Ostersymbole und Pharmazie (Episode 3)

Der Osterhase – der flinke Eierbote

Stuttgart - 09.04.2023, 08:00 Uhr

Hasen haben längere Ohren und kräftigere Hinterbeine als Kaninchen. (Foto: Lepus europaeus, Quelle: Ivan / stock.adobe.com)

Hasen haben längere Ohren und kräftigere Hinterbeine als Kaninchen. (Foto: Lepus europaeus, Quelle: Ivan / stock.adobe.com)


Seine Karriere ist steil und vor allem süß: weltweit hoppeln Schokoladen- und Zuckerhasen millionenfach in die Osternester. Das Fantasietier Osterhase, der für die Kinder die Eier versteckt, verrichtet seine Arbeit stets geheimnisvoll im Verborgenen. Absichtlich eher wegschauen möchte man allerdings bei dem noch immer üblichen Kaninchenaugentest im Tierversuchslabor.

Bereits in der Antike galt der Hase als Sinnbild für Lebenskraft und Wiedergeburt. Seine sprichwörtliche Fruchtbarkeit qualifizierte ihn zum germanischen Boten der Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin Ostara. Zwar mag es heute eher abfällig klingen, wenn wir von einer „Vermehrung wie die Karnickel“ sprechen. Doch in früheren Zeiten war Fruchtbarkeit überlebenswichtig. Das Christentum griff auf die im Volksglauben verankerten Mythen zurück und stellte den Hasen in Beziehung zur Auferstehung Christi. In religiösen Bildern taucht der Hase immer wieder als Symbolbild auf.

Der Hase in der Kunst

Auch in der nichtsakralen Kunst ist der Hase ein beliebtes Motiv und aufgrund seiner Fruchtbarkeit häufig ein Sinnbild der Liebe. „Der Feldhase“ von Albrecht Dürer ist eins der berühmtesten Tierbilder der europäischen Kunstgeschichte überhaupt. In der modernen Kunst findet der Hase seinen Platz bei den Werken von Joseph Beuys, dessen 100. Geburtstag aktuell mit Ausstellungen gefeiert wird. Beuys erklärte den Hasen als Symbol für die Inkarnation, was im Christentum für die Menschwerdung Gottes steht.

Lieferservice für Ostereier

Die Aufgabe des Osterei-Lieferanten übernahm der Hase jedoch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei stand er anfangs noch im Wettbewerb mit Hühnern, Kuckucken, Störchen und Füchsen, die in den verschiedenen europäischen Regionen ebenfalls als österliche Eierboten galten. Doch der Hase lief dieser Konkurrenz davon – und machte im Laufe des 20. Jahrhunderts weltweit Karriere. Im deutschsprachigen Raum half ihm dabei „Die Häschenschule“,  ein Kinderbuchklassiker, die ab 1924 den Markt eroberte. Weitere Unterstützung kam von der Süßwarenindustrie, für die Zucker- und Schokoladenhasen ein Verkaufshit wurden. Vor allem ab den 1950er Jahren, als breite Massen der Bevölkerung sich den Luxus von Schokolade zunehmend leisten konnten.

Kaninchen als Labortiere

Im Englischen wurde der Osterhase zum „Easter rabbit“, im Französchischen zum „Lapin de Pâques“– das heißt, hier stand das Kaninchen Pate. Kaninchen und Hasen sind zwei verschiedene Tiere, aber sie gehören beide in die Familie der Hasen. Kaninchen haben im letzten Jahrhundert ebenfalls eine Karriere der besonderen Art hingelegt: Nach Mäusen, Ratten und Fischen gehören sie zu den meistgenutzten Labortieren in der wissenschaftlichen Forschung. Bereits im 19. Jahrhundert arbeitete Louis Pasteur bei der Entwicklung eines Tollwut-Impfstoffs mit Kaninchen als Versuchstieren. Später waren Kaninchen die ersten Tiermodelle, die durch Tumorzellen mit Krebs infiziert wurden.

Der Draize-Augenreizungstest

Seit 1944 wird der so genannte Draize-Augenreizungstest am Kaninchenauge durchgeführt, um das Augenreizungspotenzial von Chemikalien zu testen. Entwickler und Namensgeber des Tests ist der amerikanische Toxikologe John Henry Draize. Gemäß den Prüfrichtlinien werden die zu prüfenden Substanzen lebenden Kaninchen ins Auge getropft, eine unsagbar quälende Prozedur für die Tiere. Deren Durchführung gerät immer mehr in die Kritik, ist aber bis heute offenbar unverzichtbar, damit die Anwendung chemischer Stoffe für den Menschen „nicht ins Auge“ geht.

Tierversuchsfreie Alternative

Es hat schon mehrere Anläufe gegeben, den Kaninchenaugentest durch weniger belastende Verfahren zu ersetzen, so zum Beispiel durch einen Hühnerei-Test an der Chorion-Allantois-Membran, das ist die Aderhaut bzw. Fruchthülle des Hühnerembryos. Doch nicht alle Tests lassen sich damit so abdecken, dass Rechtssicherheit entsteht. Deshalb geht die Forschung weiter. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert zurzeit ein Projekt, das auf im Labor kultivierten Gewebemodellen der Augenhornhaut basiert und ein modifiziertes Cornea-Modell darstellt. Ziel ist es, ein neues Standardverfahren als tierversuchsfreie Alternative zum weltweiten Einsatz verfügbar zu machen. Das Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien in Würzburg arbeitet derzeit dran und hofft, dass das Ende des „Draize-Eye-Tests“ bald bevorsteht. Auf dass niemand, auch kein Kaninchen, dieser Quälerei eine Träne nachweint.

Langohr-Rekorde

Hasen werden gerne als „Langohren“ bezeichnet. Kaninchen haben meist etwas kürzere Ohren als Hasen, doch es gibt durchaus auch Langohren unter ihnen. Die längsten Ohren eines Kaninchens, die sogar ins Guinness-Buch der Rekorde eingingen, hatten eine Spannweite von 79 cm und gehörten einem Englischen Widderkaninchen. Gemessen wurde dieser Ohrenrekord bei einer Kaninchenzucht-Show in Kansas. Die normale Ohrenspannweite von Englischen Widderkaninchen liegt bei 60 cm. Der größte Schokoladen-Hase wurde 2014 in Brasilien hergestellt und wog unglaubliche 3.850 Kilogramm. Zum Vergleich: ein männlicher afrikanischer Elefant bringt zwischen 6.000 und 7.000 Kilogramm auf die Waage.

Dieser Artikel ist ursprünglich am 4. April 2021 erschienen und wurde aktualisiert. 



Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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