Interview mit Landrat Roland Bernhard

„Die Apotheker-Lösung ist das Markenzeichen des Böblinger Modells“

Berlin - 22.02.2021, 07:00 Uhr

Roland Bernhard ist Landrat von Böblingen und Initiator des sogenannten Böblinger Modells. (Foto: lrabb)

Roland Bernhard ist Landrat von Böblingen und Initiator des sogenannten Böblinger Modells. (Foto: lrabb)


Roland Bernhard ist ein begehrter Mann: Der Landrat von Böblingen in Baden-Württemberg kann sich derzeit vor Presseanfragen kaum retten. Er ist der Initiator des sogenannten Böblinger Modells, bei dem Apotheker Corona-Testzentren betreiben. Im Gespräch mit DAZ.online berichtet er, wie diese Kooperation zustande kam, welche Erfahrungen er aus der Zusammenarbeit mit den Pharmazeuten mitnimmt und was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beachten sollte, damit seine Erweiterung der Nationalen Teststrategie bundesweit zum Erfolg werden kann.

DAZ.online: Herr Bernhard, das sogenannte Böblinger Modell sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Maßgeblich beteiligt ist auch ein Apotheker: Björn Schittenhelm war der erste, der in Ihrem Landkreis ein Corona-Schnelltestzentrum betrieben hat. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Bernhard: Ich hatte vorher bei der Pandemiebekämpfung vor allem mit Ärzten Kontakt und die Apotheker bis dahin gar nicht auf dem Schirm. Herr Schittenhelm hat mir sein Konzept für den Betrieb eines Testzentrums vorgestellt und ich war begeistert von der Idee eines so jungen, engagierten Apothekers. Wir haben noch ein paarmal darüber gesprochen und letztlich war sein Konzept so ausgereift, dass wir seitens des Gesundheitsamts eine Beauftragung ausgesprochen haben. Ich bin sehr dankbar für die Kooperation, denn ich war von Anfang an überzeugt davon, dass die Schnelltests eine wichtige Säule im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus sein würden. Es ist in der aktuellen Situation wichtig, solche Initiativen zu unterstützen – ob Arzt oder Apotheker, ist dabei erstmal egal. Mein Ziel war es, innerhalb kürzester Zeit wirklich massenhaft Tests anbieten zu können. Inzwischen ist diese Apotheker-Lösung sogar zum Markenzeichen des Böblinger Modells geworden. Das ist eine tolle Werbung für die Präsenzapotheken in Deutschland. Und auch den digitalen Ansatz, den Herr Schittenhelm gewählt hat, finde ich super.

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Die Initiative kam offenbar so gut an, dass inzwischen vier weitere Testzentren im Landkreis Böblingen eröffnet haben.

Ja, das stimmt. Auch diese Testzentren werden von Apothekern betrieben und geleitet. Mir war es allerdings wichtig, für geregelte Rahmenbedingungen zu sorgen: Es wäre sicher nicht sinnvoll, wenn die Testzentren in einen wirtschaftlichen Wettbewerb treten müssten. Deshalb haben wir den Landkreis so aufgeteilt, dass jedem Testzentrum Kommunen mit insgesamt ungefähr gleich vielen Einwohnern zugeordnet sind. Jedes Testzentrum ist so für etwa 80.000 Menschen zuständig. Zudem haben wir dafür gesorgt, dass im Fall eines positiven Tests Kooperationsvereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten greifen und die Infizierten entsprechend direkt an eine Arztpraxis weitergeleitet werden. Gleichzeitig lassen wir unseren Apothekern ausreichend Beinfreiheit. So schreiben wir zum Beispiel nicht vor, welchen Test sie verwenden müssen, sondern nur, dass es ein hochwertiger Test sein muss.

Sie plädieren also dafür, die Leistungserbringer mit ihrer Aufgabe nicht allein zu lassen, sondern sie organisatorisch zu unterstützen?

Ja. Einer muss doch den Hut aufhaben und alles koordinieren. Das kann die Kommune sein oder eben wie bei uns der Landkreis. Einfach zu entscheiden, ab jetzt gibt es Gratis-Schnelltests in den Apotheken und Praxen, reicht nicht aus. Da braucht es einen Rahmen. Das muss nicht unserer sein, aber am Ende muss es gelingen, dass die Akteure zusammenspielen – Ärzte, Apotheker, Kommunen und Gesundheitsämter. Und dafür muss jemand die Verantwortung übernehmen.

Wie steht es um die Auslastung der Testzentren in Böblingen?

Der ganz große Run auf die Zentren ist bisher ausgeblieben. Dennoch können wir recht erkleckliche Zahlen melden: Inzwischen hat das Personal in den Testzentren bereits fast 9.000 Tests durchgeführt. Dabei muss man natürlich bedenken, dass die Zentren erst nach und nach eröffnet haben, das erste am 21. Dezember 2020 und das fünfte erst am 8. Februar 2021. Das ist auch der Tag, seit dem wir unseren Bürgern kostenlose Tests anbieten.

Wie viele der knapp 9.000 Tests waren positiv?

Wir haben 123 infizierte Personen rausgefischt. Das sind 123 unterbrochene Infektionsketten. Für mich ist das ein toller Erfolg, auch wenn die Zahl natürlich nicht riesig ist.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

9 €

von Thomas am 22.02.2021 um 10:51 Uhr

Sehr schöne Sache!
Nur in einem Punkt muss ich widersprechen: 18 € ist NICHT dasselbe wie Herr Spahn ausgelobt hat. Die Tests sind deutlich unter den "maximal 9 €" zu bekommen. Diese Differenz ist beim Böblinger Modell Teil der Kalkulation. Herr Spahn kassiert diese - geschätzt - 3 bis 4 €. Somit werden nicht mal die Personalkosten gedeckt, aber eine Menge Pflichten auferlegt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

super

von Karl Friedrich Müller am 22.02.2021 um 9:40 Uhr

davon rede ich. Das müssen nun nur noch mehr Gemeinden durchziehen. Ich weiß bis jetzt nur noch von einer weiteren.
Das Risiko darf nicht an den Apotheken hängen bleiben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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