Landgericht Essen

Mutter des Bottroper Zyto-Apothekers muss womöglich auf Millionen verzichten

Essen - 07.05.2021, 17:00 Uhr

Am gestrigen Donnerstag verhandelte nun die neunte Zivilkammer des Landgerichts Essen die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Mutter des Apothekers Peter S.. (Foto: Hinnerk Feldwisch-Drentrup)

Am gestrigen Donnerstag verhandelte nun die neunte Zivilkammer des Landgerichts Essen die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Mutter des Apothekers Peter S.. (Foto: Hinnerk Feldwisch-Drentrup)


Vor dem Landgericht Essen wurde am gestrigen Donnerstag die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Mutter des Apothekers Peter S. verhandelt. Überraschenderweise erklärten sich beide Seiten spontan bereit zu einem Vergleich. Für diesen muss die Mutter Forderungen in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro zurückziehen – der Insolvenzverwalter hatte diese als ungerechtfertigt angesehen. Doch der Vergleich könnte noch platzen.

Kurz nach der Inhaftierung des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. Ende 2016 erhob dessen Mutter Doris S. Forderungen gegen ihren Sohn und erwirkte Vollstreckungsbescheide gegen ihn, auch wurde beispielsweise die Apotheke an sie zurück übertragen. Inzwischen wurde S. zu zwölf Jahren Haft verurteilt – und ein Insolvenzverfahren eingeleitet. In diesem hatte Doris S. Forderungen in zweistelliger Millionenhöhe angemeldet. Der Insolvenzverwalter Klaus Siemon hatte Klage gegen Doris S. eingelegt, da die Forderungen seiner Ansicht nach ungerechtfertigt sind und er Übertragungen anfechten wollte: Mutter und Sohn hätten „offensichtlich kollusiv zusammengewirkt“, schrieb Siemon in der Klageschrift.

Falls beide in der Absicht gehandelt haben, andere Gläubiger zu schädigen, wären die Übertragungen anfechtbar. Am gestrigen Donnerstag verhandelte nun die neunte Zivilkammer des Landgerichts Essen in dieser Sache. Auch Doris S. war geladen – im Strafprozess gegen ihren Sohn hatte sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Die Vorsitzende Richterin begann die Sitzung mit einer Güteverhandlung – „die wird heute etwas länger dauern“, sagte sie. Der Insolvenzverwalter als Kläger sowie die Beklagte Doris S. hatten sich außergerichtlich zuvor nicht auf ernsthafte Gespräche zur Beilegung des äußerst komplexen Rechtsstreites eingelassen. Darlehensverträge in Millionenhöhe, Übertragungen, Kauf von Kunstwerken, Kündigung von Darlehen und Rücknahme von Schenkungen: Die Richterin erläuterte zunächst den Ablauf der Vorgänge, um die es in dem Verfahren geht.

Forderungen in Höhe von rund 23 Millionen Euro habe Doris S. in dem Insolvenzverfahren geltend gemacht, erklärte sie. Unklar ist, welchen Wert die frühere Alte Apotheke nach Inhaftierung von Peter S. hatte: In den Jahren 2017 und 2018 habe sie jeweils mehr als eine halbe Million Euro Verlust gemacht, erklärte ein Anwalt von Doris S. Die Apotheke ist inzwischen wieder verpachtet – einen Teil der Pacht musste die Apothekerin zurückerstatten, erklärte der Anwalt. „Mit der Apotheke sind erhebliche Verluste erzielt worden – die ist tot“, sagte er. Laut der Vorsitzenden Richterin habe sie zuvor Umsätze von mehr als 1 Million Euro pro Jahr gemacht.

In den Erläuterungen zur vorläufigen rechtlichen Einschätzung der Zivilkammer erklärte die Vorsitzende, in Bezug auf den Vertrag zur Rückübertragung der Apotheke etwa bestünden keine Bedenken – auch wenn dieser nur umfasse, was zum Zweck der Apotheke gehöre. Nicht dazu gehörten Kunstwerke. Doch insgesamt spreche Verschiedenes dafür, dass Gläubiger benachteiligt worden sind, erklärte die Richterin – und es spreche auch „einiges wenn nicht viel“ dafür, dass die Beklagte hiervon Kenntnis hatte.

Die Kammer machte einen Vorschlag, der offenbar für alle Beteiligten überraschend war: Doris S. solle eine Summe von 1 bis 2 Millionen Euro in die Insolvenzmasse zahlen und ihre Forderungen fallen lassen – dafür bliebe „alles da, wo es ist“: So das Eigentum an der Apotheke oder die Kunstwerke. „Dass es keinem gefallen kann, ist klar“, sagte die Richterin. „Aber wie sollen wir aus der Geschichte rauskommen?“

Droht ein jahrelanger Rechtsstreit?

Doris S. verfolgte die Gespräche mit wachen Augen, war aber zurückhaltend und ließ ihre Anwälte sprechen. „Den Ausgangspunkt vom Gericht finde ich gut – so löst man Probleme“, sagte einer. Er schlug vor, ein Gutachten über den Wert der Apotheke einzuholen. Hier widersprach der Anwalt des Insolvenzverwalters: Wenn über einzelne Aspekte diskutiert werde, würde es zu kompliziert – er plädierte für eine pauschale Lösung. Die Richterin schlug eine Zahlung von Doris S. in Höhe von 900.000 Euro in die Insolvenzmasse vor – worauf sich Doris S. und ihre Anwälte sowie der Anwalt des Insolvenzverwalters zunächst einigen konnten. Die Beklagte verpflichtet sich hiernach, die angemeldeten Forderungen zurückzunehmen.

Doch unklar bleibt, ob diese gütliche Einigung am Ende trägt: Beide Parteien haben nun einige Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen. Der Insolvenzverwalter muss außerdem erst eine Gläubigerversammlung einberufen, die dem Vergleich zustimmen muss. Falls dieser nicht zustande kommt, könnte sich ein jahrelanger Rechtsstreit anschließen.

Auch die Staatsanwaltschaft Essen hat dies im Blick – sie prüft, ob wegen möglicher strafrechtlicher Verstöße ein Ermittlungsverfahren aufzunehmen ist. Bereits vor knapp einem Jahr wurde ein Vorgang zur Frage angelegt, ob ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Straftat bei der Rückübertragung der „Alten Apotheke“ vorliegt. So kann mit Geld- oder Haftstrafe bestraft werden, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseiteschafft.

Außerdem ist weiterhin eine Verfassungsbeschwerde von Peter S. gegen das Strafurteil des Landgerichts Essen anhängig, welches vom Bundesgerichtshof bestätigt worden war. Neben der zwölfjährigen Haftstrafe umfasst dieses auch ein lebenslanges Berufsverbot.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Bottrop

von Uwe Hüsgen am 08.05.2021 um 10:06 Uhr

Der Begriff „Zyto-Apotheker“ in Zusammenhang mit Herrn S. aus Bottrop diskriminiert in meinen Augen rechtschaffene Zyto-Apotheker. Selbst auf die Berufsbezeichnung „Apotheker“ könnte / sollte man nach diesem Urteil bei Herrn S. wohl verzichten.

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Strafe muss sein

von Frank-Markus Elstner am 08.05.2021 um 10:05 Uhr

Das gesamte Vermögen sollte zur Strafe den Betroffenen des Panschers dem Bottroper Hospiz
gespendet werden. Dann wären die zumindest abgesichert.

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Nachtrag.

von Roland Mückschel am 07.05.2021 um 17:41 Uhr

Zuerst kann man nicht gross genug sein.
Dann nicht klein genug.

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Bottrop

von Roland Mückschel am 07.05.2021 um 17:38 Uhr

Mir wird schlecht.

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