Neue BAH-Broschüre zum Arzneimittelmarkt

Belastungen der Arzneimittel-Hersteller auf Rekordniveau

Remagen - 03.06.2021, 13:45 Uhr

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller beklagt immense Belastungen durch gestiegene Abschlags- und Rabattzahlungen gegenüber den Krankenkassen. (s / Foto: Jan Schumacher/BAH)

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller beklagt immense Belastungen durch gestiegene Abschlags- und Rabattzahlungen gegenüber den Krankenkassen. (s / Foto: Jan Schumacher/BAH)


Im Corona-Jahr 2020 hat der Umsatz im Apothekenmarkt mit rezeptpflichtigen und rezeptfreien Arzneimitteln inklusive Apothekenversandhandel im Vergleich zum Vorjahr um 4,9 Prozent zugelegt. Die Hersteller beklagen allerdings immense Belastungen durch gestiegene Abschlags- und Rabattzahlungen gegenüber den Krankenkassen. Ein „Spezifikum“ der Corona-Pandemie sind die satten Einbrüche bei den Erkältungsmitteln, ein Phänomen, das unter anderem der Maskenpflicht zuzuschreiben sein dürfte.

Die Belastungen der Arzneimittel-Hersteller sind im vergangenen Jahr stark gestiegen. Das geht aus der neuen Broschüre zum „Arzneimittelmarkt in Deutschland“ hervor, die der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) kürzlich veröffentlicht hat. Sie wird jährlich aktualisiert.

Ausgabenentwicklung in der GKV

Nach Angaben in der Broschüre beläuft sich der Gesamtumsatz des ­Apothekenmarkts mit Arzneimitteln im Jahr 2020 auf rund 61,4 Milliarden Euro (AVP).* Davon entfallen 54,6 Milliarden auf rezeptpflichtige (inklusive Impfstoffe) und 6,8 Milliarden auf rezeptfreie Medikamente. Fast jede zweite der etwa 1,5 Milliarden abgegebenen Packungen war ein OTC-Präparat.

Im vergangenen Jahr verordneten Ärzte insgesamt 696 Millionen Arzneimittelpackungen im Wert von 48,4 Milliarden Euro (AVP) zulasten der GKV und 194 Millionen Packungen im Wert von 8,8 Milliarden Euro für privat versicherte Patienten. Der Anteil der Arzneimittel an den Gesamtausgaben der GKV für das Jahr 2020 in Höhe von 262,6 Milliarden Euro liegt nach Angaben des BAH bei 17 Prozent.

Bei den Arzneimittelausgaben der GKV sind die Einsparungen durch die verschiedenen Regulierungsinstrumente noch nicht berücksichtigt. Durch Herstellerabschläge gemäß § 130a SGB V (1,78 Milliarden Euro), Rabattverträge (knapp 5 Milliarden Euro), den Apothekenabschlag (1,13 Milliarden Euro) und die gesetzliche Zuzahlung (2,3 Milliarden Euro) reduzierten sich die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel um 21 Prozent auf tatsächlich 38,2 Milliarden Euro. Die Belastungen der Arzneimittelhersteller durch die Rabattverträge und diverse Herstellerabschläge in Höhe von 6,6 Milliarden Euro an GKV und private Krankenversicherungen sind im vergangenen Jahr auf mehr als 11,6 Milliarden Euro und damit höher als je zuvor geklettert.

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*Bei den Umsatzangaben zu AVP oder EVP ist zu beachten, dass zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020 ein reduzierter Umsatzsteuersatz von 16 statt 19 Prozent bzw. 5 statt 7 Prozent galt.

Zwei Drittel des OTC-Markts entfallen auf Arzneimittel

Der in der neuen Broschüre abgebildete OTC-Markt hat einen Gesamtumfang von 10,73 Milliarden Euro. Der Verband subsummiert hierunter nicht nur die apothekenpflichtigen und freiverkäuflichen rezeptfreien (inklusive OTX) Arzneimittel im Wert von 6,97 Milliarden Euro (EVP), sondern auch Produkte, die nicht dem Arzneimittelrecht unterliegen. Hierzu zählen Gesundheitsprodukte wie zum Beispiel stoffliche Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel im Wert von 3,76 Milliarden Euro. Ein Großteil der OTC-Produkte wird über Apotheken vertrieben, konkret 87 Prozent nach Umsatz und 58 Prozent nach Absatz. Lediglich 13 Prozent des Umsatzes entfallen auf den sogenannten „Mass Market“, das heißt den Lebensmitteleinzelhandel, Verbrauchermärkte, Discounter und Drogerien.

Der Markt rezeptfreier Arzneimittel innerhalb und außerhalb der Apotheken verzeichnet im Jahr 2020 einen Umsatzrückgang von 4,7 Prozent. Während der Umsatz mit dem Segment über die Apotheke um 7,5 Prozent zurückging, legte der Versandhandel mit einem Plus von 14,1 Prozent tüchtig zu.

Für den Markt der Gesundheitsmittel wird ein Umsatzplus von 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr angegeben. Dabei schlug der Apothekenanteil mit plus 5 Prozent zu Buche und der Versandhandel mit einem Wachstum von fast 23 Prozent. Insgesamt sind Gesundheitsprodukte im Wert von 3,8 Milliarden Euro vertrieben worden, davon mehr als zwei Drittel über die Apotheken inklusive Versandhandel.

Selbstmedikation im Apothekenmarkt

Den Wert des Selbstmedikationsmarkts in Apotheken inklusive Versandhandel beziffert der BAH auf insgesamt 7,8 Milliarden Euro. Apothekenpflichtige rezeptfreie Arzneimittel machen hier den größten Anteil aus (66 Prozent nach Umsatz und 71 Prozent nach Absatz).  Im Jahr 2020 haben Apotheken inklusive Versandhandel insgesamt 701 Millionen Packungen rezeptfreier Arzneimittel (inklusive OTX) im Wert von 6,8 Milliarden Euro abgegeben.

Ein Erfolgsmodell: Das Grüne Rezept

Während der OTC-Apothekenmarkt gegenüber dem Vorjahr umsatzmäßig um 0,2 Prozent wuchs, ließ der Absatz um 3,9 Prozent nach. Hier sind erhebliche Diskrepanzen zwischen apothekenpflichtigen und freiverkäuflichen rezeptfreien Arzneimitteln (minus 4,2 bzw. plus 8,1 Prozent nach Umsatz) und Gesundheitsmitteln (plus 10,1 Prozent) erkennbar. Dass es während der Corona-Pandemie wahrscheinlich wegen der strengen Mundschutzpflicht erheblich weniger Atemwegserkrankungen gab, schlägt sich auch in den Umsätzen in den betreffenden Segmenten nieder. Der Spitzenreiter unter den Indikationsgruppen rezeptfreier Medikamente, Erkältungsmittel und Mittel gegen grippalen Infekt, verzeichnete im Jahr 2020 einen Rückgang um 18,3 Prozent, die Hustenmittel um 26,4 Prozent und die Umsätze mit Produkten für sonstige Atemwegserkrankungen brachen um 25,4 Prozent ein. Die Mittel zur Wund- und Hautdesinfektion legten dagegen nach Absatz um satte 33,4 Prozent zu.

Seit 2004 engagiert sich der BAH für die Wahrnehmung und Verbreitung des Grünen Rezepts. Damit können Ärzte ihren Patienten rezeptfreie Arzneimittel schriftlich empfehlen. Im Jahr 2020 stellten Ärzte 39,4 Millionen Verordnungen auf Grünen Rezepten im Wert von 233 Millionen Euro (zu Herstellerabgabepreisen) aus. Dies entspricht rund einem Drittel aller ärztlich verordneten nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel. Fast 90 Prozent der Patienten, die ein Grünes Rezept von ihrem Arzt erhalten haben, haben es auch in der Apotheke eingelöst.

Verbandschef fordert Entlastungen

„Die Arzneimittel-Hersteller haben trotz schwieriger Rahmenbedingungen im vergangenen Jahr mit erheblichem Aufwand die Arzneimittelversorgung gesichert“, betont der Hauptgeschäftsführer des BAH, Hubertus Cranz, anlässlich der Veröffentlichung der neuen Zahlenbroschüre seines Verbands. „Gleichzeitig sind die Belastungen der Hersteller auf ein neues Rekordniveau angestiegen.“

Bereits jetzt sei der Kostendruck für die Unternehmen aufgrund der zahlreichen sozialrechtlichen Steuerungselemente immens, fügt Cranz an. Er fordert deshalb Entlastungen statt weiterer Belastungen. Darüber hinaus müsse es Anreize für die Hersteller geben, die Lieferketten nachhaltig zu sichern und weiterhin in die Forschung, auch mit bekannten Arzneimitteln, zu investieren.

 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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