Superfoods-Beratungswissen – Teil 14

Aronia – die „Gesundheitsbeere“

Münchingen - 07.04.2021, 09:15 Uhr

Aroniabeeren sind reich an Vitaminen, vor allem Folsäure und anderen B-Vitaminen, Vitamin K, Vitamin C, sowie an Mineralstoffen, insbesondere Kalium, Calcium, Magnesium, Zink, Jod, Eisen. Ihr Gehalt an antioxidativ wirkenden Polyphenolen und Anthocyanen ist hoch. (Foto: nadchmurami / stock.adobe.com) 

Aroniabeeren sind reich an Vitaminen, vor allem Folsäure und anderen B-Vitaminen, Vitamin K, Vitamin C, sowie an Mineralstoffen, insbesondere Kalium, Calcium, Magnesium, Zink, Jod, Eisen. Ihr Gehalt an antioxidativ wirkenden Polyphenolen und Anthocyanen ist hoch. (Foto: nadchmurami / stock.adobe.com) 


Zu Beginn der 2000er Jahre führte die Aroniabeere in Deutschland ein Schattendasein. Doch seit einigen Jahren boomt der Aronia-Anbau in der Landschaft. Die Nachfrage seitens der Verbraucher ist mittlerweile so groß, dass es europaweit sogar zu Lieferengpässen kommt. Aroniafrüchte sind auf einmal zur „Modebeere“ und zum „heimischen Superfood“ geworden. Was ist der Grund?

Die wild wachsenden, schwarzen Aroniabeeren sind – wie auch andere dunkle Beeren – beliebte Leckerbissen für Zugvögel. Vogelkundler betrachteten dies als Indiz dafür, dass die Beeren gefüllt sein müssen mit Stoffen, die die Vögel für ihren anstrengenden Weg in südliche Gefilde gesund und fit halten. Immer auf der Suche nach neuen und interessanten pflanzlichen Substanzen, unternahmen Wissenschaftler Laborversuche mit isolierten Stoffen aus Aroniabeeren. Die veröffentlichten Ergebnisse wurden in der Folge von Marketingexperten so umgedeutet, dass die Aroniabeere gleichsam zur Wunderbeere mutierte, deren Verzehr alle nur vorstellbaren gesundheitsfördernden Wirkungen zeigen soll. 

Beratungswissen

Superfood

Seit einigen Jahren ist eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten auf dem Markt, die Aroniabeeren enthalten. Zum Kauf angeboten werden die Beeren getrocknet, als Teezubereitung, in Form von Kapseln, Pulver, Direktsaft oder Trinkampullen. Es gibt auch Aronia-Konfitüren, oft in Kombination mit anderen Obstsorten, sowie Aronia-Pasten und Früchteriegel.

Botanik der winterfesten Apfelbeere 

Aronia ist eine sommergrüne, robuste, bis zu 2 m hoch wachsende Strauchpflanze aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Ihre späte Blütezeit im Mai schützt vor Spätfrösten. Aus den weißblütigen Schirmdolden entwickeln sich die dunkel-violetten, fast schwarzen, mit einer wachsartigen Schicht überzogenen Aroniabeeren. An einer Dolde hängen bis zu 30 kleine Beeren, die ungefähr so groß sind wie Kulturheidelbeeren. Sie können im August geerntet werden. Schneidet man eine Beere auf, zeigen die symmetrisch um die Mitte angeordneten Samenkerne eine Ähnlichkeit mit dem Kerngehäuse eines Apfels – daher rührt wohl die synonyme Bezeichnung Apfelbeere. Die bis zu 8 cm langen, ellipsenförmigen Laubblätter färben sich im Herbst leuchtend rot. Im Winter zeigt der Aroniastrauch spitze, auffallend weinrote Winterknospen. Schnee und Frost sind für die Pflanze kein Problem, sie überwintert bei Temperaturen von bis zu –35 °C.

Von der Indianer-Heilkunde in die Moderne 

Ursprünglich war Aronia in Nordamerika beheimatet. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird die Pflanze in Europa, vor allem Osteuropa, kultiviert. Die nordamerikanischen Indianer nutzten Aronia als Heilpflanze, die Osteuropäer knüpften daran an. Denn die anspruchslosen Sträucher ließen sich auch in klimatisch wenig begünstigten Regionen anbauen und lieferten Früchte, die sich für den Winter konservieren ließen. Über Osteuropa gelangte Aronia in den 1970er Jahren in die ehemalige DDR, wo die dunklen Beeren von der Lebensmittelindustrie als natürlicher Pflanzenfarbstoff genutzt wurden. In den 1990er Jahren ging das Interesse an Aronia zurück, weil sich der herb-sauren Frucht geschmacklich nicht viel abgewinnen ließ.

Doch seit rund zehn Jahren erlebt Aronia eine Renaissance als „Gesundheitsbeere“. Wiederentdeckt von der einfallsreichen Nahrungsergänzungsmittel-Industrie, unterstützt durch kreatives Marketing, wurden Aronia-Plantagen in der letzten Zeit zu einem lukrativen Nischengeschäft für innovationsfreudige Landwirte. In Online-Seminaren erfahren Interessierte alles rund um den erfolgreichen, mit EU-Fördergeldern belohnten Aronia-Anbau. Dabei wird auch empfohlen, die geernteten Beeren nicht als Feldfrüchte „einfach so“ zu verkaufen. Wirtschaftlich weitaus lohnender sei die Vermarktung der „veredelten“, sprich verarbeiteten Aronia-Produkte, im Idealfall unter der eigenen Marke. Das ständig wachsende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung sei der Garant für guten Umsatz, heißt es in den Werbevideos der Aronia-Botschafter. 

Inhaltsstoffe: mehr als nur Farbe 

Aroniabeeren sind reich an Vitaminen, vor allem Folsäure und anderen B-Vitaminen, Vitamin K, Vitamin C, sowie an Mineralstoffen, insbesondere Kalium, Calcium, Magnesium, Zink, Jod, Eisen. Ihr Gehalt an antioxidativ wirkenden Polyphenolen und Anthocyanen ist hoch. Der gesundheitsfördernden Wirkung dieser sekundären Pflanzenstoffe steht die nicht immer erwünschte Gerbstoffwirkung entgegen. Die Gerbstoffe bestimmen auch den herb-adstringierenden Geschmack der Aroniabeere. Darüber hinaus findet man in den Kernen der Aroniabeeren Amygdalin, aus dem der Körper Blausäure freisetzt. Die Gefahr einer Blausäurevergiftung ist beim Verzehr üblicher Mengen zu vernachlässigen und nimmt durch Verarbeitung der Beeren ohnehin ab. Ein 70 kg schwerer Erwachsener müsste pro Tag 4 bis 8 kg frische Aroniabeeren essen, um die kritische Dosis von 0,7 mg/kg Körpergewicht zu überschreiten. Auch das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (Max Rubner-Institut) hält den Verzehr von frischen Aroniabeeren für unbedenklich, wenn die Portionen klein sind.

Die „Gesundheitsbeere“

In der Pflanze haben Anthocyane die Aufgabe, das kurzwellige UV-Licht der Sonne zu absorbieren, die Entstehung von freien Radikalen zu verhindern und so die in den Zellen vorhandenen Proteine inklusive der Zellkerne zu schützen. Gerbstoffe verdichten die Zellmembranen und erschweren so das Eindringen von Bakterien und Pilzen ins Gewebe.

Die Eigenschaften isolierter Polyphenole aus Aroniabeeren wurden in den letzten Jahren an verschiedenen Forschungsinstituten untersucht. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) schreibt dazu: „In experimentellen Untersuchungen – an Zelllinien oder in Tierversuchen – wurden antioxidative, antimikrobielle, Immunsystem-stimulierende und leberschützende Eigenschaften der Aroniabeeren-Extrakte gezeigt. Isolierte Polyphenole aus Aroniabeeren zeigten an humanen Leberkrebszellenlinien antioxidative und antiproliferative Wirkung. Auch in Studien mit Darm-, Brust-, Leukämie- und Zervixkrebszelllinien hemmten Aroniabeeren-Extrakte das Zellwachstum. Um zu prüfen, ob Aronia auch bei Menschen vor Krebs schützt, müssen jedoch klinische Untersuchungen durchgeführt werden. Diese stehen bisher aus.“

Es gibt Hinweise darauf, dass der Verzehr von Aroniabeeren-Produkten die Fettstoffwechselwerte günstig beeinflussen kann. Weitere Untersuchungen zum Einfluss von Aroniabeeren auf Bluthochdruck oder kardiovaskuläre Erkrankungen laufen zurzeit, heißt es auf der Informationsseite des dkfz.

Gesundheitsbezogene Werbeaussagen nicht erlaubt, aber... 

Die nüchterne wissenschaftliche Einschätzung hindert selbsternannte Gesundheitsexperten im Internet jedoch nicht daran, Aroniabeeren-Produkte als wirksam gegen Krebs, zur Stärkung von Herz, Hirn und Immunsystem sowie als Schönheitsmittel anzupreisen. Auf Verkaufsverpackungen von Aronia-Produkten sind Werbeaussagen, die sich auf die Vorbeugung, Heilung oder Linderung von Krankheiten beziehen, allerdings verboten. Darauf weisen Verbraucherzentralen ausdrücklich hin. Finden sich auf der Packung einer Aronia-Zubereitung Aussagen wie z. B. „für eine normale Herzfunktion“ oder „für eine normale Gehirnfunktion“, so beziehen sich diese Hinweise auf Omega-3-Fettsäuren als weitere Produktzutat, für die eine entsprechende Angabe erlaubt ist.

Nebenwirkungen?

Wer Nahrungsergänzungsmittel mit Aronia verwenden möchte, sollte die Verzehrsempfehlung des Herstellers nicht überschreiten. Krebspatienten sollten Aronia-Präparate nur nach Rücksprache mit ihrem Arzt einnehmen. Die Verbraucherzentralen weisen außerdem darauf hin, dass die in der Zutatenliste von Nahrungsergänzungsmitteln angegebenen Vitamine und Mineralien meist nicht aus der Aroniabeere stammen, sondern der Rezeptur hinzugefügt wurden. Das ist zwar im Prinzip in der Zutatenliste erkennbar, wird aber vom Verbraucher oft nicht so wahrgenommen.

Wer unter Eisenmangel leidet, sollte vorsichtig sein: Die Gerbstoffanteile der Aroniabeere können die Resorption von Eisen behindern. Auch Wechselwirkungen mit Arzneimitteln sind möglich. Patienten, die Antikoagulanzien einnehmen, müssen den Vitamin-K-Gehalt von Aroniabeeren berücksichtigen.

Man findet auch Hinweise auf Bauchschmerzen und Verstopfung, die nach Verzehr von Aroniabeeren bzw. Aroniasaft auftreten. Für eine bessere Verträglichkeit wird empfohlen, Früchte bzw. Saft nicht auf nüchternen Magen, sondern im Zusammenhang mit einer Mahlzeit zu sich zu nehmen. Frische Beeren können Zunge und Zähne vorübergehend blau färben, was gesundheitlich nicht bedenklich ist.

Beim Einkaufen beachten

Vorteilhaft ist, dass Aroniabeeren nicht erst um die halbe Welt reisen müssen, um in Deutschland auf dem Tisch zu landen. Die Aroniabeeren, die zu Saft verarbeitet werden, kommen zum größten Teil aus Osteuropa. Darauf deutet ein Hinweis „aus EU-Landwirtschaft“ hin. In Deutschland gibt es die meisten Aronia-Plantagen in Brandenburg und Sachsen. Deren Produkte sind gekennzeichnet mit dem Label „aus deutscher Landwirtschaft“. Je nach Herkunft können Aroniabeeren mit Pestiziden oder Schwermetallen belastet sein. Wer auf Bio-Qualität Wert legt, sollte auf verlässliche Bio-Siegel achten.

Getrocknete Aroniabeeren enthalten pro 100 g Früchten ca. 22 g Zucker. Der Kilopreis beträgt in Online-Shops 20 bis 60 Euro. Wer Säfte kauft, sollte – wegen der höheren Qualität – Direktsaft bevorzugen. Säfte kosten pro Liter ca. 7 bis 9 Euro.

Grundsätzlich kann der Verzehr von Aronia zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung beitragen. Die als gesundheitsfördernd bewerteten Anthocyane sind jedoch auch in Heidelbeeren, Brombeeren, Fliederbeeren oder Rotkohl enthalten, die meist preisgünstiger angeboten werden.

Extrakte nicht standardisiert 

Aronia-haltige Nahrungsergänzungsmittel enthalten Extrakte, die in ihrer Zusammensetzung –  anders als bei pflanzlichen Arzneimitteln – weder eindeutig definiert noch standardisiert sind. Meist werden noch Vitamine oder andere Zutaten hinzugefügt. Grundsätzlich gilt – wie für viele andere Superfoods, die in Arzneimittel-ähnlicher Aufmachung angeboten werden: Einzelne Pflanzenbestandteile als Nahrungsergänzung einzunehmen, bringt keine gesundheitlichen Vorteile. Wer regelmäßig und abwechslungsreich Gemüse und Obst auf seinen Speiseplan setzt, ist ausreichend mit sekundären Pflanzenstoffen und Antioxidanzien versorgt. Gesunde Ernährung ist als ganzheitliches Konzept zu betrachten, das Makro- und Mikronährstoffe in ausgewogener Menge enthält. Die Zufuhr von Pflanzenextrakten oder Konzentraten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ist aus ernährungswissenschaftlicher Sicht weder nötig noch empfehlenswert.

Auf einen Blick

  • Seit rund zehn Jahren erlebt die in Europa angebaute Aronia eine Renaissance als „Gesundheitsbeere“. Aroniabeeren enthalten Vitamine und Mineralien, Polyphenole und Anthocyane.
  • In experimentellen Untersuchungen – an Zelllinien oder in Tierversuchen – wurden antioxidative, antimikrobielle, Immunsystem-stimulierende und leberschützende Eigenschaften der Aroniabeeren-Extrakte gezeigt. Untersuchungen, ob Aronia auch Menschen vor Krebs schützt, gibt es nicht. Gesundheitsbezogene Aussagen zu Aronia-Produkten sind nicht erlaubt.
  • Der gesundheitsfördernden Wirkung der sekundären Pflanzenstoffe steht die nicht immer erwünschte Gerbstoffwirkung entgegen. Darüber hinaus findet man in den Kernen der Aroniabeeren Amygdalin, aus dem Blausäure freigesetzt werden kann. Allerdings ist der Verzehr von frischen Aroniabeeren unbedenklich, wenn die Portionen klein sind.
  • Die Gerbstoffanteile in der Aroniabeere können die Resorption von Eisen behindern. Patienten, die Antikoagulanzien einnehmen, müssen den Vitamin-K-Gehalt von Aroniabeeren berücksichtigen.
  • Grundsätzlich kann der Verzehr von Aronia zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung beitragen. Anthocyane sind jedoch auch in Heidelbeeren, Brombeeren, Fliederbeeren oder Rotkohl enthalten.


Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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