ANTIGENTESTS zur EIGENANWENDUNG

Weniger sensitiv – na und?

München - 12.03.2021, 17:50 Uhr

Wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? (Foto: IMAGO / Future Image)

Wie maßgeblich ist die limitierte Testempfindlichkeit überhaupt, wenn es um ein Screening auf Infektionen geht? (Foto: IMAGO / Future Image)


Tempo sticht Genauigkeit

Was das für die Teststrategie bedeutet, wurde in verschiedenen Testszenarien modelliert. Nach Larremore und Kolleg:innen in „Science Advances“ hängt die Effektivität des Screenings nur marginal von der Testempfindlichkeit ab, aber wesentlich von der Häufigkeit des Testens und zudem von der Dauer bis zum Ergebnis, das eine rasche Isolation positiv Getesteter erlaubt. Betont wird, dass es während der exponentiellen Virusvermehrung nur ein kleines Zeitfenster gibt, in dem ein PCR-Test schon positiv ausfällt, aber ein weniger sensitiver noch nicht. Antigentests, die auf eine hohe Viruslast anschlagen, seien ausreichend in ihrer Genauigkeit, aber eben schneller als PCR-Tests, zudem billiger.

David Paltiel und Mitarbeiter:innen berechneten die Effekte verschiedener Tests und Testfrequenzen (alle 2, 3 oder 7 Tage) in einer fiktiven Kohorte mit 0,2 Prozent Infizierten. Heraus kam, dass schon mit einem Test von geringer Sensitivität (70 Prozent) aber guter Spezifität (mind. 98 Prozent), der alle zwei Tage angewendet wird, die Zahl der Infektionen kontrollierbar bleibt. Verbunden mit strikten Verhaltensregeln würde dies z. B. Schulöffnungen erlauben, so die Autor:innen im „JAMA“. Das Anheben der Testfrequenz senkte die kumulative Inzidenz positiver Fälle wesentlich stärker als das Anheben der Testsensitivität. Weit wichtiger sei eine hohe Spezifität zur Vermeidung falsch-positiver Resultate.

BU: Wiederholte Screeningtests helfen, das Fortschreiten der Pandemie zu unterdrücken: Ausgehend von einer 2 Prozent-Prävalenz und einem Testbeginn bei 4 Prozent, wird die Entwicklung des prozentualen Anteils infizierter Personen für verschiedene Testregime dargestellt: bei Testung von 50 Prozent bzw. 75 Prozent aller Personen und bei 3- bzw. 7-tägiger Testfrequenz. [Ordinate: Prävalenz Abszisse: Wochen seit Beginn des Screenings]
Quelle: Larremore et al.,Science Advances 01 Jan 2021
 BU: Schematische Darstellung der Viruslast und der unteren Nachweisgrenze (Limit of Detection, LOD) für einen Antigentest (LOD 105 Viruskopien/ml Probe) und einen PCR-Test (LOD 103 Kopien/ml). Der PCR-Test schlägt wegen höherer Sensitivität etwas früher an. Das Zeitfester, in dem nur der PCR-Test positiv ausfällt (zwischen roter und schwarzer Linie) ist im exponentiellen Viruswachstum sehr kurz, das Risiko eines falsch negativen Ergebnisses beim Antigentest entsprechend gering. Im weiteren Verlauf der Infektion spielt die unterschiedliche Sensitivität keine Rolle, beide Tests bleiben während der infektiösen Phase (etwa Tage 4 bis 8) positiv, der PCR-Test noch (unnötig) lange darüber hinaus.
[Ordinate: log 10 Viruslast / Abszisse: Tage seit der Infektion/ rotes Quadrat weglassen]
Quelle: Larremore et al.,Science Advances 01 Jan 2021

Für und wider serielles Testen

Die Kombination von häufigem Testen und schnellen Ergebnissen stellt nach Einschätzung von Prof. Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt ein sinnvolles Tool dar, um Infektionsketten zu erkennen und zu unterbrechen. Menschen stur zweimal die Woche zu testen, unabhängig von Symptomen, führe aber bei niedriger Virusprävalenz zu vielen falsch positiven Befunden. Bei einer Test-Spezifität von z. B. 99 Prozent erscheinen von 1.000 Personen 10 falsch positiv. „Wenn man am selben Tag eine Abklärung hinbekommt, ist der Schaden begrenzt, aber wenn dies bei regelmäßigen Testreihen häufiger vorkommt, könnte es bei Laien auch zu einem Vertrauensverlust in die Tests kommen“, warnt die Virologin. Ihre Heidelberger Kollegin PD Dr. Claudia Denkinger sieht dies gelassen und verweist auf die unterschiedliche Spezifität der Assays: „Wir haben mittlerweile über 40.000 Personen mit dem SD Biosensor-Test untersucht und hatten nur 20 falsch positive Ergebnisse, d.h. die Spezifität ist nicht 99 Prozent, sondern 99,9 Prozent. Auch beim Abbott-Test sind es mindestens 99,7 Prozent. Das trifft nicht für alle zu, aber die guten Tests sind wirklich gut.“



Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Sensitivität, Spezifität Artikel vs. Packungsbeilage

von Stefan Pollmeier am 06.04.2021 um 11:41 Uhr

Wie erklären sich große Abweichungen der Sensitivität und Spezifität des Tests von SD Biosensor zwischen den Angaben im Artikel und in der Packungsbeilage? SD Biosensor BfArM 5640-S-025/21 hat laut Ihrem Bericht eine Sensitivität von 96,5 % und eine Spezifität von 99,7 %, abweichend von der Packungsbeilage, die eine Sensitivität von 83,3 % (95 % CI: 74,7 % - 90,0 %) und Spezifität von 99,1% (95 % CI: 97,7 % - 99,7 %) angibt, Quelle https://assets.cwp.roche.com/f/94122/x/ee4f1e12e0/packungsbeilage_sars-cov-2_rapid_antigen_test_patienten-c-roche.pdf

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Sensitivität

von Manfred Magg am 14.03.2021 um 19:55 Uhr

Leider oft nicht berücksichtigt wird, dass bei den Herstellerangaben zur Sensitivität nur folgendes verglichen wird:
Abstrich Nasal bzw Spuck (Antigen) vs Abstrich Nasal bzw Spuck (PCR). Die Angaben zur Sensitivität beurteilen also nur die Qualität der Testkassette und nicht das ganze Testkonzept. Und da schafft es mittlerweile fast jeder Wald-und Wiesenhersteller Werte über 90 % zu bekommen.
Die echte Sensitivität bekommt man mit folgendem Vergleich:
Abstrich Nasal bzw Spuck (Antigen) vs den Goldstandard Abstrich Nasopharyngeal!!! (PCR)

Leider trauen sich die meisten Hersteller nicht, diese Werte transparent zu veröffentlichen. Warum wohl?

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Sensitivität

von S. Schmidt am 23.03.2021 um 17:16 Uhr

Die Nasenvorderbereich-Selbsttests wurden von der Charité mit Nasopharyngeal-Abstrichen verglichen, das Ergebnis war recht gut:
https://erj.ersjournals.com/content/erj/early/2020/11/26/13993003.03961-2020.full.pdf
https://www.charite.de/en/service/press_reports/artikel/detail/antigen_tests_are_self_collected_nasal_swabs_a_reliable_option/

AW: Sensitivität

von Schlenger am 06.04.2021 um 21:04 Uhr

Es gibt m.W. bisher nur 2 von unabhängigen Gruppen durchgeführte Studien von Antigentests mit Selbst-Nasalabtrich UND Selbst-Auswertung UND Vergleich mit professionellem Nasophyryngealabstrich: eine in Deutschland mit dem der SD-Biosensor/Roche-Antigentest, an der Sars-CoV-2-Testambulanz der Charité, und publiziert wie von S. Schmidt zitiert. Ein zweite Studie wurde in den Niederlanden durchgeführt, mit ähnlich guten Ergebnis:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.21.21252153v1.full.pdf
Verwendet wurde jeweils der SD-Biosensor/Roche-Antigentest, in den Niederlanden zusätzlich der Becton-Dickinson Veritor-Test.

Einspruch!

von Gunnar Müller, Detmold am 14.03.2021 um 9:49 Uhr

Sensitivität und Spezifität sind nicht abhängig von der Gesamtzahl an untersuchten Probanden!

SeNsitivität = Anteil falsch-N-egativer
S-Pezifität = Anteil falsch-P-ositiver

Soll heißen:
Die Sensitivität zeigt also, wie viele Fälle mir falsch-negativ angezeigt werden, in Wahrheit aber positiv sind (!) und mir somit als positiv-Fälle durchrutschen d. h. nicht angezeigt werden.
Anm.: geringe Sensitivität kann also durchaus durch eine Erhöhung der Probenzahlen ausgeglichen werden…

Die Spezifität zeigt, wie viele Fälle der Positiv-Befunde (! also nicht ALLER Untersuchten!) mir falsch-positiv angezeigt werden, in Wahrheit aber negativ sind und damit unnötiger Weise verdächtigt und einem PCR-Test unterzogen werden.
Anm.: Im Sinne einer Aufwands-Minimierung sollte die Spezifität möglichst nahe bei 100 % liegen, damit wirklich nur DIE Fälle als „positiv“ betrachtet werden, die auch wirklich positiv sind.

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