Corona-Impfstoffe

Was die Chinesen zu bieten haben

Remagen - 12.02.2021, 17:55 Uhr

Die Notfallgenehmigungen in China sollten die Verwendung von Impfstoffkandidaten für einen begrenzten Zeitraum bei Personen mit einem hohen COVID-19-Erkrankungsrisiko ermöglichen. Dazu gehörten medizinisches Personal, Mitarbeiter:innen der Pandemiekontrolle und Zollarbeiter:innen.  (Foto: IMAGO / Xinhua)

Die Notfallgenehmigungen in China sollten die Verwendung von Impfstoffkandidaten für einen begrenzten Zeitraum bei Personen mit einem hohen COVID-19-Erkrankungsrisiko ermöglichen. Dazu gehörten medizinisches Personal, Mitarbeiter:innen der Pandemiekontrolle und Zollarbeiter:innen.  (Foto: IMAGO / Xinhua)


Mittlerweile breiten sich neben dem Corona-Virus selbst auch die Notfallzulassungen für COVID-19-Vakzine sukzessive über die Weltkarte aus. China versucht derzeit, drei Impfstoffe, die in der Entwicklung schon weit fortgeschritten sind, möglichst breit im nationalen Impfprogrammen zu verankern. Es fehlt jedoch weitgehend an verlässlichen Daten, um den Einsatz zu rechtfertigen.

Bislang gelangten nur wenige harte Daten zur Wirksamkeit der chinesischen Impfstoffe an die Öffentlichkeit. Drei, die sich aktuell in Phase III der klinischen Erprobung befinden, beruhen auf inaktivierten Viren. Zwei davon stammen aus dem Staatsunternehmen Sinopham und einer von dem in Peking ansässigen Privatunternehmen Sinovac Biotech. 

Zum Hintergrund: die „China National Pharmaceutical Group“ (Sinopharm Gruppe) verfügt über eine Untereinheit namens „China National Biotech Group“ (CNBG), die für Impfstoffe und Biowissenschaften zuständig ist. Einen der beiden Kandidaten entwickelt die CNBG zusammen mit dem „Wuhan Institute of Biological Products“ des Unternehmens („Vero cells“) und den anderen mit dem ebenfalls zur Gruppe gehörigen „Beijing Institute of Biological Products“ (BBIBP-CorV). Beide werden in Presseberichten gelegentlich verwechselt. Die einzige Adenovirus-Vakzine in Phase III stammt von CanSino Biologics (Convidicea).

Zulassungen für COVID-19-Impfstoffe aus China (Stand 10. Februar 2021)
UnternehmenNameZulassung in ChinaWeitere Zulassungen
Sinopharm/Wuhan Institute of Biological Products

Inactivated Novel Coronavirus Pneumonia (COVID-19) vaccine (Vero cells)

Inaktiviertes Virus

Notfallzulassung 
Sinopharm/
Beijing Institute of Biological Products

BBIBP-CorV

Inaktiviertes Virus

Notfallzulassung

Bedingte Zulassung am 31. Dezember 2020

zwölf Länder, darunter Ungarn

Sinovac

 

 

CoronaVac Inaktiviertes Virus

Notfallzulassung

Bedingte Zulassung am 5. Februar 2021

sechs Länder
CanSino Biologics/ Beijing Institute of Biotechnology, Academy of Military Medical Sciences 

Convidicea (Ad5-nCoV)

Vektorvakzine

 

Spezielle „Militär“-ZulassungMexiko
Quelle: COVID-19 vaccine tracker, RAPS

BBIBP-CorV von Sinopharm

Der Impfstoff mit Namen BBIBP-CorV hat im Dezember als erster in China eine bedingte Marktzulassung von der „National Medical Products Administration“ erhalten. Wie aus einer Unternehmensmitteilung hervorgeht, sollen über 60.000 Freiwillige mit 125 Nationalitäten an der klinischen Phase-III-Erprobung der Vakzine in Ländern außerhalb Chinas teilgenommen haben. Noch vor China hatten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain den COVID-19-Impfstoff am 9. beziehungsweise 12. Dezember als erste Länder genehmigt. Während Sinopharm eine Wirksamkeitsrate von 79,34 Prozent angibt, kommen die VAE auf 86 Prozent.

CoronaVac von Sinovac

Die in Peking ansässige Sinovac Biotech hat kürzlich die Ergebnisse seiner im Juli 2020 gestarteten Phase-III-Studien mit CoronaVac bekannt gegeben, die in Brasilien (NCT04456595), der Türkei (NCT04582344) und Indonesien (NCT04508075) durchgeführt wurden. Hiernach scheint die Vakzine etwas schwächer zu wirken als ihre Konkurrenten. In Brasilien betrug die Wirksamkeitsrate gegen COVID-19 bei Beschäftigten im Gesundheitswesen, die COVID-19-Patient:innen behandelten, 14 Tage nach der Impfung mit zwei Impfstoffdosen (Tag 0 und 14) über alle Fälle 50,6 Prozent; hinsichtlich der Fälle, die eine medizinische Behandlung erforderten lag sie bei 83,7 Prozent und bezüglich Krankenhausbehandlung und schweren/tödlichen Fällen bei 100,0 Prozent. In der kleineren türkischen Studie mit Beschäftigten im Gesundheitswesen, die einem hohen Risiko ausgesetzt waren (erste Stufe), und der allgemeinen Bevölkerung mit einem normalen Risiko (zweite Stufe) lag die Wirksamkeitsrate für die COVID-19-Prävention 14 Tage nach der Zwei-Dosis-Impfung basierend auf einer Analyse von 29 Fällen bei 91,25 Prozent. Offiziell veröffentlicht sind die Ergebnisse noch nicht.

Angesichts dieser verwirrenden Daten hat Sinovac in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg auf zwei besondere Aspekte hingewiesen. Erstens spiele das Zeitintervall offenbar eine große Rolle für die Wirksamkeit, denn bei einem dreiwöchigen Abstand habe man in Brasilien im Schnitt 70 Prozent ermittelt. Und zweitens sei das medizinische Personal in Brasilien, das sich um an COVID-19 Erkrankte gekümmert habe, dem hochinfektiösen Erreger stärker ausgesetzt gewesen als Personen in anderen Phase-III-Studien.

Am 5. Februar erteilte die „China's National Medical Products Administration“ eine bedingte Zulassung für CoronaVac. Seit Januar haben darüber hinaus weitere Länder, wie Indonesien, die Türkei, Brasilien, Chile, Kolumbien und Uruguay sukzessive den Noteinsatz von CoronaVac genehmigt.

Convidicea von CanSino Biologics

Der rekombinante Adenovirus-Vektorimpfstoff Convidicea (Ad5-nCoV) von CanSino Biologics nutzt das Adenovirus 5 (Ad5) als Transportvehikel für die genetische Information des Spike-Proteins von SARS-CoV-2, das auch in Sputnik V verwendet wird. Nachdem das chinesische Militär den begrenzten Einsatz der Kandidatenvakzine am 25. Juni 2020 als „besonders benötigtes Medikament“ genehmigt hatte, begann CanSino Biologics im August 2020 mit der Durchführung von Phase-III-Studien in Ländern in Mittel- und Südamerika sowie in Pakistan und Russland. Ergebnisse stehen noch aus

Das „geheime“ Notfallprogramm

Die Notfallgenehmigungen in China sollten die Verwendung von Impfstoffkandidaten für einen begrenzten Zeitraum bei Personen mit einem hohen COVID-19-Erkrankungsrisiko ermöglichen. Dazu gehörten medizinisches Personal, Mitarbeiter:innen der Pandemiekontrolle und Zollarbeiter:innen. Den Plan dafür genehmigte die Zentralregierung am 24. Juni 2020 und den konkreten Notfalleinsatz der Impfstoffe am 22. Juli. Über weitere Details zu dem Programm ist wenig bekannt. Es wurde noch nicht einmal offiziell mitgeteilt, welche Impfstoffe konkret dafür freigegeben wurden. Mittlerweile ist das aber recht verlässlich durchgesickert (siehe Tabelle). Klar ist auf jeden Fall, dass die Impfstoffe ohne die notwendige klinische Phase-III-Erprobung eingesetzt wurden, und zwar in großem Umfang. Nach Angaben der chinesischen Arzneimittelbehörde wurden bis zum 3. Februar hierüber bereits über 31 Millionen Dosen COVID-19-Impfstoffe an Schlüsselgruppen verabreicht.

Ungarn schert aus

Zwar haben einige Länder bereits Genehmigungen chinesischer COVID-19-Vakzine für den Notfalleinsatz gewährt, aber für eine Marktgenehmigung in der EU dürften die bisher bekannten Daten bei weitem noch nicht ausreichen. Außerdem gibt es in Fachmedien des Öfteren Verwirrung über nicht übereinstimmende Wirksamkeitswerte der Unternehmen und Zweifel an der Validität der Studien. 

Es bleibt abzuwarten, ob die EU angesichts des immensen politischen Drucks durch die Pandemie bei ihrem klaren Credo zu vollgültigen Zulassungen bleibt. Notfallgenehmigungen, die für die gesamt EU gelten kann sie allerdings nicht selbst erteilen. Hierüber müsste dann jeder Mitgliedstaat für seine Bürger selbst entscheiden. 

Ein Land ist bereits aus der gemeinsamen Impfstoff-Zulassungspolitik der EU ausgeschert, und zwar Ungarn. Das Land hat sowohl für Sputnik V als auch für BBIBP-CorV bereits eine nationale Notfallzulassung erteilt, um den russischen sowie den chinesischen Impfstoff für seine Bürger beziehen zu können, bevor es auf EU-Ebene so weit sein könnte.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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