EU lässt Kesimpta zu

Ofatumumab: erster B-Zell-Antikörper zur Eigenapplikation bei Multipler Sklerose

Stuttgart - 08.04.2021, 12:15 Uhr

Die EU-Kommission hat Ofatumumab in Kesimpta (Novartis) die Zulassung erteilt. Ofatumumab ist der erste B-Zell-Antikörper, den MS-Patienten sich selbst verabreichen können. (x / Foto: ralwel / stock.adobe.com)

Die EU-Kommission hat Ofatumumab in Kesimpta (Novartis) die Zulassung erteilt. Ofatumumab ist der erste B-Zell-Antikörper, den MS-Patienten sich selbst verabreichen können. (x / Foto: ralwel / stock.adobe.com)


Keine Prämedikation vor Ofatumumab 

Bei manchen MS-Arzneimitteln erhalten Patient:innen vor deren Verabreichung eine Prämedikation – beispielsweise mit Antihistaminen und Corticoiden wie bei Ocrelizumab (Ocrevus®). Auch bei Interferon-Gabe wird vor jeder Injektion und über weitere 24 Stunden die Einnahme eines fiebersenkenden Arzneimittels empfohlen, um die mit Interferon einhergehenden grippeähnlichen Symptome abzumildern. Dies ist bei Ofatumumab nicht notwendig. So hat Novartis in klinischen Studien „nur einen begrenzten Nutzen einer Prämedikation mit Steroiden“ beobachtet. „Der Einsatz von Prämedikation ist daher nicht erforderlich“, erklärt Novartis. Injektionsbedingte Reaktionen – lokal: Erythem, Schwellung, Juckreiz und Schmerzen – sollten symptomatisch behandelt werden.

Wie wirkt Ofatumumab?

Ofatumumab ist ein vollhumaner Antikörper. Er richtet sich gegen B-Zellen, genauer gesagt: CD20+-B-Zellen, indem Ofatumumab an CD20 auf der Oberfläche dieser Immunzellen bindet und sie so neutralisiert. Nach derzeitigen Erkenntnissen spielen B-Zellen im neurodegenerativen Entzündungsgeschehen bei MS eine wichtige Rolle. Durch Blockade bestimmter B-Zellen versucht man, die zum Myelinabbau führenden Entzündungsprozesse und die damit einhergehende zunehmende Behinderung der Patienten zu verlangsamen. Verabreicht wird Ofatumumab als subkutane Injektion, die sich Patienten – nach entsprechender Schulung – auch selbst verabreichen könnten, erklärt Novartis.

Zulassungsrelevante Studien zu Ofatumumab

Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen von zwei klinischen Phase-3-Studien – ASCLEPIOS I und ASCLEPIOS II –, in denen Ofatumumab gegen Teriflunomid (Aubagio®) untersucht wurde. Teriflunomid ist ein täglich einzunehmendes orales MS-Arzneimittel, das B- und T-Zellen des Immunsystems reduziert. Beide Studien liefen doppelblind, randomisiert, multizentrisch und double-dummy, das heißt: Die Studienteilnehmer erhalten beide Darreichungsformen, hier Tabletten und subkutane Injektion, und jeweils eine davon ist Placebo. Primärer Endpunkt der Studie war die Verringerung der jährlichen Schubrate.

Ofatumumab reduziert jährliche Schubrate stärker als Teriflunomid

Ofatumumab gelang es in beiden Studien, die jährliche Schubrate stärker zu verringern als Teriflunomid. MS-Patient:innen erfuhren jährlich 0,11 Schübe unter Ofatumumab, unter Teriflunomid waren es 0,22 (ASCLEPIOS I) beziehungsweise 0,1 Schübe (Ofatumumab) und 0,25 Schübe (Teriflunomid) pro Jahr (ASCLEPIOS II). Die jährliche Schubrate verringerte sich unter Ofatumumab damit signifikant um 51 Prozent bzw. 59 Prozent im Vergleich zu Teriflunomid. Dabei galt als bestätigter MS-Schub, wenn dieser mit einer klinisch relevanten Veränderung des EDSS (Expanded Disability Status Scale) einherging. Der neue EDSS-Wert wurde mit dem jeweils letzten EDSS-Wert verglichen. Zur Erinnerung: Der EDSS bewertet den Schweregrad der Behinderung bei Patient:innen mit Multipler Sklerose. Die Skala reicht von null bis zehn (in 0,5er-Schritten) und bewertet Störungen in unterschiedlichen funktionellen Systemen (FS) des Körpers. Die Studien wurden unter „Ofatumumab versus Teriflunomide in Multiple Sclerosis“ im Fachjournal „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.

Ocrelizumab richtet sich auch gegen CD20+-B-Zellen

Ofatumumab ist nicht das einzige Arzneimittel in der MS-Therapie, das sich gegen CD20 positive B-Zellen richtet. Ocrelizumab (Ocrevus®) erhielt bereits im Januar 2018 die EU-Zulassung, es ist bislang das erste und einzige MS-Präparat, das nicht nur für die schubförmige MS, sondern auch für die primär progrediente (PPMS) zugelassen ist. Anders als Ofatumumab erhalten MS-Patienten Ocrelizumab alle sechs Monate als intravenöse Infusion. Zudem ist Ocrelizumab kein vollständig humaner Antikörper, sondern ein humanisierter. Das bedeutet, dass Ofatumumab überhaupt keine Mausproteine mehr hat, Ocrelizumab noch etwa 10 Prozent (Antigenbindungsstelle).



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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