Krankenkassendaten

BfArM-Studie: Kein erhöhtes Krebsrisiko durch verunreinigtes Valsartan

Berlin - 19.05.2021, 16:00 Uhr

Bei Versicherten, die Valsartan-haltige Präparate eingenommen hatten, zeigte sich in einer Studie des BfArM kein generell erhöhtes Krebsrisiko. (Foto: cel)

Bei Versicherten, die Valsartan-haltige Präparate eingenommen hatten, zeigte sich in einer Studie des BfArM kein generell erhöhtes Krebsrisiko. (Foto: cel)


Haben Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin in Valsartan-haltigen Arzneimitteln tatsächlich zu mehr Krebsfällen unter den Anwendern geführt? Dieser Frage ging das BfArM gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK nach. Nun liegt das Ergebnis vor: Bei Versicherten, die Valsartan-haltige Präparate eingenommen hatten, zeigte sich kein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt.

In der zweiten Jahreshälfte 2018 hielt der sogenannte Valsartan-Skandal die Apothekenwelt in Atem. In Präparaten mit dem häufig verordneten Blutdrucksenker waren Nitrosamine (darunter N-Nitrosodimethylamin, kurz NDMA) gefunden worden, die als wahrscheinlich krebserregend gelten – Rückrufe und in der Folge massive Lieferengpässe waren die Folge.

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Gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK ging das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) jetzt auf Spurensuche: Die Bundesoberbehörde wollte wissen, ob Menschen unter Valsartan tatsächlich häufiger an Krebs erkrankten als andere. Um den Zusammenhang zwischen NDMA-verunreinigtem Valsartan und dem Risiko für Krebs zu untersuchen, werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Krankenkassenroutinedaten von mehr als 25 Millionen AOK-Versicherten aus.

Die Studie berücksichtigte nach Angaben des BfArM alle bei der AOK versicherten Patientinnen und Patienten, die zu Beginn des Jahres 2012 40 Jahre oder älter waren und mindestens ein Rezept für Valsartan zwischen den Jahren 2012 und 2017 eingelöst hatten. „Weiterhin wurde ermittelt, ob eine potenzielle NDMA-Verunreinigung bei dem verschriebenen Arzneimittel vorlag“, schreibt das BfArM in einer Pressemitteilung vom heutigen Mittwoch. Dies geschah demnach anhand der Pharmazentralnummer (PZN) in den Datensätzen der eingelösten Verschreibungen sowie durch Informationen der Zulassungsinhaber über die Valsartan-Arzneimittel. Zentraler Endpunkt innerhalb der Studie war eine neu aufgetretene Krebsdiagnose, die nach der Valsartan-Verschreibung erfolgte. Auf dieser Datengrundlage wurde die Risikoänderung für Krebs gesamt und für einzelne Krebsarten berechnet.

Potenzielle Langzeiteffekte weiter beobachten

Das Ergebnis: Bei Versicherten, die Valsartan-haltige Präparate eingenommen hatten, zeigte sich kein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt. „Bei der Analyse von Leberkrebs nach Verschreibung von NDMA-verunreinigtem Valsartan stellte die Studie ein statistisch signifikantes, wenngleich auch gering erhöhtes Risiko fest“, informiert das BfArM. Eine direkte Kausalität lasse sich jedoch nicht ableiten und sollte weiterhin erforscht werden. „Ebenso legt die Studie nahe, potenzielle Langzeiteffekte durch NDMA-verunreinigtes Valsartan weiter sorgfältig zu beobachten.“

Große Stichprobe, aber nur Routinedaten

Konkret wurde ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt im untersuchten Zeitraum weder für eine dreijährige Langzeitanwendung festgestellt, noch in Abhängigkeit der Dosierung. Diese Erkenntnis steht laut BfArM im Einklang mit Ergebnissen einer dänischen Studie zu dem Thema, die allerdings auf einer deutlich kleineren Stichprobengröße basierte. In die BfArM-Studie flossen die Daten von rund 781.000 Versicherten ein.

Die Stichprobengröße stellt laut BfArM eine Stärke der Studie dar, allerdings beruht diese auf Routinedaten der AOK. Besondere Störfaktoren wie Rauchen, Ernährungsgewohnheiten und genetische Prädisposition konnten daher nicht berücksichtigt werden. „Auch konnten mittel- und langfristige Krebsrisiken aufgrund des begrenzten Beobachtungszeitraums noch nicht untersucht werden“, betont die Behörde.

Insgesamt liefert die Studie nach Einschätzung des BfArM wertvolle Informationen für die behördliche Risikoüberwachung weltweit, um die Auswirkungen von NDMA-Verunreinigungen in valsartanhaltigen Arzneimitteln auf die öffentliche Gesundheit zu bewerten. „Die Studie steht beispielhaft dafür, wie umfassende ‚real world‘-Daten mit wissenschaftlichen Methoden genutzt werden können, wichtige Fragen der Arzneimittelsicherheit zu beantworten. Im Hinblick auf NDMA-verunreinigtes Valsartan erscheint eine sorgfältige Beobachtung potenzieller Langzeiteffekte sinnvoll.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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