BfR und BDN sehen Handlungsbedarf

Rückläufige Iodzufuhr in Deutschland

Stuttgart - 16.03.2021, 09:15 Uhr

Deutschland sei wieder ein „mildes Iodmangelland“ geworden. Das sei besonders beunruhigend, weil sich bei detaillierterer Betrachtung zeige, dass gerade Mädchen – besonders die älteren Altersgruppen – mit Iod unterversorgt seien, so der BDN. (Foto: Natali / stock.adobe.com)

Deutschland sei wieder ein „mildes Iodmangelland“ geworden. Das sei besonders beunruhigend, weil sich bei detaillierterer Betrachtung zeige, dass gerade Mädchen – besonders die älteren Altersgruppen – mit Iod unterversorgt seien, so der BDN. (Foto: Natali / stock.adobe.com)


Am 9. Februar hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Stellungnahme zur „rückläufigen Iodzufuhr in der Bevölkerung“ veröffentlicht. Am 3. März warnte der Berufsverband Deutscher Nuklearmedizinier vor einer abnehmenden Iodversorgung in Deutschland. Wie könnte man die Iodaufnahme in Deutschland verbessern?

„Die Zeiten, in denen schwere Iod-Mangelerscheinungen wie der Iodmangelkropf bei Erwachsenen und der mit geistiger Behinderung einhergehende Kretinismus bei Kindern in Deutschland weit verbreitet waren, sind glücklicherweise lange vorüber“, erklärt der BDN (Berufsverband Deutscher Nuklearmedizinier) in einer Pressemitteilung vom 3. März 2021. Seit den 1980er Jahren gelte Deutschland nicht mehr als Iodmangelgebiet. Damals wurde das iodierte Speisesalz eingeführt. Doch aktuell sieht der BDN diesen Status gefährdet. Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland seien nicht mehr ausreichend mit Iod versorgt. Es müsse nun dringend über Wege nachgedacht werden, um dem Mangel an Iod entgegenzuwirken, so der BDN.

Deutschland sei wieder ein „mildes Iodmangelland“ geworden. Und das sei besonders beunruhigend, weil sich bei detaillierterer Betrachtung zeige, dass gerade Mädchen – besonders die älteren Altersgruppen – mit Iod unterversorgt seien. „Auch in anderen Studien zeigt sich, dass gerade junge Frauen im gebärfähigen Alter nicht die empfohlene Iodaufnahme erreichen“, so der BDN-Experte Professor Matthias Schmidt. Diese liegt für Jugendliche und Erwachsene bei 200 µg/Tag, während der Schwangerschaft bei 230 µg/Tag und für Stillende sogar bei 260 µg/Tag. 

Die Ursachen für die abnehmende Iodversorgung seien vielfältig: Zum einen bestehe ein – im Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit an sich positiver – Trend zu geringerem Kochsalzkonsum. Zum anderen würden sich gerade bei jungen Frauen zunehmend vegetarische oder vegane Ernährungsformen durchsetzen. Dabei werde auch auf Milchprodukte als wichtige Iodlieferanten verzichtet. In Mode sei es auch, mit „Himalaya-Salz“ oder anderen als besonders naturrein geltenden, nicht-jodierten Speisesalzen zu würzen. Doch den Hauptgrund sieht der BDN an anderer Stelle. Und zwar in der zunehmenden Verwendung verarbeiteter Lebensmittel. „Diese liefern heute den Hauptanteil des Salzes, das wir aufnehmen – sind jedoch meist mit uniodiertem Salz hergestellt“, sagt Schmidt.

Auch das BfR schrieb in einer Stellungnahme am 9. Februar 2021: „Aktuelle Daten aus den nationalen, repräsentativen Gesundheitssurveys zeigen jedoch, dass die Iodversorgung der Bevölkerung immer noch nicht optimal ist bzw. eine rückläufige Tendenz aufweist. Parallel dazu weisen die Ergebnisse einer aktuellen Markterhebung der Universität Gießen darauf hin, dass in den vergangenen Jahren weniger iodiertes Speisesalz bei der Produktion verarbeiteter Lebensmittel verwendet wird.“

Lebensmittelhersteller in die Pflicht nehmen?

In Deutschland könnten Hersteller selbst entscheiden, ob sie iodiertes Speisesalz in ihren Lebensmittelprodukten verwenden, so das BfR. Gesetzlich geregelt sei die Iodmenge, die dem Salz zugegeben werden darf. Sie liege derzeit bei 15 bis 25 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg). Zudem solle mit der „Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ (NRI) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) der Gehalt von Zucker, Fett und Salz in industriell verarbeiteten Fertigprodukten und handwerklich hergestellten Lebensmitteln in den kommenden Jahren schrittweise gesenkt werden. Dieser Umstand sei grundsätzlich begrüßenswert, allerdings müsse der mit einer reduzierten Salzaufnahme verknüpften verminderten Aufnahme von Iod durch Erhöhung des Iodgehalts in iodiertem Speisesalz entgegengewirkt werden, so das BfR.

Vor diesem Hintergrund hat das BfR nun bewertet, ob eine Erhöhung der zulässigen Iodkonzentration in Salz von 25 auf 30 mg pro kg Salz aus ernährungsphysiologischer und toxikologischer Sicht sachgerecht wäre. 

Insgesamt komme das BfR zu dem Schluss, heißt es, dass eine Erhöhung des maximalen Iodgehaltes in Salz von 25 auf 30 mg/kg dann als sachgerecht angesehen werden kann, wenn der Verwendungsgrad von Iodsalz über alle Lebensmittel hinweg mindestens 36 Prozent betragen und 42 Prozent nicht wesentlich übersteigen würde.

Sowohl eine Iodunterversorgung als auch eine Iodüberversorgung bergen Risiken

Sowohl eine Iodunterversorgung als auch eine Iodüberversorgung bergen laut BfR gesundheitliche Risiken. In verschiedenen Studien könne ein U-förmiger Zusammenhang zwischen der Iod-Urinausscheidung und verschiedenen Schilddrüsenparametern beobachtet werden. Darüber hinaus sei ein U-förmiger Zusammenhang zwischen der Iod-Urinausscheidung und der Strumaprävalenz sowie dem Risiko einer gegen die Schilddrüse gerichtete Autoimmunität gefunden worden. Daher hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) anhand von Modellrechnungen eingeschätzt, ob eine Erhöhung der gesetzlichen Höchstmenge von Iod in Speisesalz von 25 auf 30 mg/kg das Auftreten des Risikos einer unzureichenden Iodaufnahme verringern kann, ohne gleichzeitig zu einer Überschreitung der noch tolerierbaren täglichen maximalen Aufnahme (Tolerable Upper Intake Level, UL) zu führen.

Tolerable Upper Intake Level (UL)

„Unter Zugrundelegung eines Unsicherheitsfaktors von 3 hat die EFSA einen UL von 600 µg pro Tag für Erwachsene festgelegt. Diese Aufnahmemenge war aus Sicht der EFSA auch noch akzeptabel für schwangere und stillende Frauen. Für 1- bis 17-jährige Kinder wurde ein UL von 200 bis 500 µg pro Tag abgeleitet. Die EFSA führte jedoch auf, dass in Ländern mit einem langjährigen Iodmangel eine Aufnahme von 500 µg pro Tag bei Erwachsenen nicht überschritten werden sollte, um das Auftreten einer Schilddrüsenüberfunktion zu vermeiden (EFSA, 2002). […] Daher wurde auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein UL von 500 µg pro Tag für Erwachsene als sinnvoll angesehen (D-A-CH, 2015).“ Quelle BfR

Modellszenarien, die sich bislang auf Jugendliche und Erwachsene beziehen, würden zeigen, dass eine Erhöhung des Iodgehalts im Kochsalz um 5 mg/kg – unter Berücksichtigung einer erfolgreichen zehnprozentigen Reduktion des Salzverzehrs im Rahmen der NRI – die mediane Iodzufuhr zwar bevölkerungsweit etwas erhöht. Doch insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Alter würde das Auftreten des Risikos für eine unzureichende Iodaufnahme so nur geringfügig gesenkt. Eine alleinige Erhöhung des Iodgehalts im Salz um 5 mg/kg sei ohne Steigerung des Verwendungsgrads von Iodsalz zur Herstellung industriell und handwerklich hergestellter Lebensmittel laut BfR daher nicht sachgerecht.

Damit scheinen sich das BfR und der BDN einig zu sein: „Ein Weg, um dem Iodmangel zu begegnen, könnte daher in der Verpflichtung von Lebensmittelherstellern liegen, in ihren Produkten ausschließlich iodiertes Speisesalz zu verwenden“, schrieb der BDN am 3. März. Und auch die Anhebung des Iodgehalts in iodiertem Speisesalz von derzeit 20 µg auf 25 µg pro Gramm Salz könnte laut BDN dazu beitragen, eine ausreichende Versorgung mit Iod zu gewährleisten.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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