Studie zur Endemisierung

Wird COVID-19 einfach zu einer weiteren Erkältung?

Düsseldorf - 02.02.2021, 17:50 Uhr

Wie wirkt sich eine Endemisierung neuer Coronaviren auf die Impfstrategie aus? Wäre die „Infection Fatality Ratio“ unter Kindern gering, könnten Impfungen nur während der Epidemie-Phase wichtig sein. Bei einer hohen Letalität der jungen Infizierten, müssten aber insbesondere Kinder geimpft werden. (Foto: Monet / stock.adobe.com)

Wie wirkt sich eine Endemisierung neuer Coronaviren auf die Impfstrategie aus? Wäre die „Infection Fatality Ratio“ unter Kindern gering, könnten Impfungen nur während der Epidemie-Phase wichtig sein. Bei einer hohen Letalität der jungen Infizierten, müssten aber insbesondere Kinder geimpft werden. (Foto: Monet / stock.adobe.com)


US-Forscher der Emory Universität in Atlanta und der Staatlichen Universität Pennsylvania haben Voraussagen zur Entwicklung des SARS-CoV-2 Virus gewagt und Vergleiche mit den vier weltweit endemisch zirkulierenden Coronavirus-Stämmen angestellt. Demnach könnte der Erreger in absehbarer Zeit seinen Schrecken verlieren – und Impfungen könnten weniger wichtig werden. Das kann aber Jahrzehnte dauern und das Szenario hängt von zahlreichen Freiheitsgraden ab.

„Just another common cold virus?” – Nur ein weiterer Erkältungsvirus – so betitelt die Emory Universität in Atlanta ihre Pressemitteilung über die Arbeit der Forscherin Jennie Lavine und ihrer Kollegen Rustom Antia sowie Ottar Bjornstad von der Staatlichen Universität Pennsylvania. Damit sind Forscher und Presseteam nicht etwa unter die Corona-Leugner gegangen, von denen diese Aussage ja oft als scheinbares Argument vorgebracht wird.

Vielmehr prognostizieren die Forscher um die Biologin Lavine, was in absehbarer Zeit aus dem SARS-CoV-2 Virus werden könnte, der aktuell als Erreger von COVID-19 für Tausende Tote, Kranke, Lockdowns und Social Distancing auf der ganzen Welt verantwortlich ist. Die Ergebnisse ihrer Forschung haben sie jetzt im renommierten Fachmagazin Science veröffentlicht. 

Die Forscher haben sich dabei Daten vorgenommen, die zur Seroprävalenz von IgG- und IgM-Antikörpern gegen die vier weltweit endemisch zirkulierenden humanen Coronavirus-Stämmen NL63, 229E, OC43 und HKU1 differenziert nach Altersgruppen vorliegen. Diese Coronaviren verursachen in der Regel bereits bei Kindern Erkältungen mit meist milden Symptomen. Zusätzlich glichen sie ihre Ergebnisse mit Daten ab, die zu den beiden weiteren humanen Coronaviren SARS-CoV-1 und MERS-CoV existieren. 

Vorhersage über die Entwicklung hin zum endemischen Erreger

Aus dem Vergleich der Daten entwickelten die Forscher ein quantitatives Modell, dass Aussagen über die mögliche Entwicklung des COVID-19-Erregers SARS-CoV-2 hinsichtlich der Änderungen bei der Übertragung und bei der Schwere der Erkrankung trifft, bei seiner Fortentwicklung zu einem endemischen Erreger.

Die Hypothese der Forscher war dabei, dass „alle humanen Coronaviren Immunität nach den gleichen Charakteristiken hervorrufen“. Das aktuelle „Public Health-Problem“ sei demzufolge nur das Ergebnis des epidemischen Ausbruchs in einer Population, die immunologisch naiv dem Erreger gegenüber ist, also noch nie zuvor mit ihm in Kontakt trat. Daher seien besonders die älteren von schweren Erkrankungen betroffen, da sie nie zuvor in Berührung mit dem Erreger kamen – anders, als das etwa bei den vier endemischen CoV-Stämmen sei.

Aus den Seroprävalenz-Daten für die hCoV-Stämme schlossen die Wissenschaftler, dass es weltweit in der Regel zu einem sehr frühen Kontakt mit einem der vier Viren kommt. So zeigen bereits kleine Kinder einen Titer für die IgM-Antikörper gegen diese Viren, die nur in der akuten ersten Phase einer Infektion gebildet werden. Durchschnittlich erfolge eine Infektion zwischen 3,4 und 5,1 Jahren, spätestens bis zum 15 Lebensjahr sei praktisch jeder einmal mit diesen „Erkältungs-Viren“ in Kontakt geraten. Bei über 15-Jährigen finden sich keine IgM-Titer mehr im Serum.

Spätere Re-Infektionen, so schlossen sie, würden daher in jedem Fall durch eine IgG-vermittelte erworbene Immunität bekämpft.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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