Dosis und Dauer so gering wie möglich

Osteoporose durch topische Glucocorticoide?

19.04.2021, 09:15 Uhr

Ist das Risiko für Knochenbrüchigkeit nach längerer Behandlungsdauer mit topischen Glucocorticoiden erhöht? (Foto: Alessandro Grandini / stock.adobe.com)

Ist das Risiko für Knochenbrüchigkeit nach längerer Behandlungsdauer mit topischen Glucocorticoiden erhöht? (Foto: Alessandro Grandini / stock.adobe.com)


Dass es durch hoch dosierte oder chronisch angewendete, systemische Glucocorticoide zu Nebenwirkungen wie dem Cushing-Syndrom kommen kann, ist bekannt. So entwickelt etwa jeder dritte Patient, der die Entzündungshemmer länger als sechs Monate systemisch anwendet, eine Glucocorticoid-induzierte Osteoporose. Doch besteht ein erhöhtes Risiko auch bei dauerhafter topischer Anwendung?

Glucocorticoide haben entzündungshemmende, antiproliferative und immunsuppressive Eigenschaften, weswegen sie bei einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt werden. In topischer Form sind sie neben Ekzemen und Insektenstichen unter anderem bei atopischer Dermatitis, Schuppenflechte und anderen Autoimmunerkrankungen indiziert. Bei Letzteren ist häufig eine lang andauernde Therapie erforderlich. Inwiefern die topisch angewandten Corticoide systemische Neben­wirkungen, nämlich Osteoporose oder größere Knochenbrüche, nach sich ziehen, wurde in einer Kohortenstudie retrospektiv über den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2017 untersucht. 

Daten aus Dänemark sollen Aufklärung bringen

Mithilfe des dänischen nationalen Patientenregisters werteten die Wissenschaftler die Daten von 723.251 erwachsenen Patienten aus, die mit topischen Glucocorticoiden behandelt wurden, davon 52,8 Prozent Frauen und mit einem Durchschnittsalter von 52,8 Jahren. In Anlehnung an das Anatomisch-Therapeutisch-Chemische Klassifikationssystem wurden die Glucocorticoide in stark (zum Beispiel Mometasonfuroat und Betamethason-17-valerat) und sehr stark wirksam (zum Beispiel Clobetasolpropionat) eingeteilt.

Die Verschreibungen der Patienten wurden gesammelt und anschließend die kumulative Arzneistoffdosis berechnet. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurde diese anschließend in die äquivalente Menge Mometasonfuroat (1 mg/g) umgerechnet und in verschiedene Gruppen unterteilt: die Referenzgruppe mit mindestens einer Verschreibung und einer kumulativen Dosis von umgerechnet 200 bis 499 g Mometasonfuroat, sowie die Patientengruppe mit hoher kumulativer Dosis ab einer Menge von 500 g, mit weiteren Abstufungen bis zu einer Gesamtmenge von mehr als 10.000 g.

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Primärer Endpunkt der Studie waren eine Osteoporose-Diagnose oder Frakturen großer Knochen. Für die Auswertung wurden Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, zusätzliche Medikamente und Begleiterkrankungen berücksichtigt. Von der Studie ausgeschlossen wurden Patienten mit bestehender Osteoporose oder Knochenbrüchen. 3,4 Prozent der Probanden erhielten zusätzlich inhalative Glucocorticoide und 9,1 Prozent eine systemische Glucocorticoid-Therapie. Ihre Daten wurden separat analysiert.

Signifikante Ergebnisse

Die Auswertung der gesammelten Daten zeigte einen signifikanten Zusammenhang zwischen der kumulativen Anwendung starker bzw. sehr starker topischer Glucocorticoide und einem erhöhten Risiko für Osteoporose und große Knochenbrüche. Im Vergleich zur Referenzgruppe lag das Gesamtrisiko, an Osteoporose zu erkranken, für alle Patienten, die gegenüber mehr als 500 g Mometasonfuroat exponiert waren, bei 4,3 Prozent (95 Prozent-Konfidenzintervall [KI]: 2,7 bis 5,8 Prozent). Dagegen war das Risiko für große Knochenbrüche bei höheren kumulativen Dosierungen um 2,7 Prozent (95 Prozent-KI: 1,7 bis 3,8 Prozent) und für Wirbel­brüche um 2,2 Prozent (95 Prozent-KI: -0,6 bis 4,8 Prozent) erhöht. Die Effektstärke nahm mit steigenden kumulativen Dosierungen zu. So erhöhte sich bei jeder Verdopplung der kumulativen Dosis das relative Risiko für Knochenbrüche und Osteo­porose um 3 Prozent. Sensitivitäts­analysen bestätigten diese Ergebnisse.

Was zu beachten ist

Leider wird in der Studie die zugrunde liegende Erkrankung bzw. deren Schweregrad nicht berücksichtigt. Diese kann jedoch unter Umständen selbst mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüchigkeit einhergehen und beeinflusst im Wesentlichen die Dosierung und die Dauer der Behandlung. Zudem wird nicht zwischen Applika­tionsort, Anwendungsfläche, Hautbeschaffenheit oder Darreichungsform unterschieden, wovon maßgeblich die Absorption abhängt. Ein weiteres Problem liegt in der Natur einer Datenanalyse von Verschreibungen. Es wird beispielsweise nicht berücksichtigt, ob das erhöhte Risiko für Osteoporose nach Absetzen der Therapie bestehen bleibt oder nicht.

Bedeutung für die Praxis

Für die pharmazeutische Praxis lässt sich festhalten, dass, wie auch bei systemischen Glucocorticoiden, eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Gabe potenter topischer Glucocorticoide und dem Auftreten von Osteoporose besteht. Das Risiko für Knochenbrüche und Osteoporose ist zwar bei höherer kumulativer Dosis gegeben, jedoch immer noch um ein Vielfaches geringer als bei einer syste­mischen Glucocorticoid-Therapie. Demnach ist die topische Therapie in den meisten Fällen und nach Möglichkeit zu bevorzugen. 

Dieser Artikel erschien in der DAZ
Ausgabe 15 / 2021, Seite 48

Aufgrund einiger fehlender wichtiger Parameter lassen sich die Ergebnisse dennoch nicht vollständig auf die konventionellen Therapien übertragen. Zusammenfassend ist es wichtig, bei der Auswahl der Therapie die Dosis und Anwendungsdauer der Glucocorticoide so gering wie möglich zu halten. Insbesondere bei Hoch­risikopatienten sollte die Auswahl sorgfältig erfolgen. Um die Leitlinien optimal anzupassen, sind jedoch weitere Studien unter Einbeziehung umfangreicher Parameter erforderlich.

 

Literatur

Egeberg A et al. Association of Potent and Very Potent Topical Corticosteroids and the Risk of Osteoporosis and Major Osteoporotic Fractures. AMA Dermatol. 2021;157(3):275-282. doi:10.1001/jamadermatol.2020.4968

Jackson RD. Topical Corticosteroids and Glucocorticoid-Induced Osteoporosis – Cumula­tive Dose and Duration Matter. JAMA Dermatol. 2021;157(3):269-270. doi:10.1001/jamadermatol.2020.4967



Ann-Kathrin Vogt, Apothekerin
redaktion@daz.online


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