Impfgipfel

Hoffnung auf spürbar mehr Impfstoff-Nachschub bis zum Sommer

Berlin - 02.02.2021, 10:45 Uhr

Der Bayer-Konzern kündigte an, im nächsten Jahr rund 160 Millionen Dosen des Impfstoffs herzustellen, den das Tübinger Unternehmen Curevac derzeit entwickelt. (Foto: IMAGO / Sven Simon)

Der Bayer-Konzern kündigte an, im nächsten Jahr rund 160 Millionen Dosen des Impfstoffs herzustellen, den das Tübinger Unternehmen Curevac derzeit entwickelt. (Foto: IMAGO / Sven Simon)


Nach dem schleppenden Start der Corona-Impfungen in Deutschland kommt mehr dringend erwarteter Nachschub in Sicht. Bis zum Sommer sollen die Impfstoff-Lieferungen deutlich anziehen – im gesamten Jahr könnten es laut einer neuen Schätzung des Bundes bis zu 322 Millionen Dosen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte am Montag nach dem sogenannten Impfgipfel das Ziel, allen Bürgern bis zum Ende des Sommers am 21. September ein Impfangebot zu machen. Nach Ärger über organisatorische Probleme wollen sich Bund und Länder über bevorstehende Lieferungen enger abstimmen. Der Hersteller Biontech kündigte eine Produktionsausweitung an. Auch der Pharmariese Bayer will bald bei der Fertigung eines anderen Präparats mithelfen.

Merkel sagte nach der Videokonferenz, besonders für die Länder sei ein „höchstes Maß an Planbarkeit“ wichtig. Den Herstellern sei sehr klargemacht worden, dass jede voraussagbare Woche gut sei. Es sei aber auch verständlich, dass die Unternehmen nicht mehr zusagen wollten, als angesichts komplexer Prozesse redlich sei. Bund und Länder wollten in einem „nationalen Impfplan“ künftig auch bestimmte Annahmen modellieren, um Mengen vorab besser abschätzen zu können. 

Kritik wegen schleppenden Impfbeginns

An der Beratung nahmen neben den Ministerpräsidenten auch Vertreter der Pharmabranche und der EU-Kommission teil. Gut einen Monat nach Beginn der Impfungen hatte sich angesichts knapper Mengen, teils unsicherer Lieferungen und oft überlasteter Telefon-Hotlines für Impftermine massive Kritik aufgestaut. Schon vor dem Impfgipfel sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), realistischerweise sei noch mit einigen Wochen der Impfstoffknappheit zu rechnen. 

Die Mengen sollen im Lauf des Jahres aber schrittweise anwachsen, wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden neuen Übersicht des Ministeriums hervorgeht. Nach 18,3 Millionen Dosen im laufenden ersten Quartal könnten demnach im zweiten Quartal 77,1 Millionen und im dritten Quartal 126,6 Millionen Dosen verschiedener Hersteller folgen. Im vierten Quartal könnten es 100,2 Millionen Dosen sein. Die Schätzung bezieht sich auf Verträge und geplante Vereinbarungen sowie voraussichtliche Zulassungstermine einiger Impfstoffe. Das Ministerium betont, dass die Prognosen immer mit Unsicherheiten behaftet und Änderungen nicht ungewöhnlich seien.

Müller fordert umfassende Information von Herstellern

Merkel erläuterte, eine Impfzusage für alle Bürger bis zum Ende des Sommers könne auch dann aufrechterhalten werden, wenn nur die drei zugelassenen Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca kämen. Bei weiteren erwarteten Zulassungen gebe es sogar ein größeres Angebot. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, möglichst frühe und umfassende Information der Hersteller sei wichtig. Zugleich habe man gelernt, dass man die Produktion nicht von heute auf morgen beliebig hochfahren könne. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, es sei noch Geduld gefordert. Planungen gingen „nicht mit der Stoppuhr“. Wichtig sei aber, nicht im Nebel zu stochern.

Ergebnis des Impfgipfels laut Lindner enttäuschend

Von der Opposition kam Kritik. FDP-Chef Christian Lindner nannte das Ergebnis des Impfgipfels enttäuschend. „Aus langsamen Fortschritten beim Impfen darf sich nun kein Dauer-Lockdown bis zum Ende des Sommers ergeben“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Linke-Chef Bernd Riexinger sagte: „Die gute Nachricht des Tages kommt nicht vom Impfgipfel, sondern erstaunlicherweise von den Herstellern.“ Obwohl noch zu wenig Impfstoff zur Verfügung stehe und Impfzentren kaum ausgelastet seien, verzweifelten Impfwillige bereits in Warteschleifen der Telefonhotlines zur Terminvereinbarung.

Pfizer: Umbauten in belgischem Werk sind abgeschlossen

Biontech will in diesem Jahr zwei Milliarden statt der bisher genannten 1,3 Milliarden Dosen seines Präparats herstellen. Umbauten im belgischen Werk des Partners Pfizer in Puurs seien erfolgreich abgeschlossen worden. „Nun sind wir zurück im eigentlichen Zeitplan für die Lieferung von Impfstoffdosen an die Europäische Union.“

Der Bayer-Konzern erwartet, im kommenden Jahr rund 160 Millionen Dosen des Impfstoffes herstellen zu können, den das Tübinger Unternehmen Curevac derzeit entwickelt. Curevac erklärte, bis zum Jahresende „mehrere hundert Millionen Dosen“ zur Verfügung haben zu wollen.

Spahn ändert Impfverordnung: neue Priorisierung geplant

Spahn kündigte Änderungen bei der Verordnung an, die Vorgaben für die Impfungen macht. Hintergrund ist, dass der AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission vorerst nur Erwachsenen unter 65 Jahren gespritzt werden soll. „Im Grundsatz werden die Priorisierungsgruppen so bleiben, wie sie sind“, sagte der Minister. Eingefügt werden sollen aber Altersvorgaben.

Das betrifft auch die laufenden Impfungen der Gruppe mit höchster Priorität – dazu gehören Über-80-Jährige, Bewohner und Personal in Pflegeheimen sowie Gesundheitspersonal etwa in Intensivstationen. Sind diese Beschäftigten jünger als 65, sollen sie vorrangig mit AstraZeneca geimpft werden. Ab 65 soll man Anspruch auf Impfungen mit einem der beiden anderen Impfstoffe von Biontech und Moderna haben. 

Zudem sollen Menschen mit Vorerkrankungen voraussichtlich teilweise etwas früher geimpft werden können als bisher vorgesehen. Nach einem der dpa vorliegenden Entwurf sollen etwa Diabetiker mit hohen Blutzuckerwerten eine Impfung schon in der zweiten Gruppe mit „hoher Priorität“ erhalten können. Dies gilt etwa auch für Menschen mit chronischen Leber- oder Nierenerkrankungen sowie bestimmten schweren chronischen Lungenerkrankungen. In dieser Gruppe sollen sonst weiter schwerpunktmäßig Menschen ab 70 erfasst werden.



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