AstraZeneca

Seltene Thrombosen nach Vaxzevria-Impfung – eine Antwort und viele offene Fragen

Stuttgart - 01.04.2021, 17:55 Uhr

Eine routinemäßige Prophylaxe mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern mit dem Ziel, das Auftreten einer (atypischen) Thrombose als Folge der spezifischen immunologischen Reaktion nach Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin zu verhindern, ist nicht indiziert. (Foto: IMAGO / Lagencia)

Eine routinemäßige Prophylaxe mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern mit dem Ziel, das Auftreten einer (atypischen) Thrombose als Folge der spezifischen immunologischen Reaktion nach Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin zu verhindern, ist nicht indiziert. (Foto: IMAGO / Lagencia)


Therapieoptionen, ein „Neoantigen“ und Thrombosen an mehreren Stellen?

Zum Mechanismus hieß es schon am 19. März, dass es durch die Impfung wahrscheinlich wegen der inflammatorischen Reaktion und Immunstimulation zu einer Antikörperbildung gegen Plättchenantigene komme. Diese Antikörper induzierten dann abhängig oder unabhängig von Heparin über den Fc-Rezeptor eine massive Thrombozytenaktivierung in Analogie zur heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT). Dieser Mechanismus wurde „HIT mimicry“ genannt. 

Am 28. März wurde die zugrundeliegende Studie auf dem Preprint-Server „Research Square“ veröffentlicht. Dort wurde schließlich konkret der Name „vaccine induced prothrombotic immune thrombocytopenia“ (VIPIT, Vakzine-induzierte prothrombotischen Immunthrombozytopenie) vorgeschlagen, um Verwechslungen mit der Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) zu vermeiden, heißt es. Und so liest man auch in der neuen Stellungnahme der GTH (Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung), dass, sollte der klassische HIPA-Test (oder SRA) negativ ausfallen, die Diagnostik um einen modifizierten HIPA-Test ergänzt werden müsse. Dieser sei im Labor von Professor Andreas Greinacher in Greifswald etabliert worden und weise pathophysiologisch relevante Antikörper nach, die ein anderes Reaktionsmuster zeigten als die Antikörper bei (autoimmuner) HIT. 

Die Fachgesellschaften DGHO, dgi und DGP 

Mittlerweile haben am 30. März auch die Fachgesellschaften DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie), dgi (Deutsche Gesellschaft für Infektiologie) und DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin) gemeinsam eine Information zum Umgang mit dem Risiko von Gerinnungskomplikationen bei der AstraZeneca COVID-19-Vakzine erarbeitet. Demnach gibt es bislang keine Hinweise, dass Patient:innen mit vorbestehenden, hereditären oder erworbenen Gerinnungsstörungen ein erhöhtes Risiko für diese Komplikationen haben. Außerdem ergänzt das Papier zur Therapie:

„Bei Patienten mit bestätigter VIPIT und kritischen, organgefährdenden und/oder lebensgefährlichen Thrombosen wie z. B. einer CSVT kann zusätzlich zur Antikoagulation die Gabe von hochdosierten intravenösen Immunglobulinen (IVIG) und Dexamethason empfohlen werden.“

Und schließlich steht dort auch, dass aufgrund des Pathomechanismus diese Komplikation auch bei anderen adenoviralen Vektor-basierten Impfstoffen auftreten könne. Wie bereits erwähnt, man hat nun einen Behandlungsansatz, aber noch immer keine konkrete Ursache für die Symptome gefunden. Gegenüber dem „Science Media Center Germany“ sagte in diesem Zusammenhang Dr. Robert Klamroth (Chefarzt der Klinik für Innere Medizin – Angiologie und Hämostaseologie Zentrum für Gefäßmedizin, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin, und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung):


Die Frage, die sich jetzt stellt: Was passiert da ganz genau? Warum macht das jetzt primär der AstraZeneca-Impfstoff? Ist das doch eher der Vektor – weil das Spike-Protein auch bei den anderen Impfstoffen synthetisiert wird und als Antigen fungieren könnte? Das muss man natürlich noch herausfinden. Es fehlen natürlich noch eine ganze Reihe von Mechanismen, die aufgeklärt werden müssen.”

Dr. Robert Klamroth, stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)


Für Klamroth seien das Problem aber klar Antikörper, die durch ein Neoantigen zusammen mit dem Plättchenfaktor 4 getriggert werden und erst als Reaktion auf die Impfung entstehen. Darauf lasse auch das Zeitintervall von 4 bis 16 Tagen schließen, in dem die Komplikation aufzutreten scheint. 

Apropos England: Immer wieder kommt die Frage auf, warum die diskutierten Thrombosen dort eigentlich kein Thema sind. Klamroth äußerte sich auch dazu gegenüber dem SMC. Ein englischer Kollege habe ihm berichtet, dass man dort mit dem Yellow-Card-System gar nicht zufrieden sei. Es sei überhaupt nicht standardisiert. Das Paul-Ehrlich-Institut habe wenigstens einen standardisierten Bogen für Komplikationen, der aber auch nicht von allen genutzt werde. „Aber dort, wo es immerhin so eine leichte Standardisierung gibt, berichten Kollegen von einer Zunahme der Fälle, vor allem seitdem jüngere Menschen geimpft werden“, so Klamroth.

Die Aktivierung der Blutplättchen durch die Antikörper erzeuge dann Thrombosen an atypischen Orten, wie zum Beispiel in der Sinusvene im Gehirn. Klamroth meint dazu aber: „Wir kennen mittlerweile Einzelfälle von Patienten aus Italien und England, bei denen eine solche Thrombose zum Beispiel in der Bauchvene oder sogar in der Arterie aufgetreten ist. Ich denke, wenn man dort genauer nachschaut, wird sich das nicht nur auf die zerebralen Sinusthrombosen beschränken.”



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

AZ Elchtest die ...

von Christian Timme am 04.04.2021 um 20:16 Uhr

Wenn man alle Altersgruppen durch hat sollte man den Herstellernamen auch mal ändern ... nur so zur ... Als Apotheker und Hausarzt gibt es auch noch andere Möglichkeiten seinen Ruf zu verlieren ... aber die Chanche es gleichzeitug zu tun ... hat auch seinen Reiz ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: AZ Elchtest die

von Wdams am 07.04.2021 um 22:15 Uhr

Ältere sind im Allgemeinen gesünder und widerstandsfähiger als junge Menschen.
Deshalb vertragen sie Astrazeneca gut.
Es gibt zwar keine großen statistischeb Erhebungen darûber, weil bis vor kurzen Astrazeneca für ältere wegen geringerer Wirksamkeit nicht eingesetzt wurde. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, daß sie den Wirkstoff besser vertragen. Wenn der Impfstoff ein Auto wäre, würde der wegen Gefährdung von Menschenleben zurückgerufen!

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