Künstliche Intelligenz

Husten, Röntgenbilder, Algorithmen – KI und COVID-19

Düsseldorf - 16.02.2021, 07:00 Uhr

Ein Besucher der Japan IT Week 2020 überprüft seine Temperatur mit der Wärmebildkamera NUWA Ocular des KI-Roboters „Kebbi“. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Ein Besucher der Japan IT Week 2020 überprüft seine Temperatur mit der Wärmebildkamera NUWA Ocular des KI-Roboters „Kebbi“. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Unter anderem Milchglasinfiltrate im CT-Bild automatisch erkennen

Bereits seit Beginn der Pandemie in Anwendung sind auch Algorithmen, die aus bildgebenden Diagnostikverfahren herauslesen können, ob jemand an COVID-19 erkrankt ist. Unter anderen Forscher:innen des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz veröffentlichten dazu Ergebnisse. Dabei wertet die KI Computer-Tomografie-Aufnahmen des Brustkorbs von Patient:innen aus. Unter anderem in China und den USA funktionierten Mediziner:innen auch bereits bestehende entsprechende Diagnose-Software zur Auswertung von CT- und Röntgenaufnahmen entsprechend um. Charakteristisch für eine SARS-CoV-2-Infektion der Lunge sind dabei sogenannte „Milchglasinfiltrate“. Abgegrenzte Bereiche, in denen sich Flüssigkeit ansammelt, was als weiße Flecken auf den Aufnahmen erkennbar ist. Die KI scannen dabei unter anderem automatisch auf diese Besonderheit.

Auch dabei ist insbesondere das maschinelle Lernen gefragt – in diesem Fall „Deep Learning“, eine besondere Form des Maschinen-Lernens mit neuronalen Netzen. Wie bei den Audio-Verfahren werden auch für die visuellen Methoden Tausende Proben benötigt. In Deutschland forschen unter anderen Mediziner:innen und Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Ulm und der Technischen Hochschule Ulm an dem Thema, wie das Portal „Lungenärzte im Netz“ berichtet.

Von solch konkreter Diagnostik am einzelnen Patienten abgesehen kommt die KI auch bereits bei der Suche nach Arzneimitteln und in der Epidemiologie zum Einsatz – mit einem breiten Spektrum an Einsatzgebieten.

Wirksamkeit nicht-pharmazeutischer Maßnahmen per KI prüfen

Unter anderem Google nutzt die Daten seiner User, um die Wirksamkeit „nicht-pharmazeutischer Maßnahmen“ wie Lockdown und Ausgangssperre – anhand der Mobilitätsdaten von Smartphone-Usern – darzustellen. Korreliert man dies etwa mit Fallzahlen, lassen sich epidemiologische Aussagen treffen. Ansätze sind auch etwa die Analyse von Suchanfragen etwa nach bestimmten Krankheitssymptomen, ausgewertet nach Regionen. Damit versuchte Google bereits in der Vergangenheit die Entwicklung von Grippe-Epidemien vorherzusagen.

Auch Remdesivir, das bislang einzige nicht-Antikörper-basierte zugelassene Arzneimittel zur Behandlung von COVID-19, wurde per KI gefunden. In dem Fall dank einer automatisierten Datenbank-Analyse aller weltweiten Veröffentlichungen. Andere Ansätze versuchen per Bioinformatik Wirkstoffe zu finden, die an spezifische Stellen wie das Spike-Protein des COVID-Erregers andocken.

„The Lancet“ warnt vor zu schnell zugelassenen KIs

Viele Ansätze haben allerdings gemein, dass sie auch hohe Fehlerquoten aufweisen. Falsch positive Ergebnisse etwa oder im Fall der nur in Silicio gefundenen Wirkstoffe, dass sie in vivo nicht funktionieren. KI ist immer nur so gut wie der zugrunde liegende Algorithmus. Der wiederum hängt von der Menge der berücksichtigten Variablen ab.

Ein nicht medizinisches aber mit COVID-19 zusammenhängendes Beispiel für fragwürdige KI-Entscheidungen beschreibt etwa das Manager Magazin in einem KI-kritischen Artikel. Britische Schüler sollten mittels einer KI des britischen Bildungsministeriums Abschlussnoten erhalten, die als wahrscheinlich für die wegen der Pandemie ausgefallenen Klausuren für jeden Schüler berechnet wurden. Die KI bewertete in der Folge aber insbesondere Kinder aus Arbeiter- und Migrantenfamilien mit schlechten Noten. Bei ihren Protesten schrieben die Schüler „Fuck the algorithm“ auf ihre Plakate.

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Das Fachmagazin „The Lancet“ warnt in einem aktuellen Leitartikel aus dem Januar 2021 davor, den Algorithmen zu schnell zu vertrauen. Wie auch bei einigen Arzneimitteln gab es in den USA bereits eine Notfall-Zulassung für eine COVID-19-KI-Anwendung. In dem Editorial zieht das Magazin eine im BMJ-Journal veröffentliche Studie heran, die besagt, dass eine große Zahl der KIs nur auf zu kleinen oder qualitativ schlechten Datensätzen trainiert worden seien und daher viele falsche Ergebnisse lieferten.

KI könne ein Retter aus der Pandemie sein – man müsse sie nur besser testen und trainieren, schließen die Lancet-Autoren.

Lesetipp: Diese Woche erscheint die neue Arzneimittel&Recht (1/2021):

In dieser Ausgabe befasst sich Prof. Dr. Heinz-Uwe Dettling mit dem Thema „Künstliche Intelligenz, Arzneimittel und Apotheke vor Ort“. Teil 1 des Beitrags erschien in A&R 6/20.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

KI zur Pandemiebekämpfung

von Lisa am 16.02.2021 um 17:23 Uhr

Seltsame Blüten treibt die Pandemie.
Wie wär's in erster Linie mit Stärkung des Immunsystems - ständige Angst - und Panikmache beenden, voreilige Fiebersenkung vermeiden, alles fördern, was dem Immunsystem gut tut wie Bewegung in der frischen Luft ohne Maske (zB auch Skifahren - muß ja laut Herrn Söder sehr gefährlich sein) usw.
Und es. kann ja auch gar nicht sein, dass sogar Homöopathen in Indien, USA und anderen Ländern sehr gute Erfolge bei der Behandlung von Covid-Patienten hatten/haben. Einfach mal - ohne Denkverbote - die Methode vielleicht miteinbeziehen, können muß man's halt. Mal sehen, ob wir dann die (vertrauenswürdigen?) Algorithmen noch brauchen.

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