Burda erwirkt einstweilige Verfügung

Google und BMG müssen Zusammenarbeit stoppen – vorläufig

Berlin - 10.02.2021, 12:00 Uhr

Google und das Bundesgesundheitsministerium dürfen vorerst nicht kooperieren. Das Landgericht München sieht darin einen Verstoß gegen das Kartellrecht. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Google und das Bundesgesundheitsministerium dürfen vorerst nicht kooperieren. Das Landgericht München sieht darin einen Verstoß gegen das Kartellrecht. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Medien- und Meinungsvielfalt in Gefahr

Als Betreiber eines Gesundheitsportals sei Netdoktor aber in besonderem Maße davon abhängig, auf der Suchergebnisseite der Google-Suche eine gute Sichtbarkeit zu erzielen – da rund 90 Prozent der Nutzer über eine Google-Suche bei Netdoktor landeten, so die Richter. „Diese Sichtbarkeit wird stark eingeschränkt, weil die Infoboxen die Aufmerksamkeit der Nutzer von den allgemeinen Suchergebnissen ablenken und auf sich ziehen. Damit stillen sie das Informationsbedürfnis der Nutzer bereits vielfach. Dies führt zu einer Verringerung des Nutzeraufkommens bei Netdoktor und damit potenziell auch zu einem Verlust von Werbeeinnahmen, mit denen Netdoktor als privater Anbieter sein Portal finanziert.“

Die Zusammenarbeit von Google und dem BMG sei auch nicht wegen „qualitativer Effizienzgewinne“ ausnahmsweise zulässig, so das Gericht weiter, etwa wegen einer Verringerung des Suchaufwands für die Nutzer oder einer Verbesserung der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung durch die Infoboxen. Denn etwaige mit der Zusammenarbeit verbundene Vorteile wögen jedenfalls nicht die Nachteile auf. „Diese liegen insbesondere in einer möglichen Verdrängung der seriösen privaten Gesundheitsportale und in der damit verbundenen drohenden Reduzierung der Medien- und Meinungsvielfalt“, führt die Richterin aus.

Sinkende Klickzahlen begründen Dringlichkeit

Die Kammer bewertete die Anträge auf Erlass der einstweiligen Verfügungen auch als dringlich. Netdoktor habe glaubhaft gemacht, dass sich die geringere Sichtbarkeit bei einigen besonders oft gesuchten Krankheiten seit Beginn der Zusammenarbeit von Google und dem BMG bereits in rückläufigen Klickraten ausgewirkt habe. Den daher zu befürchtenden Verlust von Werbeeinnahmen müsse das Unternehmen nicht abwarten, ehe es gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.

Nicht zu entscheiden hatte die Kammer übrigens über die Frage der Zulässigkeit des Nationalen Gesundheitsportals als solches. Der hierauf zielende Antrag von Netdoktor wurde nach einem Hinweis der Kammer zurückgenommen. Ein weiterer Antrag, der auf einseitiges marktmissbräuchliches Verhalten von Google gestützt war, wurde aus formellen Gründen zurückgewiesen.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Das BMG und Google können Rechtsmittel einlegen – und das ist sicherlich auch zu erwarten. Endgültige Klärung brächten erst Hauptsacheverfahren, doch diese sind nach Auskunft des Gerichts derzeit nicht beim Landgericht München I anhängig.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Einstweilige Verfügung von BURDA gegen BMG und Google

von Robert Huber am 11.02.2021 um 7:04 Uhr

Der Pyrrhussieg von BURDA wird nicht nachhaltig wirken. Wenn ein Verlag seine Pfründe der Werbeeinnahmen nur mit einstweiligen Verfügungen gegen den Informationswillen eines Bundesministeriums sichern kann, so ist es nur eine Frage der Zeit, dass sich immer mehr Leser bzw Konsumenten von diese Verlag abwenden werden.
Der Verlag BURDA sollte statt dessen versuchen durch Qualität und kompetentes Angebot zu überzeugen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Einstweilige Verfügung von BURDA gegen

von Gregor Jahn am 11.02.2021 um 10:09 Uhr

Lieber Herr Huber,

natürlich haben Sie recht mit der Aussage, dass ein Verlag mit Qualität und Kompetenz seiner Leser gewinnen sollte.

Das gilt aber auch für das BMG. Und zu glauben, dass man schon mit guter fachlicher Arbeit bestehen kann, ist - vorsichtig ausgedrückt - ein etwas zu simples Bild davon, wie Medien Marktanteile erkämpfen oder auch nicht.

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