstellen ist. Zu der Frage, was Apotheken in diesem Zusammenhang dokumentieren müssen, hat DAZ.online noch einmal bei dem Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas nachgehakt.

Ab heute stellen die Apotheken in Deutschland digitale COVID-19-Impfzertifikate aus. Zunächst kämpften einige von ihnen noch mit technischen Startschwierigkeiten – zuweilen war der Server stark ausgelastet, in einigen Fällen wurden zudem Accounts wegen vermeintlicher Falscheingabe des Passworts gesperrt. „Aufgrund der extrem hohen Nachfrage von vielen Bürgerinnen und Bürgern ist das Verbraucherportal www.mein-apothekenmanager.de, auf dem man zertifizierende Apotheken finden kann, massiv belastet“, sagte der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich dazu laut einer Pressemitteilung der ABDA. „Wir weisen deshalb darauf hin, dass es nicht zwingend notwendig ist, dass sich die Menschen schon heute ihr digitales Impfzertifikat in der Apotheke ausstellen lassen. Die Apotheken bieten den Service auch in den kommenden Wochen weiter an, und der gelbe Impfpass bleibt auch weiterhin gültig.“

Dennoch sei die Mission digitaler Impfnachweis erfolgreich angelaufen. „Der digitale Impfnachweis in Apotheken ist heute erfolgreich gestartet“, so Dittrich. „Mehr als 13.000 Apotheken haben sich kurzfristig schon entschlossen, diese Leistung anzubieten. Das sind mehr als zwei Drittel aller Apotheken. Bis 11.00 Uhr heute waren bereits 140.000 Zertifikate ausgestellt.“

Zwei Impfungen, zwei QR-Codes

Vonseiten der Apotheken ist allerdings Kritik an der kurzfristigen Planung zu vernehmen. Viel Zeit, sich mit den neuen Abläufen vertraut zu machen, blieb den Mitarbeitenden in der Tat nicht. So bleibt es nicht aus, dass sich nun im Praxisbetrieb einige Fragen auftun. Eine davon, die sich derzeit offenbar viele stellen, lautet: Müssen für Kunden, die bereits zwei Impfungen bekommen haben und deren Impfserie damit abgeschlossen ist, zwei QR-Codes generiert werden? Oder reicht es, die zweite Impfung und damit den Abschluss der Impfserie zu dokumentieren?

Ein Blick in die „Handlungshilfe zur nachträglichen Erstellung der COVID-19-Impfzertifikate durch Apotheker“ der ABDA gibt Aufschluss. „Für die vollständige digitale Impfdokumentation ist für die Verabreichung jeder einzelnen Impfstoffdosis ein digitales Impfzertifikat als QR-Code auszustellen“, heißt es darin. „Der Apotheker muss nicht über den Abschluss des Impfprogramms entscheiden, da im Zertifikat die Information zum Datum der Impfung hinterlegt ist.“ Somit können demnach die COVID-19-Impfzertifikate zeitlich unabhängig generiert werden. „Es ist nicht erforderlich mit einer Ausstellung bis 14 Tage nach der letzten Impfung zu warten.“

Was müssen Apotheken dokumentieren?

Darüber hinaus ist bisher nicht eindeutig geklärt, welche Dokumentationspflichten Apotheken beim Ausstellen der Zertifikate erfüllen müssen. Die ABDA schreibt dazu: „Da in der Apotheke keine personenbezogenen Daten gespeichert oder aufbewahrt werden und auch nicht digital weiterverarbeitet oder gespeichert werden, ist eine zusätzliche Einverständniserklärung seitens des Kunden nicht erforderlich.“ Auch für die Abrechnung sei eine zusätzliche Dokumentation der Vorgänge nicht nötig. „Die monatlich abzurechnende Anzahl der erstellten COVID-19-Impfzertifikate wird dabei über das Modul ‚COVID19-Impfzertifikat‘ im Apothekenportal abrufbar sein“, informiert die ABDA in ihrer Handlungshilfe.

Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner hat dazu eine andere Auffassung. In der Begründung zum „Zweiten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze“ sei „ausdrücklich vorgesehen, dass die Durchführung der Überprüfung, die ordnungsgemäße Belehrung des Kunden und die Ausstellung des Impfzertifikats zu dokumentieren sind“, hatte Douglas bereits am vergangenen Freitag im DAZ.online-Interview betont. „Im Idealfall wird daher der Kunde eine entsprechende Belehrung in der Apotheke unterschreiben, die dann zur Grundlage der Dokumentation gemacht wird.“

Douglas untermauert seine Auslegung

DAZ.online hakte noch einmal nach: Bleibt er bei seiner Auslegung, obwohl die ABDA dies anders sieht? Und wenn ja, wie begründet er seine Haltung? „Wir haben uns die Handreiche der ABDA durchgelesen“, antwortet Douglas. Nach seinem Verständnis bezieht sich die Standesvertretung insbesondere auf das Speichern der Impfzertifikate, die Apotheken für ihre Kunden erstellen. „Insoweit ist es zunächst zutreffend, dass keine Verpflichtung der Apotheke besteht, die insoweit zugunsten des Kunden erstellten Dokumente bei sich zu speichern.“

Ob die Apotheke berechtigt wäre, die Zertifikate zu speichern, beurteilt er jedoch anders als die ABDA. „Nach unserem Verständnis steht die DSGVO dem nicht entgegen“, stellt Douglas klar. „Tatsächlich handelt es sich bei der Dienstleistung der Apotheke gegenüber dem Kunden um einen Vertrag, sodass dieser Vertrag (auch wenn der Kunde hierfür nichts zahlen muss, sondern ein Dritter) die Grundlage für die Verarbeitung und dann eben auch eine mögliche Speicherung der Daten bietet.“ Daher entscheide der Vertragspartner, also die Apotheke, ob sie es für erforderlich erachtet, das ausgestellte Impfzertifikat zu speichern – nicht die ABDA. „Die Aussage der ABDA ist somit aus unserer Sicht unzutreffend. Richtig wäre: Die Apotheke kann die Unterlagen speichern, muss es aber nicht.“

Douglas: eindeutige Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage sei § 22 Absatz 5 Satz 2 Infektionsschutzgesetz, erklärt Dougals. Darin heißt es:


Die Verpflichtung nach Satz 1 Nummer 2 besteht nur, wenn dem Arzt oder Apotheker eine Impfdokumentation über eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 vorgelegt wird und er sich zum Nachtrag unter Verwendung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung der Ausstellung eines unrichtigen COVID-19-Impfzertifikats, insbesondere, um die Identität der geimpften Person und die Authentizität der Impfdokumentation nachzuprüfen, bereit erklärt hat.“ 

§ 22 Absatz 5 Satz 2 Infektionsschutzgesetz


Geeignete Maßnahmen könnten auch die Speicherung von Daten umfassen, so Douglas‘ Auffassung. „Es stellt sich die Frage, was geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Ausstellung eines unrichtigen Zertifikates sind“, so der Anwalt. „In der Gesetzesbegründung, die insoweit heranzuziehen ist, um den unbestimmten Rechtsbegriff der geeigneten Maßnahmen zu erläutern, steht zunächst, dass die geimpfte Person vor Ausstellung anhand des Personalausweises oder eines vergleichbaren Ausweisdokumentes zu identifizieren ist und über die Konsequenzen der Vorlage einer unrichtigen impfen Dokumentation zu belehren ist.“ Weiter heißt es:


Die Durchführung der Überprüfung, die ordnungsgemäße Belehrung und die Ausstellung des Impfzertifikates sind zu dokumentieren.“ 


Es sei die Aufgabe der Apotheke – nicht der ABDA –, diese Dokumentation sicherzustellen. „Nicht zuletzt aufgrund der unerfreulichen Entwicklung im Zusammenhang mit den Testzentren halten wir es für erforderlich, diesen Passus aus der Gesetzesbegründung ernst zu nehmen.“ Er empfiehlt, dass sich die Apotheke die ordnungsgemäße Belehrung durch den Kunden bestätigen lässt, „was dann aber auch zugleich bedeutet, dass diese Bestätigung eine Verarbeitung personenbezogener Daten in Form der Speicherung derselben beinhaltet“. In diesem Zusammenhang habe der Mitarbeitende der Apotheke dann auch zu dokumentieren, dass ihm sowohl der Personalausweis als auch das Impfbuch oder ein anderes Dokument zur Bestätigung durch den namentlich erfassten Kunden vorgelegt wurden. „Es ist unser Eindruck, als habe die ABDA dieses Tatbestandsmerkmal bei der von ihr formulierten Handlungshilfe nicht ausreichend berücksichtigt“, vermutet Douglas. „Der Wille des Gesetzgebers ist allerdings aus unserer Sicht hier ein anderer und ein eindeutiger.“

Klar ist also nur: Eine eindeutige Rechtsauffassung zu dieser Frage gibt es (noch) nicht.

Dürfen Apotheken das gelbe Impfbuch ergänzen?

Des Weiteren gab es zuletzt unterschiedliche Information, ob Apotheken auch händisch das gelbe Impfbuch ergänzen dürfen, wenn ihnen ein gültiger Nachweis über eine erfolgte COVID-19-Impfung vorliegt. Die ABDA stellt diesbezüglich in ihrer Handlungshilfe klar: „Nach § 22 Abs. 2 IfSG darf der Apotheker nachträglich eine Impfung in einen Impfausweis (gelber Impfpass der WHO) eintragen, wenn ihm eine entsprechende Impfdokumentation vorliegt.“ Auch in diesem Fall gelte es, die Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen. „Darüber hinaus hat der Apotheker unter Angabe des Namens und der Adresse der Apotheke und mit seiner Unterschrift kenntlich zu machen, wer die Impfung nachträglich in den Impfausweis eingetragen hat.“ Für die Übertragung der Impfdokumentation in den Impfpass aus Papier erhält der Apotheker laut ABDA jedoch keine Vergütung über das Bundesamt für Soziale Sicherung.

Wie wird abgerechnet?

Überdies ist bisher unklar, wie die Abrechnung der Zertifikaterstellung ablaufen soll. Die Standesvertretung schreibt dazu: „Mindestens einmal monatlich sollen die erstellten COVID-19-Impfzertifikate abgerechnet werden. Die Abrechnung soll dabei mit einem Sonderbeleg erfolgen, der über die Angabe von je einer Sonder-PZN die Anzahl der erstellten COVID-19-Impfzertifikate ausweisen soll. Alsbald die technischen Details geklärt sind, wird zusätzlich hierüber berichtet.“ Fest steht aktuell offenbar nur, dass die monatlich abzurechnende Anzahl der erstellten COVID-19-Impfzertifikate über das Modul „COVID19-Impfzertifikat“ im Apothekenportal abrufbar sein wird. Und: „Die für den Nachweis der korrekten Abrechnung erforderlichen rechnungsbegründenden Unterlagen sind in den Apotheken bis zum 31.12.2024 unverändert zu speichern oder aufzubewahren.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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Impfzertifikate für Genesene – was ist in der Apotheke zu beachten?

9 Kommentare

Serverkapazität...

von Jan Kusterer am 15.06.2021 um 10:39 Uhr

Die Serverkapazität/Sekunde muss die Anzahl der Apotheken wiederspiegeln. Eher das Doppelte. Und das hätte man schon vor einem Jahr wissen müssen. An wem hängt es? DAV, RKI oder IBM. Wenn das nicht sehr schnell behoben wird sollte der DAV seine Pläne für die eigene App für alles gleich wieder ad acta legen. Eigenwerbung sieht anders aus...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Erst die Grundlagen dann die Durchführung

von Karo am 15.06.2021 um 7:35 Uhr

Es wäre schön, wenn einmal erst die Rechtsgrundlagen sicher sind, und dann solche Aufgaben übertragen werden. Wahlweise: man überprüft erst, ob Server und IT etc. so ausgebaut sind, dass viele Apotheken gleichzeitig auf die Plattform zugreifen können.
Jetzt hängen viele Kollegen bei der Umsetzung in der Luft, versuchen all dem Wust im Laufe des normalen Apotheken-Alltags hinter her zu kommen und wissen nicht „ist das jetzt richtig so oder mach ich was falsch?“.
In 2 Monaten kommt dann Herr Spahn oder co., sagt „das ist zu viel an Honorar, wir kürzen es um
50%“ und durch die Medien wird wieder der altbekannte Esel getrieben „die Apotheker-innen bereichern sich“.
Mein Job war es eigentlich mal Medikamente an die Bevölkerung abzugeben, diese dazu zu beraten und in dem ein oder anderen Fall ein offenes Ohr zu haben.
Heute ist der 15. und mein Job heute und die nächsten Tage wird es sein „haben Sie die Umschau? Kann ich das Impfzertifikat bei Ihnen bekommen?“
Da hätte ich bei aller Liebe kein Hochschulstudium für gebraucht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Digitales Impfzertifikat bei Genesenen

von Timo am 15.06.2021 um 0:43 Uhr

Ich habe eine Corona-Infektion überstanden und wurde nun einmal als Auffrischung mit Moderna geimpft. Nun gelte ich als vollständig geimpft und bekomme auch keine zweite Impfung. Für mich ist weiterhin komplett unklar, wie sich dieser Fall als digitales Impfzertifikat darstellt. Dies wird leider auch nirgends kommuniziert.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Digitales Impfzertifikat bei Genesenen

von M.Mager am 15.06.2021 um 13:27 Uhr

Das geht momentan nicht. So lautet jedenfalls die Aussage meiner Apotheke.
Bin ebenfalls Genesener und daher nur einmal mit Moderna geimpft. Für diese Kombination bietet die Eingabemaske der Software keine Option. Es muss anscheinend zwingend eine zweite Impfung vorliegen.
Das müsste auch alle betreffen, die mit J&J geimpft werden.

AW: Digitales Impfzertifikat bei Genesenen

von Silvia am 15.06.2021 um 16:40 Uhr

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Meine Apotheke wollte mir auch nur 1 von 2 bestätigen, ich könne doch die Bescheinigung über die Corona-Erkrankung zusätzlich mitführen, hieß es. Fazut: Dann macht für mich der digitale Impfpass überhaupt keinen Sinn, dann bleibe ich beim gelben Ausweis, mit Vermerk, dass eine 2. Impfung nicht notwendig ist. Das kann wenigstens jeder lesen und verstehen. (auch außerhalb von Deutschland)

Abrechnung

von Christoph Stackmann am 14.06.2021 um 20:01 Uhr

Was meint der Autor mit „ wird. Und: „Die für den Nachweis der korrekten Abrechnung erforderlichen rechnungsbegründenden Unterlagen sind in den Apotheken bis zum 31.12.2024 unverändert zu speichern oder aufzubewahren“. Aha. Und welche, wenn ich rein gar nichts speichere? Ich habe doch nur die blanke Zahl der Zertifikate.

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klar

von Karl Friedrich Müller am 14.06.2021 um 16:47 Uhr

da muss die DAZ schlafende Hunde wecken und uns das Leben schwer machen, gell?
Diese Dokumentationspflichten sind an den Haaren herbeigezogen.
Die Ausstellung dokumentieren? Was noch? Und die Belehrung? Warum muss ich überhaupt belehren, wenn offensichtlich alles in Ordnung ist? Wenn nicht, dann kein Zertifikat. Fertig. Grenzwertige Fälle, kein Zertifikat. fertig.
Die spinnigen Bürokraten sollen in der Hölle schmoren. Bullshit Jobs ausdenken, um ihr Dasein zu rechtfertigen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: klar

von Thomas Kerlag am 14.06.2021 um 22:45 Uhr

Bravo, anders darf man es nicht sagen.
Fälschlicherweise gibt es hier noch einen Artikel der im Apothekerberuf eine Berufung sieht.

Rechtsanwalt

von Conny am 14.06.2021 um 15:20 Uhr

Frage zwei Rechtsanwälte und Du hast drei Meinungen!

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