Eine Kolumne von #DerApotheker

Basenprodukte machen mich sauer

22.03.2021, 07:00 Uhr

Mit Basenprodukten ist da nichts zu machen: #DerApotheker ist sauer. (Foto: IMAGO / imagebroker)

Mit Basenprodukten ist da nichts zu machen: #DerApotheker ist sauer. (Foto: IMAGO / imagebroker)


Magische Pülverchen ohne nachgewiesene Wirkung: Wer bei #DerApotheker ein Basenprodukt kaufen möchte, dem rät er unumwunden davon ab. In seiner aktuellen Kolumne nimmt er diese Präparate als Beispiel, um an die Kollegen und Kolleginnen zu appellieren: Beratet evidenz- und nicht gefühlsbasiert. Und glaubt nicht alles, was die Herstellerfirmen in sogenannten Inhouse-Schulungen versprechen.

Vor ein paar Tagen legte mir eine rund fünfzigjährige Frau ein bekanntes Basenprodukt, das angeblich gegen eine Übersäuerung helfen soll, auf den HV-Tisch und wollte von mir wissen, ob ich ihr das empfehlen könne und ob es was bringe. Meine Antwort war kurz, knapp und ehrlich: Nein!

Sie lachte, legte es weg und bedankte sich für meine Ehrlichkeit. Bei dem knappen „Nein” beließ ich es aber natürlich nicht. Ich erklärte ihr, dass diese Firmen Behauptungen aufstellen, für die es keine seriösen wissenschaftlichen Beweise gibt. Mit diesen Produkten wird an der Unwissenheit der Kunden verdient. Und sie werden leider nicht nur von Heilpraktikern empfohlen. Ob wir als Fachleute für Arzneimittel uns da einreihen und etwas ohne nachgewiesene Wirkung aktiv empfehlen sollten, kann ich ebenfalls mit einem kurzen und knappen „Nein” beantworten.

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Ich weiß allerdings auch, dass das in der Praxis leider ganz anders aussieht. Manche von uns scheinen alles unreflektiert zu glauben, was die Hersteller uns bei ihren Werbeveranstaltungen – offiziell Inhouse-Schulungen genannt – erzählen. Manches mag stimmen, aber sicher nicht alles. Die Produkte, die zum Entsäuern angeboten werden, gehören in das Reich der Pseudomedizin. Ganz egal, was die Damen und Herren der jeweiligen Firmen uns glaubhaft machen möchten.

Wäre unser Körper tatsächlich auf solche Produkte angewiesen, hätten wir ein Problem. Dass wir aber keines haben, liegt – wie die meisten von uns wissen – daran, dass unser Körper das, was diese Produkte erreichen wollen, von ganz alleine kann. Wir verfügen über einen Blutpuffer, der aus vier verschiedenen Puffersystemen besteht, die den pH-Wert des Blutes immer in einem pH-Bereich von 7,35 bis 7,45 halten. Wozu sollte man also sein Geld für irgendwelche überteuerten Mittelchen verschwenden, die höchstens in der Lage sind, uns mit ein paar Mineralien zu versorgen?

Meinung versus Evidenz

Dass ich einem Kunden von magischen Pülverchen zum Entsäuern abriet, war nicht das erste Mal und wird auch ganz sicher nicht das letzte Mal sein. Vor einer Weile sagte ich einem Kunden ebenfalls, dass er sich das Geld dafür sparen könne. Er sah mich überrascht an und forderte, dass wir dieses Zeug dann auch nicht verkaufen sollten, wenn es doch keine nachgewiesene Wirkung habe. Ich antwortete ihm: „Wie Sie sehen, versuche ich das gerade!”

Zu den ganzen Basenpulver zum Einnehmen gesellen sich dann auch noch die Basenbäder. Man lässt sich ein basisches Bad ein, legt sich hinein und der Körper entgiftet und entgiftet und entgiftet. Wissenschaftlich belegbar ist das natürlich nicht. Selbstverständlich kann sich aber jeder ein Basenbad gönnen, wenn er unbedingt möchte, dass der Säureschutzmantel seiner Haut angegriffen wird.

Mir ist durchaus bewusst, dass nicht jeder das Glück hat, wie ich, in einer Apotheke arbeiten zu dürfen, in der er aufgrund seines pharmazeutischen Wissens den Kunden auch mal Mittelchen ausreden darf.

Mir ist auch klar, dass manche Kolleginnen und Kollegen an Mittelchen glauben, die keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten können.

Mir ist allerdings nicht wirklich klar, warum sie das tun.

Noch weniger ist mir klar, warum sie diese Mittelchen zu allem Übel dann auch noch empfehlen. Denken sie tatsächlich, dass ihre Meinung mehr zählt, als alle seriöse Studien zusammen?

Wenn wir schon von Meinungen reden: Ich bin ja der Meinung, dass man sich als Kunde immer darauf verlassen können muss, dass wir in den Apotheken evidenzbasiert beraten und nicht gefühlsbasiert. Es scheint allerdings noch ein weiter Weg zu sein.

 

In Liebe,

#DerApotheker



#DerApotheker
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Nierengeflüster

von Christoph Messer am 30.03.2021 um 19:21 Uhr

Wer tatsächlich eine chronische metabolische Azidose hat, hat auch fast immer ein Nierenproblem und ist ein Fall für den Nephrologen. Und der einzige verlässliche Nachweis ist eine Blutgasanalyse, mit der man auch verschiedene Formen der Azidose abgrenzen kann, siehe auch hier: http://www.niere-azidose.de/faqs.html. Zudem ist überdosiertes Backpulver nicht harmlos; Nierenpatienten zeigen eine Übersterblichkeit, bei hohen Serum-Bicarbonatwerten. Die gute Nachricht: Im Kuchen kann man es nicht überdosieren.
Dann sind

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Behalten sie diesen Mut!

von Dr. House am 22.03.2021 um 12:08 Uhr

Hach, #DerApotheker erinnert mich an mein jüngeres Ich, wie ich da völlig idealistisch in meinen ersten Berufsjahren im HV stand. Man war damals pingelich genau, hat die Evidenz wie die Nadel im Heuhaufen gesucht, wollte es besser machen - und ja, unser Ansehen wäre deutlich besser, wenn wir uns alle mal endlich von den Produkten trennen würden, die nur wegen gutem Marketing auf dem Markt sind, medizinisch aber völliger Quatsch. Dann dämmerte mir allerdings mit den Jahren, WIEVIEL Produkte dies betrifft. Wir sind davon abhängig. Jede Apotheke die 100% evidenzbasiert berät ist morgen pleite. Man dürfte nicht mal mehr ACC abgeben. Der Fehler ist im System. Das Gesundheitssystem müsste morgen 80% Ärzte und Apotheker auf die Straße setzen, wenn wir eine vernünftige Lebensmittelindustrie hätten (Stichwort Billigfleisch und Zucker) und die Leute sich neben ordentlicher Ernährung auch sportlich betätigen würden. Wir sind mit unseren Jobs von der Irrationalität und ungesunden Lebensweise der Patienten abhängig. Dies zu verändern würde bedeuten an unserem eigenen Ast zu sägen. Das kann unser Berufsstand zwar sehr gut, aber eher an anderer Stelle. Mit den Jahren fängt man an zu verdrängen und am leichtesten fällt einem dies, wenn man irgendwann selbst an den Schrott glaubt den man verkauft. Das ist zwar bei mir noch nicht ganz der Fall, aber ich bin durch das jahrelange gegen-denstrom schwimmen mutlos geworden und hab mich mit der Situation abgefunden.

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Abgrenzung Übersäuerung - Azidose

von Juliane v. Meding, Azerta am 22.03.2021 um 11:16 Uhr

Lieber Kollege Huesmann, ich erinnere mich immer noch gerne an Ihren "Scheiß des Monats" - etwa 20 Jahre muss da her sein und ich war damals begeistert von Ihrer Courage. Es hat mir als junge Apothekerin damals aus der Seele gesprochen und ich kann heute noch nichts empfehlen, hinter dem ich nicht stehe. Uns wird viel Blödsinn angeboten in der Hoffnung, dass wir es "an den Mann bringen". Beim Säure-Basen-Haushalt habe ich während der Konzeption einer Azerta-Fortbildung allerdings gelernt, zu differenzieren: Das Blutpuffersystem ist nur eines, auch Atmung und die Leber tragen zum Säure-Basen-Gleichgewicht bei. Man muss hier m.E. unterscheiden zwischen latenter Übersäuerung und Azidose. Das Thema ist schon interessant.
Ansonsten bin ich voll beim Autor: Wir sollten uns trauen, von Produkten abzuraten, deren Inhaltsstoffe wissenschaftlich nicht belegt sind. Genau das schätzen die Kunden an unserer Beratung.

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Basenpulver

von Gregor Huesmann am 22.03.2021 um 9:40 Uhr

Lieber #DerApotheker, Sie sprechen mir aus der Seele. Auch ich rate grundsächlich von diesem Unsinn ab. Aber: Auch wissenschaftliche Aussagen behaupten, dass man den Urin-pH durch Einnahme von Natriumhydrogencarbonat basisch machen kann. Ich verstehe das nicht. Ich schlucke Natron, trifft im Magen auf HCl, ich mache einen lauten Rülpser, und im Magen befindet sich noch Kochsalz und Wasser. Mache ich einen Gedankenfehler?

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Zaubertick

von Dennis A. Effertz am 22.03.2021 um 9:24 Uhr

Das Hauptproblem ist m. E. der "Zaubertrick" der von Vertrieb und Heilpraktikern genutzt wird: pH-Stäbchen vor und nach der Basenkur. Da muss der Laie ja denken, dass es wirkt!
Wichtig ist dem Patienten klarzumachen, dass ein "saurer" Harn nur zeigt, dass seine körpereigene "Entsäuerung" bestens funktioniert. Das Ausscheidungsprodukt ph-technisch zu neutralisieren ist dann eben nur ein "Zaubertrick".

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