MDR, ApBetrO und MPAV

Wann sind Medizinprodukte apothekenpflichtig, wann verschreibungspflichtig?

Stuttgart - 26.05.2021, 13:45 Uhr

Die Apothekenpflicht für Medizinprodukte ist der Ausnahmefall. (Foto: Dan Race / AdobeStock)

Die Apothekenpflicht für Medizinprodukte ist der Ausnahmefall. (Foto: Dan Race / AdobeStock)


Am heutigen Mittwoch entfaltet die Medical Device Regulation (MDR) in allen EU-Staaten ihre volle Wirksamkeit. Für die Apotheken ergeben sich zum Teil neue Händler- und gegebenenfalls sogar Herstellerpflichten. Als Händler im Sinne der MDR müssen sie beispielsweise Medizinprodukte regelmäßig und stichprobenartig überprüfen. Diese Verpflichtung steht – für apothekenpflichtige Medizinprodukte – auch schon in der Apothekenbetriebsordnung. Doch wann gelten Medizinprodukte eigentlich als apotheken- beziehungsweise verschreibungspflichtig?

Gemäß Artikel 14 Abs. 2 Medical Device Regulation (MDR) müssen sich Händler, dazu zählen auch Apotheken beziehungsweise die Apothekenleitung oder das Personal, zur Erfüllung ihrer Überprüfungspflichten folgende Fragen stellen, bevor sie ein Medizinprodukt auf dem Markt bereitstellen dürfen: 

  • Ist eine CE-Kennzeichnung und/oder EU-Konformitätserklärung für das Produkt vorhanden?
  • Liegen dem Produkt die vom Hersteller gemäß Artikel 10 Abs. 11 bereitgestellten Informationen, d. h. eine gesonderte Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung auf Deutsch, bei?
  • Bei importierten Produkten: Hat der Importeur die in Artikel 13 Abs. 3 genannten Anforderungen erfüllt, d. h. ­seinen Namen und seine Adresse auf dem Medizinprodukt bzw. der Umverpackung angegeben?
  • Wurde vom Hersteller eine einmalige Produktnummer (UDI) vergeben?

In der Apotheke sollten die Anforderungen am besten schon beim Wareneingang regelmäßig und stichprobenartig überprüft und diese Informationen dokumentiert werden. Die Häufigkeit der Stichproben bemisst sich nach dem Risiko des jeweiligen Produktes. Bei neu im Sortiment aufgenommenen Medizinprodukten empfiehlt sich eine häufigere Überprüfung als bei Waren von langbewährten Lieferanten. Die neue MDR schreibt eine stichprobenartige Prüfung aller Medizinprodukte vor. In § 12 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist dagegen nur von der Prüfung apothekenpflichtiger Medizinprodukte die Rede.  

An welche Vorschrift müssen sich die Apotheken nun halten? Löst die MDR die Regelung in der Apothekenbetriebsordnung ab? Dr. Janna K. Schweim, Rechtsanwältin aus Köln und DAZ-Autorin, erläutert dazu: „Die Prüfpflichten bezüglich Medizinprodukten, welche sich aus der Medical Device Regulation (MDR) einerseits und der Apothekenbetriebsordnung andererseits ergeben, stehen unabhängig nebeneinander.“ Bedeutet im Klartext, dass nach der MDR sämtliche Medizinprodukte und nach der Apothekenbetriebsordnung alle apothekenpflichtigen Medizinprodukte durch repräsentative Probenentnahme geprüft werden müssen.

Ein direkter Vergleich von Anforderungen in der MDR und ApBetrO hinsichtlich der Qualität der Medizinprodukte ist in der folgenden Tabelle dargestellt.

InformationMDRApBetrO
Bezeichnung des Medizinproduktsxx
Hersteller/Bevollmächtigter (Import)xx
CE-Kennzeichenxx
Seriennummer x
Chargennummer/Herstellungsdatum x
Unique Device Identification (UDI)x 
Konformitätserklärungx 
Information in deutscher Sprachexx
Prüfdatum + Namenszeichen Apothekerxx

Während die MDR das Vorhandensein einer Unique Device Identification (UDI) und Konformitätserklärung vorschreibt, findet man in der Apothekenbetriebsordnung die Vorgabe, dass Seriennummer und Chargennummer/Herstellungsdatum vorhanden sein müssen. Die Vergabe des UDI wird zukünftig über die „European Databank on Medical Devices“ (Eudamed), die europäische Medizinproduktedatenbank, die gemäß Artikel 33 MDR errichtet beziehungsweise um wesentliche Bestandteile erweitert werden soll, erfolgen. Da allerdings ein gestaffelter Start der Funktionalitäten, einschließlich der Vergabe von UDIs, geplant ist, wird die Überprüfung der individuellen Produktcodes den Händlern erst nach und nach möglich sein. Nach Auskunft der EU Kommission soll beispielsweise das Eudamed-Modul zu UDI/Geräteregistrierung im September 2021 verfügbar sein. 

Ein Blick in die Medizinprodukte-Abgabeverordnung

Die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung erfüllen die Apotheken also nur dann, wenn auch apothekenpflichtige Medizinprodukte routinemäßig und stichprobenartig überprüft werden. Welche Medizinprodukte als apothekenpflichtig gelten, definiert § 2 der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV). Darauf weist auch Juristin Schweim in ihrem Artikel in der aktuellen Ausgabe der DAZ hin. Apothekenpflichtige Medizinprodukte sind also solche, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, d. h. Arzneimittel, enthalten (die der Verschreibungspflicht nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung unterliegen) oder auf die solche Stoffe aufgetragen sind. Damit gemeint sind Medizinprodukte, die apothekenpflichtige, verschreibungspflichtige oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel enthalten beziehungsweise verschreibungspflichtige Medizinprodukte sind. 

Ebenfalls apothekenpflichtig sind aber auch solche Medizinprodukte, die zur Anwendung durch Laien bestimmt sind, soweit sie Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen enthalten, die nach der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel apothekenpflichtig sind. Macrogole können sowohl als apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arzneimittel zugelassen als auch als apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter zertifiziert sein.  

Außerdem zählen zu den apothekenpflichtigen Medizinprodukten diejenigen, die in Anlage 2 zur MPAV aufgeführt sind, dies sind aktuell nur Hämodialysekonzentrate.

Apothekenpflicht für Medizinprodukte ist der Ausnahmefall 

Doch darüber hinaus gelten auch alle nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MPAV verschreibungspflichtigen Medizinprodukten, die zur Anwendung durch Laien vorgesehen sind, als apothekenpflichtig. Doch Verschreibungspflicht bedeutet nicht automatisch auch Apothekenpflicht bei Medizinprodukten. Daher gilt die Apothekenpflicht nicht für Produkte, die aufgrund des Gefährdungspotenzials bei Anwendung durch Laien der Verschreibungspflicht unterworfen werden können (Auflistung in Anlage 1), zugleich aber keinen typischen „arzneimittelähnlichen“ Charakter besitzen, der einen ausschließlichen Vertrieb über die Apotheke rechtfertigen würde. Die oral zu applizierende Sättigungspräparate auf Cellulosebasis in Anlage 1 der MPAV unterliegen demnach der Verschreibungs-, aber nicht der Apothekenpflicht.

Medizinprodukte unterliegen desweiteren nicht der Packungsgrößenverordnung, sie sind nicht normiert und haben folglich keine N-Kennzeichnung. Medizinprodukte wären laut Sozialgesetzbuch V im Rahmen der Arzneimittelversorgung zunächst nicht verordnungsfähig. Für welche jedoch Ausnahmen gelten, listet Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie auf. Grundsätzlich lässt sich festhalten: Die Apothekenpflicht für Medizinprodukte ist der Ausnahmefall. Grundsätzlich sind alle Medizinprodukte, die sich rechtmäßig im Verkehr befinden, frei verkäuflich.

Die MPAV wird voraussichtlich weiterhin parallel zur MDR ihre Gültigkeit behalten, da diese Verordnung in den vergangenen Monaten im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite (COVID-19-Pandemie) mehrfach angepasst wurde, zuletzt mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung vom 12. März 2021, woran die aktuelle Bedeutung dieser Vorschrift deutlich wird. Inwiefern die Apothekenberiebsordnung im Lichte der neuen MDR ein Update gerade hinsichtlich der zu überprüfendenden Medizinprodukte und der damit zusammenhängenden Anforderungen erhält, bleibt abzuwarten.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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