Apothekerverband Nordrhein

Droht ein Desaster in der nächsten Grippesaison 2021/22?

Stuttgart - 11.02.2021, 13:15 Uhr

Die Vergütung der Apotheker bei Impfstoffen muss angepasst werden, fordert der AVNR. So kostet der Hochdosisgrippeimpfstoff Efluelda das Dreifache von standarddosierten und erhöht das finanzielle Risiko von Apothekern. (x / Foto: picture alliance / ANP | Sem van der Wal)

Die Vergütung der Apotheker bei Impfstoffen muss angepasst werden, fordert der AVNR. So kostet der Hochdosisgrippeimpfstoff Efluelda das Dreifache von standarddosierten und erhöht das finanzielle Risiko von Apothekern. (x / Foto: picture alliance / ANP | Sem van der Wal)


Droht schon wieder Ärger mit den Grippeimpfstoffen – nicht für diese Saison, sondern bereits für die kommende? Der Apothekerverband Nordrhein sieht schwarz, insbesondere was die Versorgung Älterer mit Efluelda und das finanzielle Risiko der Apotheken beim Hochdosisgrippeimpfstoff betrifft. Auch die Honorierung muss verbessert werden, findet der AVNR. So sollten die Krankenkassen die Apotheken schon vor Auslieferung der Impfstoffe bezahlen.

In diesem Grippewinter, wie auch in manchen zuvor, ist bei Influenzavakzinen nicht alles rund gelaufen. So hatte der Bund zwar zusätzliche Grippeimpfstoffe bestellt, dennoch kam es zu massiven Engpässen, und als die nationale Reserve dann endlich verfügbar war, war der Zenit der Impfmotivation überschritten. Nun bleiben einige Apotheken auf den diesjährigen Vakzinen sitzen. Das geht besser, findet der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) – und meint damit nicht nur die Verfügbarkeit der Nationalen Reserve.

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So wird in der nächsten Grippesaison 2021/2022 erstmals ein Hochdosisgrippeimpfstoff für ab 60-Jährige von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. Basis hierfür ist eine Empfehlung der STIKO (Ständige Impfkommission) vom November des vergangenen Jahres. Im Januar passte daraufhin der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Schutzimpfungs-Richtlinie dahingehend an. Stimmt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dieser Änderung zu, tritt diese am 1. April in Kraft. Die Altersgrenze ab 60 Jahren greift allerdings nur, wenn Sanofi Pasteur, der Hersteller der einzigen Hochdosis-Grippevakzine, eine Zulassungserweiterung von 65 Jahren auf 60 Jahren erhält. „Als Heilberufler stützen wir Apotheker die Empfehlung der STIKO und des G-BA, bei älteren Menschen einen Hochdosisimpfstoff bei der Grippeschutzimpfung einzusetzen. Versprechen diese Impfstoffe doch eine noch bessere Wirksamkeit in dieser Altersgruppe“, erklärt Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR.

Hochdosierte Grippeimpfung: finanzielles Risiko steigt 

Allerdings kostet Efluelda® laut Preis „gut das Dreifache der üblich dosierten tetravalenten Impfstoffe“. Dass der Impfstoff teurer ist, ist aufgrund der vierfach enthaltenen Antigenmenge erklärbar. Die Apotheker erhalten trotz erhöhter finanzieller Risiken jedoch auch hierfür nur 1 Euro pro Impfdosis. „Wir kritisieren sehr heftig, dass die schon damals äußerst knappe Honorierung von 1 Euro pro Impfdosis, die der Gesetzgeber im Zuge des im Mai 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) festgelegt hat, die Kosten für Vorfinanzierung, Beratung, Lieferung, Risikozuschlag für Warenuntergang, Nichtabnahme und Retaxationen durch Krankenkassen bei diesen Hochdosisimpfstoffen nicht ansatzweise decken,“ so Preis.

Grippeimpfstoffversorgung: Wie es besser gehen könnte

Preis rechnet bereits bei den jetzt laufenden Vorbestellungen der niedergelassenen Ärzte mit einem Bestellanteil von 75 Prozent für den wesentlich teureren Hochdosisimpfstoff. Das Einkaufsvolumen der Apotheken werde sich dann bei gleicher Bestellmenge wie im Vorjahr mehr als verdoppeln. Nach Berechnungen des Verbands gibt eine Apotheke im Durchschnitt etwa 1.000 Grippeimpfstoffe pro Saison ab. Das Einkaufsvolumen pro Apotheke würde so rechnerisch von ca. 10.000 Euro auf 30.000 Euro steigen. Sehr viele Apotheken lägen aber weit über diesen Durchschnittswerten. „So werden in diesem Jahr bei recht vielen Apotheken deutlich sechsstellige Eurobeträge zu finanzieren sein. Für viele ist das wirtschaftlich nicht mehr tragbar, sodass hier dringende Unterstützung der Politik erforderlich ist“, verdeutlicht Preis. „Die Marge, die den Apotheken derzeit von der Politik zugestanden wird, sinkt so auf unter 3 Prozent. Schon jetzt zeichnet sich deutlich ab, dass die meisten Kollegen über die Vorbestellungen der Ärzteschaft hinaus kaum noch zusätzliche Impfstoffe auf gänzlich eigenes Risiko vorbestellen“, erläutert Preis. Doch genau diese Impfstoffe seien in den vergangenen Jahren vielerorts Garant für eine zuverlässige Impfstoffversorgung gewesen, selbst wenn manche Ärzte nicht vorbestellt hätten.

Monopol bei Efluelda birgt Versorgungsrisiken

Zusätzlich befürchtet der AVNR, dass es mit Blick auf die Monopolstellung von Sanofi Pasteur bei der Hochdosisimpfung Efluelda zu Produktionsverzögerungen oder sogar Totalausfällen kommen könnte. Diese könnten durch andere Hersteller nicht einfach aufgefangen werden, was „erhebliche Auswirkungen auf eine ausreichende Anzahl an Grippeimpfungen im nächsten Jahr“ haben könne. „Das können wir uns vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie überhaupt nicht leisten“, meint Preis

Vergütung der Apotheker prozentual anpassen

Für eine optimierte Grippeimpfstoffversorgung schlägt der AVNR vor, dass die seit Jahren feststehende Fix-Marge von Apothekern wie bei anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln um einen prozentualen Zuschlag ergänzt wird, um auch bei steigenden Impfstoffpreisen Finanzierungs-, Versicherungs- und Warenuntergangskosten gegenzufinanzieren. So sei die Honorierung in Zeiten festgelegt worden, in denen Impfstoffe 10 Euro kosteten, was sich mittlerweile geändert habe.

Krankenkassen müssen früher zahlen

Zudem hat der AVNR die Idee, dass die Krankenkassen die Rezepte über die Grippeimpfstoffe den Apotheken eher bezahlen müssten, und zwar mindestens einen Monat vor Auslieferung der Impfstoffe. Auch fordert der Apothekerverband, dass die für die nächste Grippesaison geplante Grippeimpfstoffreserve von zusätzlichen fünf bis acht Millionen Dosen früh genug an die Apotheken ausgeliefert werden, anders als in der aktuellen Saison. Nach anfänglichen Engpässen entspannte die Nationale Reserve zwar im Dezember die Situation, allerdings schien dann der Zenit der Impfmotivation bereits überschritten – sodass Apotheker nun auf einer Million Impfdosen (10 Millionen Euro) sitzenblieben. „Das kann so nicht bleiben“, sagt Preis. Unter der Leitung des BMG müssten hier Kostenübernahmemodelle entwickelt werden, zumal in der nächsten Impfsaison durch die steigenden Impfstoffpreise noch höhere Lagerverluste entstünden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Grippeimpfchaos

von Gefrusteter am 01.03.2021 um 15:03 Uhr

Na prima!
Endlich stellt sich die von den kranken Kassen schon lange erhoffte Wirkung ihrer Preisdrückerei bei Grippeimpfungen ein:
Die Ärzte bestellen aus Angst vor Regressen nur die absolut nötigste Menge an Impfdosen und die Apotheken haben keine Reserven, mit denen sie Verluste durch auf eigenes Risiko bestellte und nicht abgerufene Impfungen auffangen könnten und halten sich auch zurück.
Wenn dann zigtausende Patienten nicht geimpft werden, kann man prima behaupten, das ganze System funktioniere nicht und die Politik drängen, dass man die Impfungen ganz in die Hand der Kassen legt - und dann geht das Preisdrücken über Ausschreibungen in die nächste Runde und absolut nichts wird besser.
Ist ein wenig wie die Deregulierung der Stromversorgung in Texas durch die Republikaner: erst alles kleinschlagen und dann sind die Anderen schuld...

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