Corona-Antigentests für Laien

Vereinzelungsverbot: Apothekerin erstattet „Selbstanzeige“

Stuttgart/Traunstein - 24.03.2021, 07:00 Uhr

Auseinzeln verboten: Den SARS-CoV-2-Antigentest von Roche gibt es derzeit nur in 25er-Packungen. (Foto: IMAGO / Eckhard Stengel)

Auseinzeln verboten: Den SARS-CoV-2-Antigentest von Roche gibt es derzeit nur in 25er-Packungen. (Foto: IMAGO / Eckhard Stengel)


Die Corona-Pandemie mutiert immer mehr zu einem Heimspiel für Bürokraten und Technokraten. Pragmatische Lösungen, vor allem bei den vielen Alltagsproblemen, bleiben dabei auf der Strecke. Nachdem die Discounter und Drogeriemärkte bei der Verfügbarkeit von Corona-Selbsttests derzeit immer wieder resignieren müssen, werden die Apotheken im Land vermehrt um Hilfe und Rat gefragt. Doch die Abgabe von Selbsttests an die Bevölkerung scheitert an regulatorischen Hürden. Eine Apothekerin aus Marburg will das nicht mehr akzeptieren.

In Österreich ist man (mal wieder) einen Schritt weiter: Dort geht man bei der Versorgung der Bürger mit Corona-Antigentests zur Selbstanwendung pragmatisch vor. Jeder, der vor 2006 geboren ist, hat in der Alpenrepublik Anspruch auf fünf kostenlose „Wohnzimmertests“ im Monat. Die Verteilung erfolgt über die öffentlichen Apotheken. Diese erhalten laut Auskunft der Österreichischen Apothekerkammer die Testkits in größeren Gebinden aus Beständen des Bundes. Ausgeliefert werden diese über den pharmazeutischen Großhandel. Daraus werden dann Packungen zu jeweils fünf Stück ausgeeinzelt. Die Gebrauchsanweisung wird kopiert und dazu gepackt, dann wird das Ganze abgegeben.

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Aber was in Österreich auf Initiative der Regierung hin erfolgt und sich inzwischen auch bewährt hat, steht in Deutschland auf keiner politischen Agenda. Im Gegenteil: Diese Vorgehensweise würde hierzulande sogar gegen Gesetze verstoßen. „Für das Produkt SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test zur Selbstanwendung ist eine Sonderzulassung des BfArM erteilt, welche an bestimmte Auflagen geknüpft ist. Eine dieser Auflagen beinhaltet, dass Tests aus Großpackungen durch einen Vertreiber nicht vereinzelt und separat an den Endverbraucher abgegeben werden dürfen“, erklärt ein Sprecher der Firma Roche Diagnostics auf Anfrage. Mit dem sogenannten Vereinzelungsverbot aus Großverpackungen soll dem Risiko von falsch oder unvollständig zusammengestellten kleineren Verpackungseinheiten entgegen gewirkt werden, so die offizielle Begründung.

Nachfrage groß – Discounter können nicht liefern

Und was für die Hersteller gilt, das müssen auch die Apotheken befolgen. Laut Auskunft des Regierungspräsidiums Tübingen, das bezüglich des Vertriebs von Medizinprodukten für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, ist ein solches Verbot für sämtliche Vertriebsstufen – und damit auch für die öffentlichen Apotheken – bindend.

Doch die Nachfrage in der Bevölkerung nach den Corona-Selbsttests ist immens. Nachdem vor wenigen Wochen Discounter wie Aldi und Lidl den medienwirksamen Startschuss für den Verkauf gaben und sich anschließend eine bemerkenswerte Preisschlacht lieferten, können diese und weitere Verkaufsstellen inzwischen nur noch sehr eingeschränkt Selbsttests anbieten. Lieferengpässe bestimmen den Distributionsalltag der Filialisten. Daher würde es sich angesichts der prekären Lage geradezu anbieten, 1er-Packungen aus lieferbaren Großpackungen auszueinzeln. Das wäre zum Beispiel bei der 25er-Packung des SARS-CoV-2-Antigentests für Laien der Firma Roche auch gut machbar, da hier alle notwendigen Utensilien 25 Mal vorhanden sind. Man müsste nur die einzelnen Testkomponenten verpacken und zusammen mit der Gebrauchsanweisung abgeben – wenn da nicht Kollisionsgefahr mit geltendem Recht bestünde.

Hilfeschrei einer Marburger Apothekerin

Eine Marburger Apothekeninhaberin und DAZ-Leserin will die aktuelle Situation nicht mehr akzeptieren. In einem Schreiben, das sie gleichzeitig an das Regierungspräsidium Darmstadt, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die ABDA sowie die DAZ richtet, erstattet sie jetzt „Selbstanzeige“. Seit 10. März verkaufe sie Schnelltests von der Firma Roche an Laien. Die Nachfrage sei gewaltig, weil die unmittelbare Bevölkerung bis auf einen nur sehr kurzen Zeitraum von wenigen Stunden, in denen Discounter wie Aldi lieferfähig waren, keine Zugriffsmöglichkeiten mehr hat. Vor allem am Wochenende sei der Wunsch groß, sich auf das Coronavirus selbst zu testen.

Im Auseinzeln sieht die Inhaberin überhaupt keine Probleme, geschweige denn Risiken: „Die schlimmste, daraus denkbare Folge wäre, dass der Käufer einen nicht durchführbaren Test hätte“, schreibt sie. Und diesen würde er sicher reklamieren. Eine Gefährdung vor allem durch die Tätigkeit in der Apotheke schließt sie aus. Der Alltag in der Apothekenrezeptur würde ohnehin darin bestehen, gewissenhaft zum Teil gefährliche Stoffe aus Gebinden zu entnehmen und zu hochwirksamen Arzneimitteln zu verarbeiten. Dafür sei das pharmazeutische Personal ausgebildet. Das Zusammenfügen von vier Teilen und einer Gebrauchsanweisung im Fall der Corona-Selbsttests sei dagegen „eine durchaus überschaubare Herausforderung“.

Ähnliche Situation zu Beginn der Pandemie

Die Politik habe inzwischen erkannt, dass eine Teststrategie inklusive Selbsttests einen positiven Einfluss auf das Pandemiegeschehen haben könnte – wenn auch dieser Effekt gering ausfalle. Um der Bevölkerung nun so schnell und so breit wie möglich Tests zur Verfügung zu stellen, müsste das Angebot pragmatisch an der Nachfrage ausgerichtet werden. „Das 25er-Paket von Roche ist als Gesamtpaket eine zu hohe finanzielle Hürde für den Bürger, zumal viele diese Mengen nicht benötigen“, weiß sie aus ihrer Praxiserfahrung zu berichten. Ein Zusammenschluss von Einzelpersonen in Form eines gemeinschaftlichen Kaufs und nachträglichen Aufteilens beinhalte dagegen eine mindestens genauso große Gefahr der fehlerhaften Auseinzelung.

Sie fordert die Bundesregierung daher auf, die Regelwerke genauso flexibel an die aktuelle Realität anzupassen wie am Anfang der Pandemie. Im Frühjahr 2020 wurden die gesetzlichen Hürden ausgesetzt, damit Apotheken Desinfektionsmittel für Pflegedienste, Altenheime, Firmen und Behörden herstellen konnten. „Ich war damals stolz auf die Regierung. Ich fordere eine ähnliche Weitsicht bei der Beurteilung dieser Situation“, schließt die Apothekerin ihr Schreiben ab.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

So ganz stimmts mit AT nicht

von Tiarel am 06.04.2021 um 7:58 Uhr

Die Gratis-Tests waren anfangs schnell vergriffen, weil nicht genug geliefert wurde. So konnten die Apotheken die Tests, die sie erworben hatten, nur verkaufen.

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Auseinzeln von Schnelltests

von Martina Koch am 24.03.2021 um 15:16 Uhr

Ich bin voll auf der Seite der Marburger Kollegin. Wer könnte besser als wir diese Aufgabe fachgerecht erfüllen. Auch die Arbeitgeber finden einzeln verpackte Tests bzw. ausgeeinzelte Tests besser als Großpackungen, schließlich sollen die Arbeitnehmer die Tests zu Hause durchführen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Auseinzelung

von Wolfgang Steffan am 24.03.2021 um 9:25 Uhr

Hut ab vor der Marburger Kollegin !
Sie tut nämlich etwas, was für Apothekern//Apothekerinnen
völlig untypisch ist : Sie zeigt Zivilcourage !
Ein Staat, der sich, um seine Bürger zu schützen, über das
Grundgesetz hinwegsetzt, darf sich nicht wundern, wenn
der Bürger aus demselben Grunde sich über dümmliche
Verwaltungsvorschriften hinwegsetzt.

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Amtsschimmel

von Holger am 24.03.2021 um 8:29 Uhr

"Neben der britischen und der südafrikanischen Mutante soll jetzt auch eine französische entdeckt worden sein. Die deutsche Mutante verzögert sich hingegen weiter - es fehlen noch wichtige Formulare, Anträge und Genehmigungen."

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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