Landtagswahl Baden-Württemberg

Wahlprogramme: Apothekennetz oft nur eine Randnotiz

Dillingen/Stuttgart - 12.03.2021, 15:30 Uhr

Am 14. März 2021 sind die Bürger:innen Baden-Württembergs aufgerufen, über die Zusammensetzung des 17. Landtags mitzubestimmen. (Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich)

Am 14. März 2021 sind die Bürger:innen Baden-Württembergs aufgerufen, über die Zusammensetzung des 17. Landtags mitzubestimmen. (Foto: IMAGO / Arnulf Hettrich)


Am 14. März treten in Baden-Württemberg 21 Parteien zur Landtagswahl an. Auch wenn die Mehrheit in der Politik ein umfassendes Apothekennetz unterstützt, in den meisten Wahlprogrammen sind Apotheken und Arzneimittelversorgung allenfalls eine Randnotiz. Ein Blick in die Programme zeigt, welche gesundheitspolitischen Schwerpunkte die großen Parteien setzen.

Angehende Fachärzte und Ärzte wollen kaum noch in ländlichen Gebieten praktizieren – mit bereits spürbaren Auswirkungen bei der medizinischen Versorgung. Hinzu kommen demografische Faktoren, die eine Gesellschaft mit überwiegend älteren und hochbetagten Menschen zur Folge haben. Ein brisantes Thema, das in der Gesundheitspolitik – und damit in den Wahlprogrammen – der Parteien mehr oder weniger schon länger berücksichtigt wird.

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Dass Teil dieser Gesundheitsversorgung auch die flächendeckende Bereitstellung von Arzneimitteln und Beratung durch die Vor-Ort-Apotheke sind, wird in den meisten Wahlprogrammen zwar erwähnt, bleibt aber oft nur eine Randnotiz, obgleich die Vor-Ort-Apotheken aufgrund einer veränderten Marktsituation in bestimmten Regionen zunehmend von Schließung bedroht sind. Zudem werden Gesetze und Verordnungen für Apotheker:innen auf Bundesebene beschlossen. Eine Einflussnahme der Bundespolitik besteht nur über den Bundesrat. Letzteres mag auch der Grund dafür sein, dass in der Landespolitik das Apothekennetz und die Arzneimittelversorgung häufig nur eine marginale Rolle spielen.

Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick

Nach der Landtagswahl vom 13. März 2016 gehören dem 16. baden-württembergischen Landtag insgesamt 143 Abgeordnete an: Davon kommen 47 Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen (Stimmenanteil: 30,3 Prozent), 42 von der CDU (27,0 Prozent), 23 Mandate von der AfD (15,1 Prozent), 19 von der SPD (12,7 Prozent) und 12 von FDP/DVP (8,3 Prozent).

Welche Parteien landespolitisch dem Thema „Erhalt eines Apothekennetzes“ in ihren Wahlprogrammen Bedeutung beimessen, zeigt der folgende Blick in die Programme einiger großer Parteien:

Bündnis90/Die Grünen

Der 1979 in Sindelfingen gegründete Landesverband der Grünen schaffte es im März 1980 als erster bei einer Landtagswahl ins Parlament eines deutschen Flächenstaates. 2011 wurden die Grünen, auch unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe, zweitstärkste und 2016 stärkste Partei in Baden-Württemberg. Seit 2011 stellt der Landesverband mit Winfried Kretschmann den ersten und bislang einzigen Ministerpräsidenten der Grünen. Er wird auch bei der Landtagswahl am 14. März erneut als Spitzenkandidat antreten. 

Im Wahlprogramm der Grünen für die Landtagswahl 2021 soll die Umwelt- und Klimaschutzpolitik allen anderen Themen vorangestellt werden. Das Stichwort Apotheke findet sich im Grünen-Wahlprogramm unter der Rubrik „Für starke und lebendige ländliche Räume“:

„… Gute Schulen und verlässliche Kinderbetreuung sind genauso wichtig wie ein attraktives Angebot an allem, was der Mensch so braucht: von der Lesenacht in der Stadtbibliothek für die Kleinen bis zum Biergarten oder der Apotheke und dem Aquafitnesskurs für die Älteren in der nächstgrößeren Gemeinde. So bleiben unsere ländlichen Räume lebendig und attraktiv“.

„Bank, Post, Bäckerei, Café, Bürger:innenbüro, Apotheke, Mitfahrbank und Mobilitätsstation – alles soll an einem Fleck und leicht erreichbar sein. Dafür wollen wir Multifunktionszentren fördern, die als Knotenpunkte eines flächendeckenden Netzes der Daseinsvorsorge dienen.“

CDU und AfD

Die CDU stellte in Baden-Württemberg von 1953 bis 2011 den Ministerpräsidenten. Zur Oppositionspartei wurde die Partei nach der Landtagswahl 2011. Seit 2016 ist sie Juniorpartnerin in einer Koalition mit den Grünen. Spitzenkandidatin ist die derzeitige Kultusministerin Susanne Eisenmann.

In ihrem Programm zur Landtagswahl 2021 legt die CDU einen Schwerpunkt auf Wirtschaft, Klimaschutz und Digitalisierung. Gesundheitspolitisch hebt sie in ihrem Wahlprogramm die Apotheke-vor-Ort explizit hervor:

„In der Arzneimittelversorgung kommt den Apotheken vor Ort unverändert eine Schlüsselrolle in Versorgung und Beratung zu. Ergänzt um Angebote im Netz und eine zu gründende „Initiative Arzneimittelforschung und -produktion made in Baden-Württemberg“ wollen wir die Versorgungssicherheit verbessern und einen weiteren Beitrag zum Gesundheitsstandort leisten. Eine undifferenzierte Einheitsversicherung lehnen wir ab. Nur ein gesunder Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sorgt für beste Versorgung auf hohem Niveau.“

AfD

In Baden-Württemberg fiel die Landtagsfraktion der AfD vor allem durch innerparteiliche Konflikte auf, die eine Reihe von Fraktionsaustritten zur Folge hatte. Dadurch verlor die AfD im Verlauf der Legislaturperiode ihren Status als größte Oppositionsfraktion. Mit 15,1 Prozent errang die AfD in Baden-Württemberg 2016 ihr bislang bestes Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland. Und im Bundestag bildet die AfD nach ihrem Einzug 2017 die stärkste Oppositionsfraktion.

Kernthemen im Wahlprogramm der AfD sind Migration und Integration, aber auch Wirtschafts- sowie die Gesellschafts- und Familienpolitik. Zudem fordert die AfD gesetzliche Regelungen, um künftig Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten zu verhindern. Dazu heißt es weiter in dem Programm:

„Nicht erst seit der ‚Corona‘-Krise des Jahres 2020 werden deutliche Mängel in der Arzneimittelversorgung in Deutschland sichtbar. Lieferengpässe bei der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sind schon seit längerem Realität. Es ist gesetzlich sicherzustellen, dass Arzneimittel, die in Deutschland in Verkehr gebracht werden, nur innerhalb der EU, Großbritanniens, der USA, Kanadas oder der Schweiz produziert werden. Dies schließt alle im Zusammenhang mit dem Arzneimittel stehenden Produktionsvorstufen ein, also auch Rohprodukte, Hilfsstoffe, Umverpackungen und Beipackzettel. Der Arzneimittelgroßhandel in Deutschland wird verpflichtet, mindestens die Menge des durchschnittlichen Zweimonatsbedarfs bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln vorrätig zu halten.“ 

„Daneben befürworten wir die Abschaffung der Importquote für Apotheken, die nur zu geringen Kosteneinsparungen führt, dafür aber die Gefahr von Medikamentenfälschungen in sich birgt und dazu noch einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursacht.“

SPD, FDP und die Linke

Seit der ersten Landtagswahl 1952 musste sich die SPD in Baden-Württemberg stets mit der Rolle als zweitstärkste Kraft zufriedengeben. Bei der Landtagswahl 2011 wurde sie von den Grünen überholt, um fünf Jahre später nur viertstärkste Partei zu werden. Ins Amt des Ministerpräsidenten schaffte es die SPD bisher nicht, war aber in einigen Kabinetten vertreten. So in der bundesweit ersten grün-roten Koalition von 2011 bis 2016. Seitdem befindet sich die SPD wieder in der Opposition zur grün-schwarzen Landesregierung. Spitzenkandidat der SPD ist der Landtagsfraktionsvorsitzende Andreas Stoch. Die Partei strebt eine Koalition mit der FDP und den Grünen an.

Landespolitisch legt die SPD zur Wahl zur 2021 Schwerpunkte auf die Bereiche Arbeit, Bildung, Wohnen, Klimaschutz und Gesundheit. Unter dem Punkt „Medizinische Versorgung sichern“ werden ausschließlich Fach- und Hausärzte erwähnt, aber keine Apotheken:

„Den Mangel an Fach- und Hausärzt:innen spürt man besonders im ländlichen Raum. Praxen schließen, weil Ärzt:innen niemanden als Nachfolger:in finden. Diesem Trend stellen wir uns entgegen. Wir wollen Modelle wie Zweig- und Gemeinschaftspraxen, kommunale medizinische Versorgungszentren (kMVZ) und telemedizinische Behandlungen besonders fördern. Wir setzen auf finanzielle Anreize bei der Niederlassung in unterversorgten Regionen.“

FDP

Mit Reinhold Maier stellte die FDP von April 1952 bis Oktober 1953 den ersten Ministerpräsidenten des neu gegründeten Südweststaats. Bis 1968 konnte die FDP zweistellige, nach 1970 nur noch einstellige Ergebnisse bei den Landtagswahlen erzielen. Zudem war die Partei seit Gründung des Bundeslands mehrfach an der Landesregierung beteiligt.

Schwerpunkte der FDP zur Landtagswahl 2021 sind der Abbau von Bürokratie, Wohnungsbau sowie die Abschaffung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes. Der Spitzenkandidat der FDP, Hans-Ulrich Rülke, zieht eine Koalition mit CDU und SPD sowie eine Koalition mit den Grünen und der SPD in Betracht.

Die FDP räumt im Rahmen ihrer gesundheitspolitischen Ziele den Apotheken mehr Raum ein:

„… Auch die Apotheken haben unter Beweis gestellt, dass sie zur Versorgung der Bevölkerung vor Ort unverzichtbar sind. Beispielsweise stellen sie in ihren Laboratorien Desinfektionsmittel her, managen mit pharmazeutischem Sachverstand Engpässe in der Lieferkette von Arzneimitteln und leisten durch einen Botendienst bis an die Wohnungstür einen erheblichen Beitrag zur Arzneimittelversorgung.“

„Wir werden darauf hinwirken, dass die freiberuflichen, inhabergeführten Apotheken vor Ort durch faire Wettbewerbsbedingungen auch zukünftig in der Lage sein werden, ihren flächendeckenden Versorgungsauftrag wahrzunehmen. Dazu gehört die weitere Digitalisierung der pharmazeutischen Versorgung, wie etwa der Ausbau der Telematik-Infrastruktur, neue pharmazeutische Dienstleistungen (z. B. elektronischer Medikationsplan) sowie die Vernetzung der Apotheken (z. B. gemeinsame Online-Bestellplattformen).“

Die Linke

In Baden-Württemberg hatte Die Linke bei den Landtagswahlen bislang keinen Erfolg. Ulrich Maurer, ein ehemaliger Vorsitzender der SPD in Baden-Württemberg, schuf es nach einem Wechsel zur WASG von 2005 bis 2006 als erster parlamentarischer Repräsentant der späteren Partei Die Linke in den Landtag.

Zentrales Thema der Partei ist der ökologische und soziale Umbau der Wirtschaft. In der Gesundheitspolitik wird ausschließlich die medizinische Versorgung erwähnt:

„Gesundheit ist ein Menschenrecht und als solches Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Gesundheit gehört in die öffentliche Hand. Alle müssen Anspruch haben auf eine gute medizinische Versorgung auf dem neusten Stand. Es braucht eine flächendeckende Versorgung, auch in den ländlichen Regionen.

„...Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum durch dezentrale Gesundheitszentren und eine deutlich verbesserte Notfallversorgung zu sichern. Die gesetzliche Hilfsfrist  von 15 Minuten muss im ganzen Land eingehalten werden", heißt es unter anderem.

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Robert Hoffmann, Redakteur DAZ.online
redaktion@daz.online


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