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Krebs durch Ranitidin?

Stuttgart - 01.03.2021, 07:00 Uhr

In einer Versuchsanordnung wurden bei einem konstanten pH von 2,5 die Nitritkonzentrationen variiert: 50 / 25 / 10 / 5 / 2,5 / 1 mmol/l Natriumnitrit. Dort wurde eine 150 mg Ranitidin-Tablette der Sorte „cool mint“ hinzugefügt. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

In einer Versuchsanordnung wurden bei einem konstanten pH von 2,5 die Nitritkonzentrationen variiert: 50 / 25 / 10 / 5 / 2,5 / 1 mmol/l Natriumnitrit. Dort wurde eine 150 mg Ranitidin-Tablette der Sorte „cool mint“ hinzugefügt. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Bei einem pH von 2,5 bildet sich am meisten NDMA

Die Preprint-Studie basiere auf den chemischen Daten der JAMA-Veröffentlichung. In dieser habe man versucht, die NDMA-Bildung aus Ranitidin unter simulierten physiologischen Magenzuständen weiter zu charakterisieren. Dazu wurden 100 ml künstliche Magenflüssigkeit mit 50 mmol/l Natriumnitrit und variierenden pH-Werten verwendet: 1,2 / 2,5 / 3,5 / 4,5 / 5,5. Ranitidin-Tabletten in einer Dosis von 150 oder 300 mg wurden hinzugegeben. In einer weiteren Versuchsanordnung wurden bei einem konstanten pH von 2,5 die Nitritkonzentrationen variiert: 50 / 25 / 10 / 5 / 2,5 / 1 mmol/l Natriumnitrit. Dort wurde eine 150 mg Ranitidin-Tablette der Sorte „cool mint“ hinzugefügt. Alle diese Versuche wurden bei 37 °C durchgeführt, und die Proben wurden nach 2 h gezogen. Das Ergebnis: „Mittels LC-HRMS konnten wir die Bildung von NDMA aus Ranitidin in SGF [künstliche Magenflüssigkeit] über eine Reihe von physiologischen Bedingungen nachweisen.“ Bei einem pH von 2,5 schien sich bei konstanter Nitrit-Konzentration (50 mmol/l) am meisten NDMA zu bilden. Hielt man den pH-Wert bei 2,5 konstant, bildeten sich selbst bei einer Nitritkonzentration von 1 mmol/l noch 947 ng NDMA. Als lebenslang zulässige Aufnahme werden derzeit von den Behörden 96 ng/Tag toleriert. 

Die Autor:innen gestehen zwar ein, dass ihre Analysen nicht ohne Einschränkungen zu betrachten seien – so umfassten sie ein breites Spektrum reaktiver Bedingungen, von denen einige über das übliche Magenmilieu hinausgingen –, doch sie sehen darin genügend Anlass, in epidemiologischen Studien der Frage nachzugehen, inwieweit ihre Ergebnisse ein Problem für die öffentliche Gesundheit bedeuten. 

Kommentar: Auch andere Wirkstoffe prüfen

Dass diese Schlussfolgerung angebracht ist, sieht auch der Pharmazeut C. Michael White von der „University of Connecticut“ so. In seinem begleitend im JAMA veröffentlichten Kommentar schreibt er zudem, Forscher:innen müssten prospektiv auch andere Arzneimittel mit Dimethylamingruppen daraufhin überprüfen, ob NDMA auch bei höheren Temperaturen oder nach der Einnahme gebildet werden kann. Dazu verweist er auf eine Liste an Arzneimitteln, die in einer Studie von 2011 zur Wasserdesinfektion veröffentlicht wurde. In der Studie fand man laut White heraus, dass unter den gegebenen Bedingungen der Wasserdesinfektion nach 24 Stunden von Ranitidin 94 Prozent in NDMA umgewandelt worden waren, was viel mehr gewesen sei als bei zwei anderen H1-blockierenden Antihistaminika (Doxylamin und Chlorphenamin), Sumatriptan, Nizatidin, Diltiazem und Tetracyclin – jedoch hätten alle diese Medikamente NDMA erzeugt.

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Im Dezember 2019 war auch DAZ.online bereits der Frage nachgegangen, welche weiteren Arzneimittel – nach den Sartanen, Ranitidin und Metformin – von Nitrosaminverunreinigungen betroffen sein könnten. DAZ.online bezog sich damals auf eine wissenschaftliche Arbeit vom November 2018, die sich eigentlich mit den möglichen Analysemethoden zu NDMA auseinandersetzt. Veröffentlicht wurde sie unter „NDMA impurity in valsartan and other pharmaceutical products: Analytical methods for the determination of N-nitrosamines“ im „Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis“. Dort werden auch Doxylamin, Chlorphenamin, Sumatriptan, Nizatidin, Diltiazem und Antibiotika genannt, aber auch noch weitere Wirkstoffe, die potenziell das Risiko tragen, mit NDMA verunreinigt zu sein. So lässt sich jedenfalls auch die Motivation hinter dem Titel des Kommentars im JAMA erklären: „Das N-Nitrosodimethylamin-Problem von Ranitidin könnte die Spitze des Eisbergs sein“.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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