Neue Teststrategie

Preis: „Das eigentliche Ziel sind die Selbsttests“

Stuttgart - 18.02.2021, 10:45 Uhr

AVNR-Chef Thomas Preis rechnet nicht mit einem „Run“ auf die Apotheken, wenn es künftig kostenlose Corona-Schnelltests für die Bürger:innen gibt. (Foto: AVNR)

AVNR-Chef Thomas Preis rechnet nicht mit einem „Run“ auf die Apotheken, wenn es künftig kostenlose Corona-Schnelltests für die Bürger:innen gibt. (Foto: AVNR)


Warum setzt Bundesgesundheitsminister Spahn auf ein niedrigschwelliges Angebot an kostenlosen Corona-Antigentests für alle? AVNR-Chef Thomas Preis sieht den Vorstoß im Zusammenhang mit einer übergeordneten Strategie der Bundesregierung: Weil der Start der Impfkampagne sehr holprig verläuft und ansteckendere Virusvarianten verstärkt das Infektionsgeschehen bestimmen, müsse sich die Politik nun auf eine Methode fokussieren, die sich bisher bewährt hat – nämlich das Testen auf eine bestehende Corona-Infektion. Für die Apotheken sei dies alles zu bewerkstelligen und mit langen Schlangen vor den Apotheken rechnet er nicht, sagt Preis im Gespräch mit DAZ.online.

Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sollen sich ab März alle Bundesbürger:innen auf das Coronavirus testen lassen dürfen – und zwar kostenlos. Mit diesem Vorstoß zur Erweiterung der nationalen Teststrategie hatte Spahn am gestrigen Dienstag für Aufsehen gesorgt. Um ein flächendeckendes Testangebot in kurzer Zeit aufstellen zu können, soll dabei auf bestehende Strukturen der lokalen Gesundheitsdienste und ihrer selbst betriebenen Testeinrichtungen zurückgegriffen werden. In dem Entwurf, der DAZ.online vorliegt, ist von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen, ärztlich oder zahnärztlich geführten Einrichtungen sowie medizinischen Laboren und Apotheken die Rede. In dem Papier heißt es weiter, dass die Heilberufekammern – soweit noch nicht geschehen – gehalten sind, entsprechende fachliche Empfehlungen für den Betrieb solcher Testzentren für ihre Mitglieder zu erarbeiten.

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Für Thomas Preis, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, kommt dieser Sinneswandel alles andere als überraschend: „Die Bundesregierung steht unter einem gewissen Zugzwang – sie muss Strategien entwickeln, um aus dem aktuellen Lockdown zu kommen.“ Der Winter-Lockdown müsse und solle so schnell wie möglich beendet werden. „Deshalb konzentriert man sich in Berlin auf das, was sich bisher als sehr effektiv gezeigt hat: das Testen“, so Preis im Gespräch mit DAZ.online. Durch verstärktes Testen werde man mehr symptomlose Virusträger entdecken und so Infektionen verhindern können. Der Verbandschef hatte sich bereits im vergangenen Herbst für das Testen in den Apotheken starkgemacht. Bei mehreren virtuellen Informationsveranstaltungen von DAZ.online wurden dazu die verschiedensten Aspekte beleuchtet und Beispiele aus dem europäischen Ausland vorgestellt.

Preis sieht in Spahns Idee auch die Absicht, die Zeit zu überbrücken bis Antigentests für Laien verfügbar sind. Dann würden die professionell durchgeführten Tests an Bedeutung verlieren. Bereits seit letztem Jahr sei es für Ärztinnen und Ärzte ohnehin nicht mehr vorgesehen, symptomlose Patient:innen nur auf Verdacht zu testen. Diese Personen müssten somit zunächst in eine andere Einrichtung, und erst bei einem positiven Antigen-Schnelltest das Ergebnis dann durch einen ärztlich durchzuführenden PCR-Test absichern lassen.

Warum es keinen „Run“ auf Apotheken geben wird

Bei Abwesenheit von Symptomen soll die Bevölkerung aber bald selbst in die Lage versetzt werden Corona-Tests durchzuführen, und zwar mithilfe der sogenannten Selbsttests, ist sich Preis sicher. Das würde zum einen für den privaten Bereich gelten. Andererseits könnten Restaurantbetreiber, Reise- oder Konzertveranstalter in eigener Verantwortung diese Tests von ihren Kund:innen einfordern, um Veranstaltungen ohne Infektionsrisiko durchzuführen. Dieses Szenario müsste nach Preis‘ Meinung gar nicht konkret vonseiten der Bundes- oder Landesregierung vorgegeben werden, sondern läge rechtlich in der Eigenverantwortung der Unternehmer.

Wer sich in der Bevölkerung dann jedoch professionell testen lassen will, könne dies über das flächendeckende Angebot aus ärztlichen Einrichtungen, Testzentren und Apotheken auch weiterhin tun. Der Apothekerverbandsvorsitzende rechnet zum 1. März auch gar nicht mit einem „Run“ auf alle Apotheken. Denn kostenlos durchgeführte Tests gäbe es ja nur in den jeweiligen Apotheken, die lokal von den zuständigen Behörden beauftragt wurden. Davon existierten bundesweit aber nur wenige. 

Bei der Vergütung bleibt Luft nach oben

Für beauftragte Apotheken müsse es aber eine kostendeckende Vergütung geben. Diese soll nämlich, wie es die Test-Verordnung jetzt vorsieht, für Apotheken und Ärzte bei bis zu 9 Euro für die Beschaffungskosten des Materials sowie weiteren 9 Euro für die Testdurchführung samt Ausstellung eines Zeugnisses liegen. Dies sei nicht annähernd kostendeckend. Bei der angedachten niedrigschwelligen Abgabe von Laien-Schnelltests gegen Zahlung einer Eigenbeteiligung von 1 Euro biete sich nach Auffassung von Preis die öffentliche Apotheke an. Apotheken wären logistisch und fachlich in der Lage das zu stemmen. Beachtet werden müsste aber das enorme Vorfinanzierungsvolumen, das die Apotheken stemmen müssten. Rein rechnerisch geht es pro Apotheke um 4.000 Bürgerinnen und Bürger, die getestet werden könnten, erläutert Thomas Preis. Bei einem angenommenen Anspruch von zwei Tests pro Person pro Woche sei man bei 8.000 Tests, bezogen auf den Monat belaufe sich die Anzahl auf rund 35.000 Antigen-Schnelltests pro Apotheke. Bei den zu erwartenden Einkaufspreisen für Laien-Schnelltests bewege man sich somit im deutlich sechsstelligen Euro-Bereich pro Apotheke. Für die Vorfinanzierung müssten dringend Lösungen gefunden werden. Da der Finanzminister offensichtlich schon grünes Licht zur Finanzierung gegeben hat, sollte es möglich sein, dafür auch zügig eine Lösung zu finden.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Geiz ist geil

von Dirk Krüger am 22.02.2021 um 14:06 Uhr

"Preis sieht in Spahns Idee auch die Absicht, die Zeit zu überbrücken bis Antigentests für Laien verfügbar sind. Dann würden die professionell durchgeführten Tests an Bedeutung verlieren."
Diese Einschätzung teile ich nicht. Die Laientests müssen gekauft werden, die Tests in Apotheken sollen "kostenlos" sein ( 1 € Eigenanteil). Raten Sie mal, für welche Variante sich die Menschen entscheiden werden, selbst wenn die Discounter welche für unter 5€ anbieten sollten. Alles was kostenlos ist, wird mitgenommen - ob sinnvoll oder nicht. Die "Geiz ist geil - Mentalität" ist erschreckend weit verbreitet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Laien-Schnelltests

von Roland Mückschel am 18.02.2021 um 11:11 Uhr

Also bei den Laien-Tests verstehe ich diese kolossale
Rechnung nicht. Diese Tests sollen doch auch ausserhalb
der Apotheke angeboten werden. Spahn wird schon
dafür sorgen dass auch die Tanke mit dem Staat abrechnen
kann.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Laien-Schnelltests

von ratatosk am 19.02.2021 um 10:20 Uhr

Kann Kollege Mückschel nur zustimmen ! Gerade die Grünen werden dann sofort dafür trommeln das Zeug von irgendwoher billigst umweltschädlich per Paketdienst aufzutreiben, haben sie ja bei den Masken auch so propagiert. Daher Finger weg vom Testen.

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