COVID-19-Impfung

Die drei Teile des AstraZeneca-Puzzles – Neu: das Spleiß-Problem

Stuttgart - 28.05.2021, 16:44 Uhr

Die Hinweise verdichten sich, dass (schwerere) Nebenwirkungen bei COVID-19-Impfung vor allem ein Problem der vektorbasierten Impfstoffe sind. (Foto: IMAGO / ANP)

Die Hinweise verdichten sich, dass (schwerere) Nebenwirkungen bei COVID-19-Impfung vor allem ein Problem der vektorbasierten Impfstoffe sind. (Foto: IMAGO / ANP)


Puzzleteil 3 – und das sagt das PEI

Dass Herstellungsprozess und Qualitätskontrolle von Herstellern und Behörden doch noch einmal genauer betrachtet werden sollten, darauf weist – wenn auch aus anderem Grund – mittlerweile noch ein dritter Preprint aus Frankfurt hin. An diesem sind ebenfalls Krutzke und Kochanek aus Ulm beteiligt. Rolf Marschalek, Professor für Pharmazeutische Biologie in Frankfurt, ist zuständig für die Kommunikation rund um die neueste Publikation. Darin kann man nachlesen, dass bislang zwar erklärt werden kann, wie es zur vakzininduzierten Thrombozytopenie kommt, allerdings lasse sich damit nicht erklären, wie es schließlich verzögert zu den seltenen und schwerwiegenden beobachteten Thrombosen kommt. Die Wissenschaftler:innen des neuesten Preprints vermuten nun, dass das Problem der vektorbasierten COVID-19-Impfstoffe sich darin begründet, dass die adenovirale DNA aus dem Impfstoff in den Zellkern eindringt und dort in RNA übersetzt wird (bei mRNA-Impfstoffen ist das nicht nötig). 

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Dabei kann es passieren, dass die entstandene RNA, die schließlich den Bauplan für das Antigen liefert, vom Körper weiter „zugeschnitten“ wird (sogenanntes Spleißen). Das Problem, das dabei entstehe: Solche Spleiß-Ereignisse können zu Spike-Proteinvarianten führen, die den wichtigen Membrananker verloren haben, lösliche Spike-Proteine seien die Folge, heißt es. Es sei beschrieben worden, dass diese löslichen Proteine beispielsweise eine starke Entzündungsreaktion auf Endothelzellen verursachen können („Vaccine-Induced Covid-19 Mimicry” Syndrome). So ließen sich mit der systemischen Verfügbarkeit des Spike-Proteins auch bei einer schweren COVID-19-Infektion die thromboembolischen Ereignisse erklären. Selbst Pseudoviren mit Spike-Protein auf der Oberfläche würden – wenn systemisch verfügbar – starke Entzündungsreaktionen in Geweben und Endothelzellen verursachen. 

Die Nachricht dieser neuesten Studie an die Hersteller der vektorbasierten Corona-Impfstoffe ist schließlich, dass sich beeinflussen lässt, ob und wo die RNA geschnitten wird. Beim Impfstoff von Johnson & Johnson ist das Spleißen nämlich offenbar weniger problematisch als bei AstraZeneca. Laut Medienberichten sind die Wissenschaftler:innen dazu mit Johnson & Johnson bereits im Austausch, mit AstraZeneca habe man aber noch nicht gesprochen. Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) haben die Wissenschaftler:innen informiert, dort war man von dem Spleiß-Problem offenbar überrascht.

Bislang gibt es nicht die eine Lösung

Auf Anfrage von DAZ.online hat Marschalek die drei Puzzleteile nochmals eingeordnet: „Ich denke, dass die Kombination aus VITT (Greinacher, Greifswald), den starken Verunreinigungen im Impfpräparat (Kochanek, Ulm) und den von uns aufgezeigten Mechanismus des Spleißens des Spikeproteins (Marschalek, Frankfurt) alles einen Beitrag leistet, damit in seltenen Fällen diese Thrombosen auftreten (nicht nur Hirnvenen Thrombosen). Alle diese Dinge sind wichtig: Autoantikörper gegen PF4, eine starke Inflammatorische Reaktion und die C-terminal verkürzten Spike Proteinvarianten.“ Das PEI und die STIKO seien stets über die Arbeiten informiert gewesen, bestätigt er außerdem. „Beide Institutionen hatten mir geraten, mich mit den Kollegen in Ulm zu vernetzen.“

Am vergangenen Donnerstag hat sich nun auch das PEI gegenüber DAZ.online zum Thema mit einer ausgearbeiteten Information geäußert. Die Publikationen seien am Institut bekannt, zu klären sei nun, ob ein ursächlicher Zusammenhang besteht. „Die in die Diskussion gebrachten Fremdproteine in Vaxzevria (Kochanek) oder die Bildung löslichen Spike-Proteins (Marschalek) müssen daher ebenso wie andere Ursachen weiter untersucht werden“, so das PEI.

Alle bisher freigegebenen Chargen des Impfstoffs Vaxzevria von AstraZeneca würden jedenfalls den vor der Zulassung untersuchten und in der Zulassung festgelegten Anforderungen genügen. Zu den Fremdproteinen äußert sich das PEI konkret so: „Eine akzeptable Menge an verunreinigenden Fremdproteinen, die aufgrund des Herstellungsprozesses Bestandteil des Impfstoffprodukts sein können, ist bei Impfstoffen nicht unüblich und stellt per se, wie in den nichtklinischen und klinischen Prüfungen bestätigt, kein Risiko dar.“

Vor der Chargenfreigabe erfolge eine experimentelle Überprüfung des Impfstoffs im Rahmen des OMCL (Official Medicines Control Laboratory)-Netzwerks durch ein unabhängiges Kontrolllabor (das Paul-Ehrlich-Institut ist eines der OMCL) und eine nationale Chargenfreigabe für Deutschland durch das Paul-Ehrlich-Institut, wird zudem erklärt.

Das PEI verweist schließlich auch darauf, dass die COVID-19 Vaccine Janssen (Johnson & Johnson) herstellungsbedingt eine geringere Menge Fremdprotein aufweise. Dennoch seien ebenfalls sehr seltene Fälle von TTS gemeldet worden. 

Schließlich seien dem Paul-Ehrlich-Institut weitere Untersuchungen zu möglichen Mechanismen, die einem TTS nach Gabe bestimmter COVID-19- Impfstoffe zugrunde liegen könnten, bekannt „und werden sicher in Kürze veröffentlicht“.

Man darf also gespannt bleiben welche Erkenntnisse Behörden und Wissenschaft zu vektorbasierten Corona-Impfstoffen in Zukunft verkünden werden. Die breite Masse wird sicherlich baldige Aufklärung erwarten, angesichts der Hypothese, dass die Impfstoffe auf Herstellerseite optimierbar sein könnten. Die EMA hatte im März keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit bestimmten Chargen des Impfstoffs oder der Herstellung finden können.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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